Natur-Dialoge. Astrid Habiba Kreszmeier

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Natur-Dialoge - Astrid Habiba Kreszmeier Systemische Therapie

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S. 67).

      10 Vgl. Maturana u. Verden-Zöller (2005). Das kommt dem sehr nahe, was Maturana in seinen Überlegungen zur Biologie der Liebe zu erkennen meint: »Love is a manner of relational behaviour through which the other arises as a legitimate other (as an other that does not need to justify his or her existence in relation to us) in a relation of coexistence with oneself« (Maturana in einem unveröffentlichten Skript zu der Weiterbildung Fundaments of Cultural Biology).

      11 Mit dem Schicksal indogermanischer Völker, das gemeinsam mit seiner Sprache als eine Geschichte von Kriegen und Gewalt erzählt wird, beschäftigen wir uns genauer im Kapitel »Wohin reichen unsere Erinnerungen« (S. 165 ff.).

      12 In ihrem Buch Unruhig bleiben widmet Donna Haraway ein Kapitel der Sympoiesis. Dort stellt sie auf Seite 88 fest: »Solange Autopoiesis nicht selbstgenügsames selber machen/sich-selber-machen meint, sondern von der Gewichtung verschiedener Aspekte systemischer Komplexität handelt, besteht zwischen Autopoiesis und Sympoiesis ein produktives Reibungsverhältnis, oder auch: ein Verhältnis der generativen Umarmung, nicht eines der Opposition« (Haraway 2018, S. 88).

       3Weiter weben

       »Sobald ein feines Weberschiffchen Himmel, Industrie, Texte, Seelen und moralisches Gesetz miteinander verwebt, wird es unheimlich, unvorstellbar und unstatthaft.«

      Bruno Latour, Wir sind nie modern gewesen, S. 10

      Grüne Grenzen

      Nun aber zurück in die Praxis – genauer in die psychotherapeutische Praxis. Zu einem Ort also, in dem sich dazu ausgebildete Menschen darum bemühen, anderen Menschen zu besserer Lebensqualität zu verhelfen. Was und wie hier genau vonstattengeht, -gehen soll und -gehen darf, das prägen die psychotherapeutischen Schulen, die sich in theoretischen und methodischen Zugängen unterscheiden und überschneiden, vor allem jedoch die kulturellen sowie sozial- oder gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen. Diese ermöglichen und wachen mithilfe ihrer rechtlichen Strukturen, ihrer finanzsteuernden Institutionen und den fachlichen Diskursprozessen darüber, dass – salopp gesprochen – überall, wo Psychotherapie draufsteht, auch Psychotherapie drinnen ist (oder auch psychologische Beratung, Lebens- und Sozialberatung und anderes). Selbst wenn die Psychotherapie ein relativ junges berufliches Gewerbe ist, so ist sie, wie jedes andere moderne Berufsbild auch, ständig Anpassungen und Veränderungen ausgesetzt. Qualität und Sicherheit gegenüber den Klient:innen, gegenüber den institutionellen Partnern, gegenüber dem kollegialen Netzwerk sowie gegenüber dem relevanten öffentlichen Raum fordern und fördern Qualitätsstandardisierungen, Dokumentationsrichtlinien und Schutzkonzepte.13 Wer in diesem Feld eine professionelle und offizielle Anerkennung anstrebt oder repräsentiert, wird die Reinheitsgebote seiner Gilde und ihrer Umgebung mitgestalten und umsetzen. Er oder sie oder die Praxisgemeinschaft muss reflektierend anerkennen, was Psychotherapie (oder auch jede andere Profession) ist, was sie für wen und mit wem tut und was nicht. Wie und wie lange sie es tut, und letztlich auch, wo sie es tut. Das Ausverhandeln der professional-territorialen Grenzen schafft ein komplexes Zusammenspiel von Systemen und Strukturen. Es ist ein hochpolitisches Geschehen, das zwischen Ärzt:innen, Psycholog:innen, Psychotherapeut:innen, Lebens- und Sozialberater:innen, Sozialarbeiter:innen, Seelsorger:innen, Priester:innen, Physiotherapeut:innen, Naturheilpraktiker:innen, zwischen Komplementärtherapien, Apotheken, Pharmabetrieben, Berufsverbänden, medizinischem Fachpersonal, Rettung und Notfallstellen, Rechtsbestimmungen, Schaman:innen, Gurus und Zen-Meister:innen, Krankenkassen und Hausmittelkundigen, Medien, Verlagen, Banken, Hauseigentümer:innen, Ombudsstellen, arbeitsmarktlichen Bestimmungen, freimarktlichen Dynamiken, freilich den Hilfesuchenden selbst und ganz vielen, die ich hier nicht aufgezählt habe, im Gange ist. Welch ein vielarmiges Geschehen, das ständig darum bemüht ist, saubere Grenzen und einen ebensolchen Grenzverkehr sicherzustellen! Dennoch – so scheint es – sind Schmuggler und Schlepper ständig am Werk. Von besonderer Bedeutung für uns scheint mir noch etwas: nämlich die vielen Kilometer der sogenannten grünen und blauen Grenzräume.

