Ein Leben für die Freiheit. Michael Koch
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Ein Leben für die Freiheit - Michael Koch страница 7
Die Mitte des 19. Jahrhunderts beginnende Gegenwehr der indianischen Völker und vor allem der Prärieindianer konnte diese Entwicklung nicht mehr aufhalten. Die Vertreibung der Indianer in Reservate und die permanente Verkleinerung ihres Lebensraumes waren die Folgen. Manche Reservate waren nahe der ursprünglichen Lebensgebiete der jeweiligen indigenen Nationen, andere lagen viele hundert Meilen entfernt. Viele Stämme wurden nach Inkrafttreten des „Indian Removal Acts“ in weit entfernte Gegenden zwangsumgesiedelt. Besonders bekannt wurden dabei vor allem die Vertreibung der Apachenstämme im Südwesten der USA und der „Lange Marsch“ der Navajo sowie der „Pfad der Tränen“ der im Südosten lebenden indianischen Stämme nach Oklahoma.
Allein bei diesem „Trail of Tears“, dem Marsch in das über 2.000 km entfernt gelegene neue Territorium, starben seit 1838 mindestens 4.000 Cherokee, mindestens 500 Chickasaw. Von den Muskogee starben schätztungsweise etwa 10.000, d.h. 50 % des Volkes sowie rund 2.500 Choctaw an den direkten oder indirekten Folgen der Vertreibung.
Bei dem „Langen Marsch“ der Diné (Navajo) aus dem heutigen Arizona in das Bosque Redondo Reservat in Neu Mexiko starben bereits beim ersten Konvoi 1864 von 2.500 Navajo 323 Personen an Kälte, Hunger, Krankheit und Erschöpfung. Vor allem Kinder, Schwangere, Alte und Kranke, die bei dem fast 500 km langen Marsch nicht mithalten konnten, wurden durch die Soldaten der US-Armee gnadenlos getötet. Beim folgenden Konvoi erreichten von 946 Navajos gerade noch 836 Bosque Redondo. Am Ende lebten 9.000 Navajo und 400 Mescalero-Apachen in einem Reservat, dessen Boden unfruchtbar war, dessen Bäume fast alle für den Bau des in der Nähe gelegenen Fort Sumner gefällt wurden und dessen alkalihaltiges Flusswasser ungenießbar war. Um unter diesen Bedingungen überhaupt überleben zu können und Schutz vor der Sonnenhitze zu finden, lebten die internierten Diné und Mescalero in Erdlöchern, die ein wenig Schatten und Kühle gewährten. Nach drei Jahren waren bereits 10 % der Navajo und Mescalero an diesen Lebensbedingungen gestorben.
Die amerikanische Regierung, die zehn Millionen Dollar in das Unternehmen gesteckt hatte, beauftragte General Tecumseh Sherman mit der Untersuchung der Zustände – nicht nur aus Gründen der Menschlichkeit, sondern auch, um Geld zu sparen. Sherman war erschüttert über die Lage der Diné und schickte einen Bericht an General Ulysses S. Grant, der bald Präsident der Vereinigten Staaten werden sollte. Am 1. Juni 1868 unterzeichneten Navajo-Häuptlinge in Fort Sumner einen Vertrag, worin die US-Regierung dem Diné-Volk ein Reservat in seinem alten Land zuteilte und den Überlebenden die Rückkehr bewilligte. Im Gegenzug verpflichteten sie sich, von nun an in Frieden mit den amerikanischen Siedlern zu leben.15
Als die Diné in ihre Heimat zurückkehrten, fanden sie ihre Hogans zerstört und ausgebrannt, ihre Pfirsichplantagen mit über 5.000 Obstbäumen gefällt und ihre Maisfelder verwüstet vor. Ihr Vieh war verschwunden oder sinnlos abgeschlachtet worden, und ihre Trinkwasserbrunnen waren teilweise vergiftet.
Diese Liste der Vertreibungen und deren Folgen lässt sich weiter ausführen. Viele der Reservationen lagen in Gegenden, in denen das Überleben für die nun dort angesiedelten Natives schwer war: kaum Wasser, wenig Vegetation, extreme Temperaturen, kaum mehr Wild zum Jagen. Allerdings zeigte sich im Laufe der Jahrzehnte, dass ein Großteil der nordamerikanischen Bodenschätze, wie z. B. Gold, Kohle, Kupfer, Uran usw., genau in diesen Territorien lag.
Die Gebiete der Lakota, Dakota, Nakota, denen im Vertrag von Fort Laramie 1868 ein Territorium von Wyoming bis Minnesota, der kanadischen Grenze bis Nebraska zugesichert wurde, wurden nach dem Fund von Gold in den Black Hills zunehmend verkleinert, was zu immer neuen Konflikten führte. Nachdem in den USA die Regierung 1871 dazu überging, mit den Indianern keine Verträge mehr abzuschließen, wurde den Indianern jegliches Mitspracherecht entzogen. Nun bestimmte die US-Regierung die Neuschaffung, Verkleinerung oder Vergrößerung von Reservaten („Erlass-Reservate“).
