Grundlagen der Funktionswerkstoffe für Studium und Praxis. Janko Auerswald
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Grundlagen der Funktionswerkstoffe für Studium und Praxis - Janko Auerswald страница 16
2
Struktur und Gitterfehler
Die Kristallstruktur und die darin enthaltenen Gitterdefekte beeinflussen die mechanischen, elektrischen und magnetischen Eigenschaften von Funktionswerkstoffen maßgeblich. Die Dimensionen, die dabei eine Rolle spielen, sind unvorstellbar klein. Typische Atomabstände in Metallen liegen bei 0.1-0.3 nm. Die meisten metallischen Werkstoffe sind polykristallin, mit Korngrößen zwischen 1 und 100 μm. Um eines dieser winzigen Körner oder Kristallite als Bild darzustellen, müsste man wesentlich mehr Atome zeichnen, als Menschen auf unserem Planeten leben. Das ist nicht praktikabel. Daher bedient man sich des Modells der Elementarzelle.
Eine Elementarzelle ist die kleinste geometrische Einheit, die einen Kristall vollständig beschreibt. Angenommen, die mittlere Größe von würfelförmigen Kristallen läge bei 10 μm (mittlere Korngröße). Angenommen, Länge, Höhe und Breite der ebenfalls würfelförmigen Elementarzelle läge bei 0.2nm. Dann würde in einem solchen winzigen Kristall von 10 . 10 . 10 μm die unvorstellbare Anzahl von 1.25 . 1014 geometrischen Elementarzellen vorliegen. Und dieser kleine Kristall wäre noch nicht einmal von bloßem Auge, sondern nur unter einem Mikroskop erkennbar - inmitten von unzähligen weiteren kleinen Kristallen desselben Werkstoffgefüges.
Anders als die spröden Keramiken und Halbleiter können sich Metalle nicht nur elastisch, sondern auch plastisch verformen. Ursache dafür ist vor allem das Gleiten von Versetzungen auf dicht gepackten Kristallebenen. Um die Festigkeit von Metallen zu erhöhen, werden diesen Versetzungen gezielt Gitterdefekte wie Fremdatome, andere Versetzungen, Korngrenzen oder Ausscheidungen in den Weg gestellt. Man spricht in diesem Zusammenhang von Verfestigungsmechanismen.
2.1 Gittertypen der wichtigsten Metalle
Die meisten Metalle kristallisieren in einer der drei Gitterstrukturen, deren Elementarzellen in Tab. 2.1 gezeigt sind. Die guten metallischen Leiter Gold, Silber, Kupfer, Platin und Aluminium sowie das austenitische Gamma-Eisen liegen in der kubischflächenzentrierten (kfz) Struktur vor. Magnesium, Zink, Titan oder Kobalt kristallisieren in der hexagonal dichtesten Packung (hdp). Beide Kristallstrukturen besitzen die dichtest mögliche Packung von Atomen. Die dichtest gepackten Ebenen beider Strukturen, die in Abb.2.4 farbig markiert sind, sehen hinsichtlich der Anordnung und Packungsdichte der Atome identisch aus - dichter kann man Kugeln in einer Ebene nicht packen. Der wesentliche Unterschied zwischen ihnen ist die Stapelfolge der dichtest gepackten Ebenen übereinander. In der kfz Struktur entspricht die Stapelfolge der dichtest gepackten Ebenen dem Muster ABC ABC, d.h., die vierte Ebene liegt wieder über der ersten Ebene etc. Ist diese Stapelfolge gestört, spricht man von Stapelfehlern. In der hdp Struktur lautet die Stapelfolge der dichtest gepackten Ebenen AB AB, d.h., die dritte Ebene liegt wieder über der ersten Ebene (Abb. 2.5). Die kubisch-raumzentrierte (krz) Struktur, in der das ferritische AlphaEisen, Chrom, Molybdän, Wolfram, Tantal oder Vanadium kristallisieren, ist nicht ganz so dicht gepackt.
Tab. 2.1 Die wichtigsten Kristallstrukturen von Metallen.
kfz Elementarzelle | krz Elementarzelle | hdp Elementarzelle | |
|
|
|
|
Koordinationszahl (nächste Nachbarn von einander berührenden Atomen) | 12 | 8 | 12 |
Gitterkonstante als Vielfaches des Atom durchmessers d | a = 1.4d | a = 1.2d | a = d, c = 1.6d |
Packungsdichte | 74% | 68% | 74% |
Beispiele | Au, Ag, Cu, Pt, Al, Ni, Pb, Y-Fe | a-Fe, Cr, Mo, W, V, Ta, Nb | Mg, Zn, Ti, Co, Cd, Be |
Um die Kristallstrukturen beschreiben zu können, wird ihnen ein Koordinatensystem zugeordnet. Mit Hilfe dieses Koordinatensystems lassen sich Richtungen und Ebenen eindeutig mit Hilfe der sogenannten Miller’schen Indizes beschreiben. Richtungen schreibt man dabei in [eckige] Klammern. Sind bestimmte Richtungen aus Symmetriegründen kristallographisch gleichwertig, zum Beispiel alle Würfelkanten in kubischen Systemen, so kann man alle diese Richtungen vom gleichen Typ in (spitzen) Klammern zusammenfassen. Die Miller’schen Indizes von Ebenen schreibt man in (runde) Klammern. Sind bestimmte Ebenen aus Symmetriegründen kristallographisch gleichwertig, zum Beispiel Deckflächen eines Würfels in kubischen Systemen, so kann man alle diese Ebenen vom gleichen Typ in {geschweiften} Klammern zusammenfassen.
Abb. 2.1 Wichtige Richtungen im kubischen System. Beispiel: Die Richtung [111] ergibt sich als vektorielle Zusammensetzung aus jeweils einem Schritt in x-, y- und z-Richtung.
Im kubischen Kristallsystem, zu dem die krz, die kfz und die Diamantstruktur der Halbleiter der IV. Hauptgruppe sowie Zinkblendestruktur und der III-V-Halbleiter gehören, basieren die Miller’schen Indizes für alle Richtungen und Ebenen auf einem kartesischen Koordinatensystem. Die Richtungen [xyz] ergeben sich aus einer vektoriellen Zusammensetzung der kubischen Koordinaten (Abb. 2.1).
Die Richtungen [100], [010] und [001] entsprechen den Würfelkanten der Elementarzelle und spannen das kartesische Koordinatensystem auf. Sie können auch zu Richtungen des Typs ⟨100⟩ zusammengefasst werden, da sie aus Symmetriegründen kristallographisch gleichwertig sind. Die Richtungen vom Typ ⟨111⟩ sind die Raumdiagonalen und sind in krz Metallen die dichtest gepackten Richtungen.