Allgemeines Verwaltungsrecht. Mike Wienbracke
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Allgemeines Verwaltungsrecht - Mike Wienbracke страница 43
105
Wird anstatt eines Verwaltungsakts, bei dessen Erlass nach einer Rechtsvorschrift die Genehmigung (z.B. § 22 Abs. 1 S. 1 BauGB), die Zustimmung (z.B. § 9 Abs. 2 FStrG) oder das Einvernehmen (z.B. § 36 Abs. 1 S. 1 BauGB; nicht dagegen: Anhörung, Beratung, Information, Stellungnahme etc.) einer anderen Behörde erforderlich ist, ein (Verpflichtungs- oder Verfügungs-)Vertrag geschlossen,[206] so wird dieser bis dahin schwebend unwirksame Vertrag erst dann mit Wirkung ex tunc wirksam, nachdem die andere Behörde in der vorgeschriebenen Form mitgewirkt hat. Hintergrund dieser in § 58 Abs. 2 VwVfG enthaltenen Regelung ist abermals, dass die Behörde durch den bloßen Wechsel der Handlungsform ansonsten zu beachtende (Kompetenz-)Vorschriften nicht soll umgehen können.
c) Form
106
Gem. § 57 VwVfG ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag schriftlich zu schließen, soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist (z.B. notarielle Beurkundung bei Grundstücksgeschäften, § 62 S. 2 VwVfG i.V.m. § 311b Abs. 1 S. 1 BGB). Diese im Vergleich zum gem. § 37 Abs. 2 S. 1 VwVfG grundsätzlich formlos möglichen Verwaltungsakt strengere Anforderung dient zum einen dazu, die Beteiligten vor einem übereilten Vertragsabschluss zu schützen (Warnfunktion) und soll zum anderen Abschluss und Inhalt des Vertrags zweifelsfrei dokumentieren (Beweisfunktion). Unklar ist, ob die Vertragserklärungen in einer Urkunde enthalten sein müssen (vgl. § 62 S. 2 VwVfG i.V.m. § 126 Abs. 2 S. 1 BGB; Urkundeneinheit) oder ob nicht auch getrennte, sich ergänzende Schreiben (z.B. Briefwechsel) ausreichend sind.[207] Ferner ist streitig, ob speziellere Regelungen (z.B. Satzung) von den Vorgaben des § 57 VwVfG abweichende, weniger strenge Anforderungen treffen dürfen (z.B. Aushändigung einer Eintrittskarte).[208]
Beispiel[209]
Die Projektentwicklungsgesellschaft P erwarb ein in einem bisher unbeplanten Bereich der nordrhein-westfälischen Gemeinde G belegenes ehemaliges Kasernengelände, auf dem P den Neubau eines Supermarkts, die Einrichtung von Dienstleistungsbetrieben und von Wohnungen plante. Auf Antrag von P stellte G nach § 12 Abs. 2 S. 1 BauGB einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan auf. Noch vor dem Satzungsbeschluss schlossen G und P einen Durchführungsvertrag, in dessen § 3 Abs. 1 lit. c) sich P u.a. dazu verpflichtete, G „die vorhabenbedingt erforderlichen Kosten für die Neueinrichtung einer Rechtsabbiegerspur für das Neubaugebiet auf der angrenzenden Landstraße zu erstatten. Die Baukosten hierfür werden vorbehaltlich der endgültigen Abrechnung mit rd. 400 000 € angegeben.“ In § 12 des Vertrages heißt es: „Zur Sicherung aller sich aus diesem Vertrag für P ergebenden Verpflichtungen leistet diese Sicherheit i.H.v. 700 000 € durch Übergabe einer unbefristeten selbstschuldnerischen Bankbürgschaft.“ Die tatsächlichen Baukosten für den Bau der Rechtsabbiegerspur beliefen sich auf 600 000 €. Hierauf zahlte P 500 000 € und macht nunmehr gegenüber G einen Anspruch auf Herausgabe der Bankbürgschaft gelten. Zur Begründung beruft sich P auf den Aktenvermerk eines Bediensteten von G, in dem dieser folgendes „Finanzierungsproblem“ beschrieb: „Das mit der Neueinrichtung der Rechtsabbiegerspur beauftragte Straßenbauunternehmen beziffert die diesbezüglichen Kosten auf 600 000 €. In dem später mit P geschlossenen Durchführungsvertrag wurde die Gesamtausbausumme dagegen nur mit 400 000 € angegeben.“ Steht P der geltend gemachte Anspruch zu, wenn die Parteien im Übrigen ihre jeweiligen Vertragspflichten vollständig erfüllt haben?
