Allgemeines Verwaltungsrecht. Mike Wienbracke
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Wie sich aus §§ 1 Abs. 1, 9 VwVfG ergibt, unterfallen abweichend vom zu weitgehenden Wortlaut des § 54 S. 1 VwVfG nicht sämtliche öffentlich-rechtlichen Verträge dem unmittelbaren Anwendungsbereich der §§ 54 bis 62 VwVfG, sondern nur solche, die von einer Behörde im Bereich des Verwaltungsrechts abgeschlossen werden (Verwaltungsverträge; vgl. auch Rn. 45). Sonstige öffentlich-rechtliche Verträge wie beispielsweise solche völkerrechtlicher Natur gem. Art. 32, 59 GG oder Staatsverträge – etwa zwischen Bund und Ländern – gehören ebenso wie kirchenrechtliche Verträge nicht hierzu. Zudem sind die Bereichsausnahmen nach § 2 Abs. 2 und 3 VwVfG zu beachten (Rn. 157).
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Der Inhalt der von der Behörde und dem Bürger im Verwaltungsvertrag getroffenen Regelung ist im Wege der Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB i.V.m. § 62 S. 2 VwVfG zu ermitteln (siehe das Beispiel in Rn. 106). Diese kann insbesondere ergeben, dass sich die Behörde im Vertrag dazu verpflichtet hat, gegenüber dem Bürger zu einem späteren Zeitpunkt eine Leistung (z.B. Vornahme eines Realakts, Erlass eines Verwaltungsakts) erst noch zu erbringen. Derartige Verpflichtungsverträge bewirken selbst noch keine Rechtsänderung, sondern begründen nur einen entsprechenden (relativen) Anspruch des jeweiligen Vertragspartners hierauf. Anders dagegen, wenn die Auslegung ergeben sollte, dass die Behörde bereits unmittelbar im Vertrag selbst eine Rechtshandlung vorgenommen (z.B. Erteilung einer Baugenehmigung) und dadurch die Rechtslage sofort entsprechend (absolut) verändert hat, sog. Verfügungsvertrag.
3. Ermächtigungsgrundlage
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Ob die Behörde in der Form des Verwaltungsvertrags handeln will, steht in ihrem Ermessen, siehe § 54 S. 1 VwVfG („kann“).[198] Eine besondere gesetzliche Ermächtigungsgrundlage ist für die Handlungsform „Verwaltungsvertrag“ – im Gegensatz zu der des Verwaltungsakts mit seinen rechtsformspezifischen Belastungswirkungen für den Bürger (Rn. 123 ff.) – nicht erforderlich. Der Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes, wonach v.a. die den Bürger belastenden Maßnahmen der Verwaltung einer gesetzlichen Grundlage bedürfen (Rn. 9 ff.), greift im Hinblick auf die Handlungsform „Verwaltungsvertrag“ nicht. Denn der Bürger hat es selbst in der Hand, seine zum Vertragsschluss zwingend notwendige Willenserklärung (Rn. 95) nicht abzugeben und damit das Entstehen einer ihn ggf. belastenden verwaltungsvertraglichen Regelung zu verhindern.[199]
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Demgegenüber ist der handlungsformunabhängig geltende Grundsatz vom Vorrang des Gesetzes (Rn. 18 ff.) seitens der Behörde ebenfalls im Fall der Regelung eines Rechtsverhältnisses durch Verwaltungsvertrag zu beachten. Auch insoweit darf die Behörde nicht gegen die Rechtsordnung verstoßen. Dies kommt nicht nur in den §§ 54 ff. VwVfG zum Ausdruck, die bestimmte formelle (Rn. 103 ff.) und materielle (Rn. 107 ff.) Anforderungen an den Verwaltungsvertrag stellen, sondern ebenfalls bereits im Hinblick auf die Handlungsform „Verwaltungsvertrag“ als solche, siehe § 54 S. 1 VwVfG a.E.: Die Behörde kann ein Rechtsverhältnis nur insoweit durch Verwaltungsvertrag regeln, als „Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen“. Ein derartiges Vertragsformverbot, das der Behörde ohne Rücksicht auf den Inhalt allein schon aufgrund der vertraglichen Handlungsform die Vornahme einer Regelung verbietet, kann sich nicht nur ausdrücklich (z.B. § 1 Abs. 3 S. 2 Hs. 2 BauGB, § 2 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG; vgl. auch § 8 Abs. 2 BeamtStG), sondern auch aus dem Sinn und Zweck einer Vorschrift ergeben.
Beispiel
Ein Rechtsgebiet, auf dem weitgehend ein Vertragsformverbot besteht, ist das Steuerrecht.[200] In Anbetracht der dort herrschenden Grundsätze der Gleichmäßigkeit und der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung (§ 85 S. 1 AO) ist eine vertragliche Vereinbarung über die Steuerschuld unzulässig („Klassiker“: vertragliche Verpflichtung einer Gemeinde gegenüber einem Unternehmen, diesem als Gegenleistung für dessen Ansiedlung im Gemeindegebiet die Gewerbesteuer für einen bestimmten Zeitraum zu erlassen).[201] Vielmehr werden Steuern grundsätzlich durch Steuerbescheid, d.h. Verwaltungsakt, festgesetzt, siehe § 155 Abs. 1 S. 1 AO. Verständigungen über die tatsächlichen Grundlagen der Besteuerung, die sich unmittelbar nur auf die Ebene des Sachverhalts und nicht auch auf Rechtsfragen beziehen, sind hingegen zulässig.[202]
4. Formelle Rechtmäßigkeit
a) Zuständigkeit
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Soweit der Behörde das Handeln in Form des Verwaltungsvertrags mangels entgegenstehender Rechtsvorschriften nicht verboten ist (Rn. 102), muss sie bei dessen Abschluss nicht nur die in den §§ 57, 58 VwVfG ausdrücklich geregelten formellen Anforderungen einhalten, sondern zudem auch noch sachlich, instanziell und örtlich zuständig sein für die Abgabe der zum Vertragsschluss führenden Willenserklärung (hierzu siehe Rn. 140 ff.). Dieses Erfordernis folgt mittelbar aus § 54 S. 2 VwVfG, welcher der Behörde mit dem Verwaltungsvertrag lediglich eine alternative Handlungsform zum Verwaltungsakt zur Verfügung stellt, nicht aber ihren Kompetenzbereich modifiziert.[203]
b) Zustimmung Dritter/Mitwirkung anderer Behörden
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Da Verträge zu Lasten Dritter im Bereich des öffentlichen Rechts ebenso unzulässig sind wie im Privatrecht, bestimmt § 58 Abs. 1 VwVfG, dass ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, der in ein subjektiv-öffentliches Recht eines Dritten eingreift, erst dann rückwirkend (ex tunc) wirksam wird, wenn der Dritte schriftlich zustimmt. Bis zu diesem Zeitpunkt ist der Vertrag gem. § 62 S. 2 VwVfG i.V.m. § 184 BGB schwebend unwirksam.[204] Hiermit zieht der Gesetzgeber die Konsequenz aus dem Umstand, dass ein drittbelastender Verwaltungsvertrag – im Gegensatz zu einem Verwaltungsakt mit Drittwirkung – vom Dritten nicht angefochten werden kann. Seinem Wortlaut nach erfasst § 58 Abs. 1 VwVfG nur Verfügungsverträge (Rn. 100), da nur durch diese der rechtliche Status des Dritten im Vergleich zum status quo ante negativ verändert wird. Gleichwohl wendet die h.M.[205] § 58 Abs. 1 VwVfG richtigerweise auch auf Verpflichtungsverträge an (Rn.