      Dort bei diesen Wäldern, Auen, Bergen, Steppen, Wüsten, Flüssen oder Meeren findet fortwährend Austausch statt. Vögel, Füchse, Schnecken, Samen, Mikroben, Bären, Wölfe, Pilze, Pflanzen, Viren, radioaktive Strahlung, Wüstensand – alles überschreitet in unserer Biosphäre unermüdlich nationale Grenzen und gestaltet fortwährend in Bewegung topografische Rand- und Übergangsräume. Fruchtbar und furchtbar zugleich, je nach Betrachtung und Interesse. Naturgemäß sind auch Menschen und ihre Schicksale an diesen grünen Grenzen unterwegs. Dunkle und helle Momente des Menschlichen erzählen sich hier, damals wie heute: Menschenschmuggel, Flüchtlings- und Rettungsschifffahrt und Grenzhilfen der besonderen Art.14

      Moderne Trennungen

      Landesgrenzen werden bekanntlich an Grenzposten entlang von Luft-, Land- und Wasserstraßen gehütet. Sie sind genau genommen nicht mehr als wenige Punkte entlang ausgewählter Linien. Es handelt sich um Repräsentanten eines wesentlich umfassenderen Raumes, der ein Land ausmacht. Wir sind es gewöhnt, diese Verkehrspunkte, -knoten und -linien zu einer gesamten Fläche zusammenzudenken. Das hat vereinfachende Wirkung, ist jedoch – um in Batesons Jargon zu bleiben – ungenau. Diversität und Größe des irdischen, natürlichen Raumes kippen aus unserer Aufmerksamkeit, gehen im stereotypen Netz nationaler Grenzpunkte verloren. Sie rücken erst dann wieder ins Bewusstsein, wenn soziale, politische, ökonomische oder biologische Umstände die repräsentierenden Grenzübergänge in Frage stellen. Dann wird an andere Stellen ausgewichen und versucht, in das Gebiet »einzufallen«.

      Dazu fällt mir eine berührende Geschichte ein: Viele Jahre lang sind wir von unseren Seminarreisen in Griechenland mit den Autofähren von Patras, Peloponnes, nach Venedig, Italien, gefahren. Es war noch zu einer Zeit, in der wir mit Kajaks, also mit einem Anhänger voller schlanker Boote unterwegs waren. Der Fährhafen von Patras war jedes Jahr von einem höheren, jedoch noch improvisierten Zaun eingefasst, an dem sich Flüchtlinge und Asylsuchende drängten, nach irgendwelchen Schlupflöchern Ausschau haltend, durch die sie sich im dichten Gemenge von LKWs und Autos einen Weg ins Innere dieser Schiffe bahnen konnten. Welch trauriges, ja unglaubliches und unwürdiges »Schauspiel« für alle Anwesenden. Wir also fuhren mit unserem Auto und seinem Anhänger, mit unseren Pässen und Tickets auf das Schiff, schaukelten sicher durch das Mittelmeer und fuhren – wie schon so oft – von Venedig hoch, über Südtirol, den Brennerpass und von dort Richtung Westen in die Schweiz. Als wir in Vorarlberg an einer Tankstelle Halt machten (ca. fünfeinhalb Stunden später), fiel mir sozusagen mein Herz in die Hose, als ich es deutlich aus einem der Boote klopfen hörte! Wir konnten und wollten gar nicht glauben, was jedoch immer wirklicher wurde: Wir hatten in einem unserer Kajaks einen blinden Passagier! Als schließlich dieser Jemand seine kleine Hand aus der Sitzluke streckte, war es für uns alle unübersehbar: Da war ein Mensch. Seit wann, wissen wir nicht, sicherlich jedoch seit Venedig, in einer Kajakluke untergebracht, mit uns über die Alpen gefahren! Wer schon mal in einem Kajak gesessen ist, kennt die Kleinheit des Raumes, und es ist klar, dass ihm, wer auch immer er war, von anderen geholfen wurde. Und jetzt stehen wir mit ihm in Vorarlberg. Was ist jetzt die gute Hilfe? Wir sprachen ihn an, berieten miteinander und entschieden, die Polizei zu kontaktieren. Was hätten wir tun sollen? Wenn es für ihn eine Chance gab, dann über den formellen Asylweg. Berührt bin ich heute noch, auf welch schöne und sichernde, kompetente Weise jene Polizistin und ihr Kollege diesen hageren Menschen aufgenommen haben, den wir in ihrer Anwesenheit wenige Minuten später aus dem Boot befreit haben. »Ihr kommt aus Patras, okay, alles klar,

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