Nein. Als Rechtsgrundlage für das Herausgabeverlangen kommt allein der allgemeine öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch in Betracht. Dessen Tatbestandsvoraussetzungen sind vorliegend jedoch nicht erfüllt. Zwar hat eine Vermögensverschiebung durch Leistung von P im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses stattgefunden. Für diese Vermögensverschiebung besteht aber in Form des – wirksamen – öffentlich-rechtlichen Durchführungsvertrags i.S.v. § 54 S. 1 VwVfG NRW ein Rechtsgrund. Die insoweit streitige Frage lautet dahin, ob tatsächlich noch eine zu besichernde Forderung von G gegenüber P besteht oder ob der Sicherungszweck mittlerweile entfallen und deshalb die Bürgschaft herauszugeben ist. Für die Annahme, die Parteien hätten die Kostenerstattungspflicht von P auf einen Betrag von 400 000 € begrenzen wollen, so dass G von P nicht die Zahlung der vollen tatsächlichen Kosten i.H.v. 600 000 € verlangen kann, finden sich in dem Durchführungsvertrag keine Anhaltspunkte. Insbesondere kommt eine Auslegung (§§ 133, 157 BGB analog) von dessen § 3 Abs. 1 lit. c) S. 2 dahingehend, dass mit ihm eine Beschränkung des Umfangs der nach § 3 Abs. 1 lit. c) S. 1 des Vertrags zu erstattenden Aufwendungen auf rd. 400 000 € erreicht werden sollte, nicht in Betracht. Schon die Einleitung von § 3 Abs. 1 lit. c) S. 2 des Vertrags („vorbehaltlich der endgültigen Abrechnung“) verdeutlicht, dass der von P endgültig zu erstattende Betrag offen bleiben und erst durch eine spätere Abrechnung festgelegt werden sollte. Auch der weitere Inhalt der Regelung von § 3 Abs. 1 lit. c) S. 2 des Vertrags, wonach „die Baukosten mit rd. 400 000 € angegeben“ werden, zwingt nicht etwa zu dem Schluss, dass mit diesem Betrag eine Obergrenze der Kostenerstattungspflicht festgelegt werden sollte. Die genannten Baukosten sind nicht etwa vorläufig „veranschlagt“ oder „vereinbart“, sondern nur „angegeben“ worden. Daraus folgt, dass der genannte Betrag nur Grundlage für sonstige Berechnungen sein soll. So mag die Angabe der Baukosten mit rd. 400 000 € vorliegend den Sinn gehabt haben, den Vertragsparteien zu verdeutlichen, welcher Anteil der Gesamtbürgschaft von 700 000 € (vgl. § 12 des Vertrags) auf die in § 3 Abs. 1 lit. c) S. 1 des Vertrags geregelte Kostenerstattungsverpflichtung von P entfallen sollte. Ein dem widersprechendes Verständnis des Vertragsinhalts durch einen Bediensteten von G – wie es etwa in dem Aktenvermerk zum Ausdruck gekommen sein könnte – ist für die Vertragsauslegung irrelevant. Wenn – wie hier gem. § 57 VwVfG NRW – Schriftform als Wirksamkeitsvoraussetzung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages vorgeschrieben ist, muss sich aus dem Inhalt der Vertragsurkunde selbst ein zureichender Anhaltspunkt für die Auslegung ergeben. Der Vertragsinhalt darf nicht ausschließlich anhand von Umständen ermittelt werden, die außerhalb der Vertragsurkunde liegen. Insofern gelten die gleichen Grundsätze wie für die Auslegung von privatrechtlichen Willenserklärungen, die der Schriftform gemäß § 126 BGB bedürfen. Etwaige Nebenabreden, die nicht zum Inhalt des Durchführungsvertrags gemacht worden sind, sind daher irrelevant. Bei formbedürftigen Erklärungen ist nur der Wille beachtlich, der unter Wahrung der vorgeschriebenen Form erklärt worden ist. Formunwirksame Nebenabreden können mithin nicht im Wege der Auslegung zum Inhalt der Erklärung gemacht werde. Hätte P die Regelung einer verbindlichen Obergrenze für ihre Kostenerstattungsverpflichtung gewollt, so wäre es vielmehr an ihr gewesen, eine entsprechend klare und eindeutige Regelung in den Vertrag aufzunehmen.
5. Materielle Rechtmäßigkeit
107
Über die Wahrung der formellen Rechtmäßigkeitsanforderungen (Rn. 103 ff.) hinaus muss der Verwaltungsvertrag ebenfalls seinem Inhalt nach mit der Rechtsordnung in Einklang stehen.[210] Die im Zivilrecht bestehende Vertragsfreiheit gibt es im öffentlichen Recht nicht. Dass der Grundsatz vom Vorrang des Gesetzes (Rn. 18 ff.) auch insoweit gilt, ergibt sich einfachgesetzlich wiederum aus § 54 S. 1 VwVfG a.E., der allgemein