In den 60er und 70er Jahren des 19. Jahrhunderts bäumten sich gegen diese Vertragsbrüche und gegen die anhaltende Besiedlung der ihnen vertraglich zugesicherten Territorien vor allem die Stämme der Plains- und Prärieindianer ein letztes Mal auf. Die Schlacht am Little Big Horn River am 25. Juni 1876 mag hierfür als Symbol stehen. Doch so spektakulär und geschichtsträchtig diese Schlacht und der Sieg der indianischen Verbündeten über die 7. US-Kavallerie von Lieutenant Colonel Custer auch gewesen sein mag, so sieht die blutige Bilanz der militärischen Auseinandersetzungen zwischen US-Soldaten und den indianischen Verteidigern ihres Landes in der Zeit der sogenannten Indianerkriege zwischen 1790 und 1891 eindeutig anders aus. Den hierbei gefallenen 2.283 Soldaten stehen ca. 400.000 indianische Tote gegenüber.16 Dabei starben viele bei grausamen Gemetzeln und Massakern der US-Kavallerie. Hundert Jahre später rüttelten Bücher wie Dee Browns „Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses” (1970) und Kinofilme wie Arthur Penns „Little Big Man“ oder Ralph Nelsons „Soldier Blue – Das Wiegenlied vom Totschlag“ (beide ebenfalls aus dem Jahr 1970) viele junge 68er auf. Durch die zeitlicher Nähe zu den Vietnam-Kriegs-Massakern der US-Army in My Lai aber auch zum neu entstehenden indianischen Widerstand brachten sie das Thema des Völkermords an den nordamerikanischen Indianern wieder in die politische Öffentlichkeit. Dabei war die reale Dimension dieser Gemetzel erheblich brutaler und barbarischer als die schon teilweise schwer erträglichen filmischen Darstellungen:
Nach Sonnenuntergang, am 28. November 1864, verließ Colonel J. M. Chivington mit seiner Truppe „Fort Lyon“ im Bundesstaat Colorado. In der Dunkelheit ließ der Oberst ein Camp umstellen, in dem sich 500 Indianer zur Nacht rüsteten. … Als Indianer den Aufzug der weißen Soldaten bemerkten, informierten sie erschrocken ihren Führer, der die weiße Fahne und die Fahne der Weißen zum Zeichen seiner Friedfertigkeit aufziehen ließ. … Ohne jede Ankündigung … und Pardon wurde das Camp gestürmt. Zuerst machten sie sich über die Männer her … Dann waren die entsetzten Frauen an der Reihe, deren Schreie nach und nach verstummten. Nun waren nur noch die Schreie der Kinder zu hören, dann verstummten auch sie … Als sich nichts mehr regte, was indianisch war, schnitten die weißen Soldaten die reglosen Körper auf. Sie trennten den Frauen die Brüste ab, und dann, Höhepunkt der gespenstischen Nacht, skalpierten sie die Opfer. Am Ende lagen 450 grausam zugerichtete Menschen, wo noch wenige Stunden zuvor die Idylle des Nachtlagers geherrscht hatte.17
Bei der Rückkehr nach Denver wurden Chivingtons Truppen, die an ihren Hüten abgeschnittene Brüste und Genitalien, Skalpe von Kindern und große abgezogene Hautfetzen der massakrierten Cheyenne befestigt hatten, von der Bevölkerung begeistert begrüßt und gefeiert.
Ähnlich wie das Sand-Creek Massaker verliefen zahlreiche weitere Gemetzel, wie z. B. das Massaker am Washita River, ebenfalls an Cheyenne-Indianern:
Die im Winter 1868 in einem Lager am Washita River lagernden Cheyenne unter ihrem Häuptling Black Kettle litten Hunger, da die von der Regierung versprochenen Lebensmittellieferungen ausblieben. Zahlreiche junge Krieger wollten diesen Zustand nicht länger hinnehmen und machten sich auf in die ehemaligen Jagdgründe am Smoky Hill. Der Indianeragent Wynkoop eilte zu Black Kettle und bat ihn, die jungen Krieger zurückzuhalten.
„Unsere weißen Brüder entziehen uns die Hand, die sie uns am Medicine Lodge gereicht haben, aber wir werden versuchen sie festzuhalten“, sagte Black Kettle. Doch immer wieder brachen junge Krieger auf, um Nahrung zu beschaffen und sich für die gebrochenen Versprechen zu rächen. General Sheridan wollte das unterbinden und ein abschreckendes Beispiel geben, was den Indianern bevorstand, wenn sie aufbegehrten.
Anfang November 1868 wurde Black Kettle bekannt, dass Truppen unter George Armstrong Custer auf dem Weg waren, und er bat, seinen Stamm in der Nähe von Fort Cobb lagern zu lassen. Der Kommandant des Forts lehnte ab, er gab jedoch die Zusicherung,