Natur-Dialoge. Astrid Habiba Kreszmeier

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Natur-Dialoge - Astrid Habiba Kreszmeier Systemische Therapie

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Erde und das Leben werden in diesen Perspektiven als globales oder kosmisches Ganzes gesehen. Sie sind einer himmlischen Außenperspektive oder einer transzendenten Urkraft verbunden, einer Essenz oder Quelle oder auch verschiedenen Gottesbildern. Die Anbindung an diese Quelle erfolgt meist über Distanznahme, Stille, Kontemplation und Konzentration und will das Bewusstsein für das Ganze erweitern, neue Erkenntnisse emergieren. Die meisten ökologischen Bewegungen, die sich der reflektierenden Anschauung und Achtsamkeitswegen verbunden fühlen, folgen dieser Perspektive: buddhistische und hinduistische Wege, christliche Mystik gehören hier erwähnt.

       Immanente Perspektiven

      Diese Ansätze gehen von konkreten Orten und Situationen aus, sie handeln der Erde nahe und schauen zur Erde hin. Hier richtet sich die Aufmerksamkeit auf die vielen Geschöpfe, auf die konkret hier miteinander Lebenden, und so bildet sich auch das Begreifen und Erkennen aus. Das Anerkennen von Vielheit und Pluralität steht gemeinsam mit wahrnehmendem Miteinander-Handeln im Zentrum. Sie folgen einer Ontologie immanenter, sinnlicher Erfahrung und der Annahme, dass wir Menschen Erdverbundene inmitten von Erdverbundenen sind. Viele indigene Traditionen bzw. deren Intellektuelle, einige Anthropolog:innen, Soziolog:innen, Philosoph:innen beschreiben und bemühen sich um diese Weltenschau.26

       Psychologische Perspektiven

      Hier geht es meist um den Blick auf den einzelnen Menschen, der in der Beziehung zur himmlischen oder irdischen Welt gestärkt und neu aufgerichtet werden will. In diesen Perspektiven können wir Wege heroischer und post-heroischer Individuation unterscheiden: also solche, die von einer besonderen Berufung und Aufgabe Einzelner (Held:innen) ausgehen und ihn oder sie auf ihrem Weg begleiten. Und andere, welche die individuellen Lebenswege im egalitären Verbund sehen und deren Kollaboration und Kooperation betonen.

      Visionssuche, Archetypische und Integrative Natur-Psychologie, Systemische Naturtherapie, Waldbaden gehören in dieses Feld. Mehrheitlich noch heroisch orientiert, aber tendenziell in postheroischer Transition.

       Politische Perspektiven

      Hier geht es um das Empowerment zur Mitgestaltung von irdischen oder himmlischen Lebensbedingungen. Um die Nutzung von vorhandenen Strukturen und Institutionen oder die Erschaffung von Neuem. Es geht häufig um Information, Schulung und Aktion, Bildung von Netzwerken, Gemeinschaften, Bewegungen.

      Ökodorf-Aktive, Fridays for Future, Integrale Politik, die Neuen Grünen könnten hier genannt sein.

       Progressive Perspektiven

      Hier wird von einer Bewusstseinsentfaltung in einer an Komplexität, Weisheit und Möglichkeiten ansteigenden Ökologie ausgegangen, die sich linear oder zyklisch in Spiralbewegung entwickelt. Der Mensch wird darin meist als besonderer Treiber gesehen, dem die Aufgabe zukommt, den Prozess nach bestem Wissen und Gewissen zu gestalten. Die Stakeholder-Kapitalismus-Perspektiven im WEF, Transhumanistische Strömungen, Künstliche Intelligenz und Emigrationspläne auf Mars und Mond gehören zu den aktuell wesentlichen Ausprägungen dieser Richtung.

       Zirkuläre Perspektiven

      Hier wird der Idee des unendlichen Wachstums und Fortschritts eine Absage erteilt und auf die zyklischen, zirkulären Formen natürlicher Prozesse verwiesen. Aus dieser Perspektive treiben die Menschen – sofern sie sich weiterhin progressiv verhalten – auf einen Abgrund zu, weil sie atmosphärisches Gleichgewicht durch massive Extraktion von Ressourcen verstören und so ihre Lebensgrundlagen zerstören. Das könnte man die zirkulär-pessimistische Position nennen. Daneben gibt es auch solche, die daran glauben, dass es möglich ist, zu zirkulären, also humusbildenden und die Atmosphäre nährenden Lebensformen zurückzukehren. Ich nenne sie die zirkulär-zuversichtlichen. Agrar-ökologische Strömungen, Regionalisierungen, Gemeinwohlökonomische Konzepte gehören in dieses Feld.

