Natur-Dialoge. Astrid Habiba Kreszmeier

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Natur-Dialoge - Astrid Habiba Kreszmeier Systemische Therapie

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in einem Stück Wald, dem sie nahe wohnt. Von dort aus macht sie eine kleine Reise durch die Psychotherapie-Geschichte, unterscheidet zwischen individuell-biografischen Sichtweisen analytischer und humanistischer Schulen und den systemisch-ökologischen Sichten. Sie zitiert Bateson und Systemische Kurztherapien bis hin zur System-Aufstellung und schließt diesen Abschnitt mit:

      »Systemische Methoden sind nicht nur therapeutisch wirksam. Sie vermitteln darüber hinaus einen Erfahrungshintergrund, der in die Praxis des Alltags hineinwirkt. Allerdings bleibt auch in ihnen die oben angesprochene Wechselwirkung mit der außermenschlichen Natur weitgehend unbeachtet.«

      Dann wendet sie sich dem Konzept der Ökopsychologie und dem gleichnamigen Buch (Roszak 1994) von Theodore Roszak zu. Sie thematisiert dessen Idee eines ökologischen Unbewussten und der ökologischen Interdependenz, die es in diesem Ansatz heilvoll zu reaktivieren gilt, und weist abschließend auf Workshops zu Systemischem Denken und Naturerfahrung hin. All das vor einem Vierteljahrhundert in Bayern! Und ich wusste nichts davon, schade! Immerhin habe ich den Beitrag im langlebigen Archiv des Internets gefunden und damit auch eine Brücke zur Ökopsychologie.

      Während in englischen und selbst in spanischen und portugiesischen Sprachräumen Eco-Psychology durchaus zu einer Marke wurde und von dort auch bis zum heutigen Tag wertvolle Öko-Inspirationen zu uns fließen, konnte sich der Begriff im deutschsprachigen Umfeld kaum etablieren. Eher bekannt ist hier Tiefenökologie (deep ecology), die sich als spirituelle Öko-Philosophie allerdings auch nicht nur einen guten Namen gemacht hat. Mittlerweile habe ich mich mit dem ökopsychologischen Ansatz etwas genauer befasst. Auch wenn er im Grundgedanken der erweiterten Schau auf Menschen und Welt unseren sympoietischen Zugängen ähnlich ist, so sind die Atmosphäre, der Blick, die Erklärungen, die Richtungen und die Methoden doch gänzlich verschieden.

      Roszaks Perspektiven stützen sich auf tiefenpsychologische Überzeugungen, wollen das Ich, das im Zentrum und einem kranken Planeten gegenübersteht, über die Erweckung des universell in allen angelegten »ökologischen Unbewussten« zu dessen Heilung befähigen. Sie sind von einem erlösenden Gottesbild oder zumindest von spirituellen Erlösungskonzepten getragen. Die Schuld und die Verschuldung (hier nun an der Umwelt) sind wesentliche Triebkräfte des Zugangs. Das sind bis zum heutigen Tag Grundthemen bei vielen Menschen, die sich für Umweltfragen einsetzen. In dieser Frage unterscheidet sich der ökopsychologische Zugang maßgeblich von dem Ansatz, den ich hier zu beschreiben suche. Schuld und Erlösungsbilder gehören nicht zu unseren Grundannahmen, wir orientieren uns eher an Versöhnung und dem Versuch, bessere (Beziehungs)Verhältnisse zu schaffen.

      Doch es gibt auch gemeinsame Denkrichtungen, so zum Beispiel die Wertschätzung für Jäger-und-Sammler- sowie frühagrarische Kulturen, die explizite Kritik an patriarchalen Herrschaftsstrukturen und die Anerkennung von ökofeministischen Stimmen. All das spielt unserem Ansatz zu, auch wenn Roszaks Sprache, das ist wohl auch der Zeit und seinen Denkschulen geschuldet, oft selbst in einen der inhaltlichen Absicht widersprechenden imperial-paternalen Duktus verfällt. (Vor dem ist ja wohl niemand ganz gefeit, auch ich nicht.)

      So bin ich Theodore Roszak für sein Werk und Engagement für das, was man Gegenkultur nannte, dankbar. Ebenso all jenen, die bis heute in diesem Bereich für Bildung und Gesundheit aktiv sind und Zugänge zu einer lebendigen Erde ins Zentrum ihres Wirkens stellen.24

