Rechtsmedizin. Ingo Wirth
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An der Leiche muss der Arzt auf äußerlich feststellbare Krankheitsfolgen und Verletzungen achten. Bei offensichtlicher Gewalteinwirkung, wie Stich- und Schnittwunden oder Schädelzertrümmerung, ist die Todesursache meist unschwer erkennbar. Wenn nicht, weisen die Verletzungen zumindest auf einen nichtnatürlichen Tod hin. In solchen Fällen ist vom Ermittlungsbeamten eine Leichenöffnung zur Feststellung der Todesursache anzuregen.
II. Tod und Leichenuntersuchung › 4. Ärztliche Leichenschau › 4.4 Beurteilung der Todesart
4.4 Beurteilung der Todesart
In Verbindung mit der Feststellung der Todesursache wird vom Leichenschauarzt die Beurteilung der Todesart gefordert. Damit soll das zum Tod führende Geschehen erfasst werden. Es sind drei Kategorien zu unterscheiden:
• | natürlicher Tod (aus innerer Ursache, krankheitsbedingt), |
• | nichtnatürlicher (= unnatürlicher) Tod (aus äußerer Ursache), |
• | ungeklärt, ob natürlicher oder nichtnatürlicher Tod. |
Der natürliche Tod ist ein Tod aus krankhafter Ursache, der völlig unabhängig von rechtlich bedeutsamen äußeren Faktoren (z. B. Verkehrsunfall) eingetreten ist. Damit der Leichenschauarzt einen natürlichen Tod bescheinigen kann, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein:
1. | Der Verstorbene muss an einer konkret zu bezeichnenden und ärztlich diagnostizierten lebensbedrohlichen Krankheit gelitten haben. |
2. | Der Ort und die näheren Umstände des Auffindens der Leiche müssen mit der angenommenen Todesursache vereinbar sein. |
Der zweiten Bedingung kommt deshalb eine große Bedeutung zu, weil auch ein lebensbedrohlich Erkrankter zum Opfer eines Tötungsdelikts werden kann.
Ein nichtnatürlicher Tod liegt vor, wenn der Todesfall auf ein von außen verursachtes, ausgelöstes oder beeinflusstes Geschehen zurückzuführen ist.
Dem nichtnatürlichen Tod werden zugerechnet:
• | Selbsttötung (Suizid), |
• | Unfalltod, |
• | Tötung durch fremde Hand (Homizid). |
Eine Selbsttötung (Suizid, unzutreffend auch Selbstmord oder Freitod) ist die absichtliche Beendigung des eigenen Lebens. Der Suizid ist straflos, folglich auch Versuch und Teilnahme als solche. Anders verhält es sich bei der Missachtung einer rechtlich gegebenen Garantenstellung.
Ein tödlicher Unfall liegt vor, wenn eine Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig und unabhängig von einem Fremdverschulden eine zum Tod führende Gesundheitsschädigung erleidet.
Zum Homizid gehören nicht nur die vorsätzlich begangenen Straftaten gegen das Leben, sondern auch die fahrlässigen Tötungsdelikte (z. B. Verkehrsunfälle, ärztliche Behandlungsfehler).
Für die Bescheinigung eines nichtnatürlichen Todes müssen konkrete Anhaltspunkte für eine – wenn auch entfernte – Möglichkeit der Verursachung des Todes von außen bestehen. Die Einwirkung von außen muss weder unmittelbar noch allein den Tod herbeigeführt haben und kann dem Todeseintritt längere Zeit vorausgegangen sein.
Ein Beispiel soll das veranschaulichen. Beim Überqueren der Straße wird ein Mann angefahren, erleidet einen Unterschenkelbruch und muss im Krankenhaus behandelt werden. Während des Krankenlagers stellt sich nach einigen Tagen eine Lungenentzündung ein, an der er verstirbt. Demnach war die Unfallverletzung nicht unmittelbar tödlich. Zum Tod führte trotz sachgemäßer Behandlung und Pflege eine Folgeerkrankung des Unfalls, nämlich die Lungenentzündung. Der Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Todeseintritt ist zu bejahen und mittelbar gegeben. Ohne das vorausgegangene Unfallgeschehen ist der Verlauf nicht vorstellbar.
Weitere, häufig zum Tod führende Spätfolgen von Verletzungen – unabhängig davon, ob mit oder ohne Fremdverschulden – sind Lungenembolie (Verschluss der Lungenschlagadern durch Einschwemmung eines Blutgerinnsels) und Allgemeininfektion mit Versagen lebenswichtiger Organe.
Die Bescheinigung einer ungeklärten Todesart ist wiederum an zwei Bedingungen geknüpft:
1. | Es liegen keine Anhaltspunkte für einen nichtnatürlichen Tod vor. |
2. | Trotz sorgfältiger Leichenuntersuchung und Einbeziehung der Vorgeschichte haben sich keine Befunde ergeben, die den Tod aus krankhafter Ursache und völlig unabhängig von rechtlich bedeutsamen Faktoren plausibel erklären. |
Besonders zu beachten ist, dass der Ermittlungsbeamte den Arzt bei bestehenden Zweifeln, ob ein natürlicher oder ein nichtnatürlicher Tod vorliegt, niemals dazu drängen darf, die Todesart „natürlich“ anzukreuzen.
Durch die Bestimmung der Todesart entscheidet allein der Leichenschauarzt, ob polizeiliche Ermittlungen eingeleitet werden oder nicht. Diagnostiziert er einen natürlichen Tod, ist nur für den Fall der Feuerbestattung eine weitere Leichenuntersuchung (zweite Leichenschau) vorgesehen. Ansonsten wird der Leichnam ohne Überprüfung der als natürlich bescheinigten Todesart bestattet.
II. Tod und Leichenuntersuchung › 4. Ärztliche Leichenschau › 4.5 Personalienfeststellung
4.5 Personalienfeststellung
Die Identität des Verstorbenen lässt sich in der Mehrzahl der Fälle durch einen Vergleich mit dem Lichtbild auf Personalpapieren sowie durch das Befragen von Beziehungspersonen feststellen. Stark fortgeschrittene Leichenveränderungen, Tierfraß, Entstellung des Gesichts durch Zertrümmerung, Brandzehrung oder Verätzung sowie Fehlen des Kopfes lassen kaum eine Identitätsfeststellung ohne zusätzliche Untersuchungen zu. Der Leichenschauarzt handelt verantwortungsbewusst, wenn er die Todesbescheinigung in Zweifelsfällen auf unbekannt ausstellt.
Eine Wohnung als Leichenfundort darf nicht vorbehaltlos zur Identitätsfeststellung herangezogen werden. Es sind Fälle bekannt geworden, bei denen hochgradig fäulnisveränderte Leichen fälschlicherweise als Wohnungsinhaber angesehen wurden.
II. Tod und Leichenuntersuchung › 4. Ärztliche Leichenschau › 4.6 Ausstellen der