      Die Verortung des sympoietischen Ansatzes erschließt sich aus den folgenden Merkmalen: irdisch, post-heroisch psychologisch, zirkulär-zuversichtlich.

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      13 Ich kenne eine Reihe von Kolleg:innen in der Schweiz und in Österreich, die seit Jahrzehnten in Praxis und Lehre tätig sind und in den letzten acht Jahren von einem juristisch-bürokratischen Marathon zum nächsten hecheln: von Zertifizierungsverfahren über Datenschutzverordnungen zu Covid-19-Schutzkonzepten und wer weiß, was noch kommen mag. Wie gut, sind sie mittlerweile mit ihren Jurist:innen befreundet!

      14 Hierzu passt auch die Geschichte eines Polizeikommandanten, der hier an der Rheintaler Grenze vielen Juden durch einen »falschen« Stempel zur Einreise in die Schweiz verholfen hat. Die Lebensgeschichte von Paul Grüninger wurde in mehreren Filmprojekten dokumentiert, eine davon trägt den Titel: Grenzenlose Flussfreiheit – Tiefgang am Alten Rhein, 2012, eine Produktion des ORF. Hier verweben sich Name, Handlung und Landschaft.

      15 In diesen Gedanken bin ich von Bruno Latours Essay Wir sind nie modern gewesen (2019b) gestützt.

      16 In ihrem Beitrag »Stereotype und Perturbationen«, erschienen in den Systemischen Notizen 2/2018, denken die Kollegen Martin Luger und Stefan Graf auf inspirierende Weise über das »Projekt der Moderne« und die mögliche Aufgabe eine systemisch-ökologischen Psychotherapie nach: »Psychotherapie kann insofern als Teilprojekt der Moderne gesehen werden, weil darin Friktionen und Problemstellungen von gesellschaftlichen Zusammenhängen entkoppelt und auf Individuen ›projiziert‹ werden können« (Luger u. Graf 2018, S. 14 ff.).

      17 Als ehemaliger Priester, dann Psychoanalytiker, hat Bert Hellinger über seine Form der Familienaufstellung, besonders das Prinzip Zugehörigkeit und das Denken in transgenerationalen Verstrickungen ins Feld gebracht. Sein autoritärer, mystifizierender Zugang hat ihn aus dem Raum systemischer Psychotherapie distanziert. Eine unaufgeregte Darstellung rund um Hellingers Wirken findet sich in Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Bert_Hellinger [29.06.2021].

      18 Gunthard Weber, der unter dem Titel Zweierlei Glück (2001) dieses Seminar ausführlich dokumentierte, hat damals Bert Hellinger zu einem veritablen Durchbruch verholfen und dem systemischen kollegialen Netz zu einem ebensolchen Konflikt.

      19 Die Idee der Existenz eines intuitiven Gesamtwissens oder auch eines weisen Unbewussten, das kooperativ mitwirkt, spielt auch im hypnosystemischen Ansatz eine wichtige Rolle. Vergleiche Das Orchester der Sinne nutzen für erfolgreiche »Lösungssinfonien« – Hypnosystemische multisensorische Strategien für kraftvolle ganzheitliche Lösungen von Gunther Schmidt in Bohne et al. 2019.

      20 Dieses Bild des Kurators des eigenen Selbst habe ich bei Andreas Reckwitz’ Analyse der Spätmoderne entdeckt.

      21 Anfang Januar 2021, zur Zeit des Entstehens dieses Buches, wurde die Welt Zeuge unglaublicher Bilder: Gehörnte, pelzbehangene Menschen stürmten das Kapitol in der US-amerikanischen Hauptstadt Washington D. C. Aufgeblähte Ermächtigung, genährt von Enttäuschung, Wut und Wahnkonstruktionen, die ihresgleichen suchen. Zugleich eskalierte in vielen Lockdown-Wohnungen häusliche Gewalt, Kindesmissbrauch und Suchtmittelmissbrauch.

      22 Bei Konrad Peter Grossmann (2000, S. 162) habe ich dazu folgende schöne Formulierung

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