      Wenige Jahre nach dem Erscheinen von The Voice of the Earth, wie Roszaks Werk im Originaltitel heißt, brachte David Abram, ein damals junger Anthropologe und Philosoph, ein Buch auf den Markt, das die Ökologie-Bewegungen um eine Schlüsselerkenntnis und eine Reflexionstiefe erweitern sollte. Er verband in seinem The Spell of the Sensuous die Reziprozität im menschlichen Wahrnehmungsgeschehen mit der mehr-als-menschlichen Welt, der Landschaft. Seine Gedankenreise beginnt bei persönlichen außergewöhnlichen Geschichten, die ihm während seiner Asienzeit als Taschentrickkünstler geschahen, anschließend nimmt er uns mit auf einen philosophischen Parcours, der den Unterschied zwischen oral-indigenem Weltenempfinden und schriftkulturell geprägtem Denken deutlich machen will. Darin bringt er uns die Phänomenologie Husserls und vor allem auch Merleau-Pontys Entdeckung der Wechselseitigkeit alles Sinnlichen nahe. Schließlich führt er durch die Prozesse der Entortung, die unsere Sprache besonders mit der Verschriftlichung erfahren hat, und letztlich zurück in den Raum von Erinnerung und Poesie, der wieder anschließt an indigenes Weltenempfinden.

      Erst 2012, 14 Jahre nach dem ersten Erscheinen, wurde Abrams Buch unter dem Titel Im Bann der sinnlichen Natur ins Deutsche übersetzt und gehört bis heute zur wesentlichen Inspiration für viele Menschen, die unter dem Geist der Wechselseitigkeit in und mit der Natur arbeiten oder das Feld der Öko-Philosophie bestellen. Abram hat eine Sprachtüre zur reziproken Begegnung von Mensch und Naturraum aufgetan, die uns auch hier noch mancherorts begleiten wird.

      Öko-Gewebe heute

      Mittlerweile scheinen die »Stimmen der Erde« oder andere ökologische Überlegungen vermehrt in das professionelle Feld von Psychotherapie und Beratung einzufließen. Dazu gehören das Erscheinen von zwei rund tausendseitigen Kompendien, die sich mit der Natur-Beziehung von und in Psychotherapien beschäftigen25, ebenso wie die öffentliche Aufmerksamkeit, die seit einiger Zeit dem »Waldbaden«, diversen Achtsamkeitstrainings in der Natur, der Green Meditation und anderen Naturtherapien zukommt. Seit der ersten Auflage der Systemischen Naturtherapie (Kreszmeier 2012) hat sich das damals noch kaum vorhandene kollegiale Feld um ein Vielfaches erweitert. Diversität ist, wie in allen lebendigen Systemen, auch hier ein gutes Zeichen.

      Wer weiß, wohin das noch führt? Ja, wer weiß, wohin Psychotherapeut:innen von ihren Klient:innen geführt werden?

      Von allen edlen Überlegungen abgesehen, sind es vor allem die Anliegen und Fragen der Menschen, die in die Praxen und Kliniken getragen werden. Welche guten Fragen können den zahlreichen und mehr werdenden Menschen gestellt werden, die aus ihrem persönlichen Empfinden heraus nicht mehr primär an Geschehnissen in ihrer Kindheit kranken, sondern an einer Form des massiven Leidens mit der Welt, das sich sowohl auf die Ausbeutung von menschlichen als auch von nicht-menschlichen Ressourcen bezieht? Was brauchen Menschen, die in keine Flugzeuge mehr steigen, zu Hause Tomaten pflanzen, sich vegan ernähren und oft keine Ahnung haben, wie und wo den Fuß auf die Erde zu setzen, ohne nicht in das Gefühl von Verschuldung zu geraten? Was be-sprechen wir mit jenen, die den traditionellen Familienbegriff bestenfalls verklären, ihn aber bestimmt nicht mehr ausfüllen wollen und schon lange mit kooperativen Lebensformen experimentieren? Und wie arbeiten wir mit den vielen, die mit Anfang Zwanzig schon die ersten Burn-out-Krisen durchmachen, weil ihre Wachheit und Wahrnehmung und ihr Engagement zu einem erhitzten Mix werden?

      Werden sie mit einer Beratung, die sie entlang von reglementierten Straßen führt, gesehen und ihr Fragen beantwortet sein? Wird hier die moderne, von bürokratischen und fachlichen Regelungen zunehmend gelenkte Psychotherapie anschlussfähig bleiben?

      Es ist zu vermuten, dass jenes Netz ökologisch orientierter Ansätze, das von vielen Himmelsrichtungen unseres Globus inspirierte Hybridformen ausbildet, gemeinsam mit den gegenwärtigen Notlagen der menschlichen sowie der anders-als-menschlichen Welt weiterwachsen wird. Hier auch nur einen annähernd vollständigen Überblick der Akteur:innen und Aktanten geben zu wollen, wäre vermessen. Dennoch kann es das Verständnis für die Vielfalt schärfen, wenn wir entlang von unterscheidenden Merkmalen zumindest einen Teil der aktuellen Bewegungen wahrnehmen. Mir kommen dabei verschiedene Perspektiven entgegen:

      Die transzendenten und immanenten, die psychologischen und die politischen, die progressiven und die zirkulären Perspektiven. Diese klassisch dualen Muster erlauben denn auch verschiedenste Mischungen. Zunächst aber noch einmal jede für sich betrachtet:

       Transzendente Perspektiven

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