Zwangsvollstreckungsrecht. Bettina Heiderhoff
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Zur Abwägung im Falle der Suizidgefahr des Schuldners auch BGH NJW 2005, 1859:
„1. Besteht im Fall einer Zwangsräumung bei einem nahen Angehörigen des Schuldners eine Suizidgefahr, ist diese bei der Anwendung des § 765a ZPO in gleicher Weise wie eine beim Schuldner selbst bestehende Gefahr zu berücksichtigen.
2. Selbst dann, wenn mit einer Zwangsvollstreckung eine konkrete Gefahr für Leben und Gesundheit des Schuldners oder eines nahen Angehörigen verbunden ist, kann eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung nicht ohne weiteres einstweilen eingestellt werden. Erforderlich ist stets die Abwägung der – in solchen Fällen ganz besonders gewichtigen – Interessen der Betroffenen mit den Vollstreckungsinteressen des Gläubigers. Es ist deshalb auch dann, wenn bei einer Räumungsvollstreckung eine konkrete Suizidgefahr für einen Betroffenen besteht, sorgfältig zu prüfen, ob dieser Gefahr nicht auch auf andere Weise als durch Einstellung der Zwangsvollstreckung wirksam begegnet werden kann. Auch der Gefährdete selbst ist gehalten, das ihm Zumutbare zu tun, um die Risiken, die für ihn im Fall der Vollstreckung bestehen, zu verringern.“
Sehr problematisch ist in den „Suizidfällen“ schon die Feststellung, dass tatsächlich eine konkrete Suizidgefahr vorliegt. Wenngleich die Suizidgefahr sicherlich oft bloß vorgespiegelt wird, ist eine entsprechende Aussage des Schuldners ernst zu nehmen, und notfalls eine gerichtliche Beweisaufnahme erforderlich[14]. Zu prüfen ist auch, ob Alternativen zur Einstellung der Zwangsvollstreckung bestehen, die von der Hinzuziehung eines Arztes bis zur privat- oder öffentlich-rechtlichen Unterbringung des Schuldners reichen können[15].
Zur Vertiefung BGH NJW 2008, 1678:
„Pfändet der Gläubiger den einer Mitschuldnerin und Ehefrau zustehenden Auszahlungsanspruch aus Girokontovertrag gegen einen Drittschuldner, können die Schuldner und Eheleute zwar nicht nach § 850k ZPO, jedoch unter den Voraussetzungen des § 765a ZPO Vollstreckungsschutz beanspruchen, soweit das Guthaben auf dem Girokonto aus der Überweisung von unpfändbarem Arbeitseinkommen des Ehemannes herrührt.“
BGH NJW 2009, 78:
„Im eröffneten Insolvenzverfahren kann dem Schuldner, der eine natürliche Person ist, bei Vollstreckungsmaßnahmen des Insolvenzverwalters nach § 148 II InsO auf Antrag Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO gewährt werden, jedenfalls soweit dies zur Erhaltung von Leben und Gesundheit des Schuldners erforderlich ist.“
BGH NJW 2009, 444:
„Die Zwangsverwaltung eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks ist unzulässig, wenn sie nur dazu dient, dem im Haus wohnenden Schuldner den Bezug von Sozialleistungen zu ermöglichen, damit er an den Zwangsverwalter ein Entgelt für die Nutzung der Räume entrichten kann, die ihm nicht nach § 149 I ZVG zu belassen sind.“
BVerfG NJW 2016, 3090:
„Das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet die Vollstreckungsgerichte, bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 765a ZPO auch die Wertentscheidungen des Grundgesetzes und die dem Schuldner in der Zwangsvollstreckung gewährleisteten Grundrechte zu berücksichtigen. Eine unter Beachtung dieser Grundsätze vorgenommene Würdigung aller Umstände kann in besonders gelagerten Einzelfällen dazu führen, dass die Vollstreckung für einen längeren Zeitraum und – in absoluten Ausnahmefällen – auf unbestimmte Zeit einzustellen ist.“
Aufbau: Vollstreckungsschutzantrag ( § 765a ZPO )
I. | Zulässigkeit 1. Zuständigkeit: Vollstreckungsgericht, § 765a I 1 ZPO 2. Statthaft ist der Antrag gegen alle Maßnahmen irgendeines Vollstreckungsorgans. Es muss eine Rechtsverletzung der in der Norm genannten Art behauptet werden. Aber: Subsidiarität – der Antrag darf nicht auf Einwendungen gestützt werden, für die ein anderer Rechtsbehelf statthaft ist. 3. Antrag: (teilweise) Untersagung der Maßnahme, (einstweilige) Einstellung oder Aufhebung der Zwangsvollstreckung 4. Rechtsschutzbedürfnis: fehlt nur, wenn die Vollstreckung vollständig beendet ist |
II. | Begründetheit Der Antrag ist nur begründet, wenn die angegriffene Maßnahme aufgrund einer Interessenabwägung für den Schuldner eine besondere und sittenwidrige Härte bedeutet: „Untragbares Ergebnis“ (Grundrechte beachten!). |
§ 2 Grundsätze des Vollstreckungsverfahrens › V. Systematik der zwangsvollstreckungsrechtlichen Regelungen
V. Systematik der zwangsvollstreckungsrechtlichen Regelungen
§ 2 Grundsätze des Vollstreckungsverfahrens › V. Systematik der zwangsvollstreckungsrechtlichen Regelungen › 1. Aufbau des Gesetzes
1. Aufbau des Gesetzes
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Das Zwangsvollstreckungsrecht ist im Buch 8 der ZPO geregelt. Systematisch stehen am Anfang die allgemeinen Vollstreckungsvorschriften (1. Abschnitt), die für das gesamte Verfahren gelten.
Die Abschnitte 2 und 3 befassen sich mit den unterschiedlichen Vollstreckungsarten. Diese unterscheiden sich nach dem Inhalt des titulierten Anspruchs. Des Weiteren wird hinsichtlich des Zugriffsobjekts der Vollstreckung unterschieden (z.B. Titel 2 und 3 des 2. Abschnitts).
Im 5. Abschnitt sind (eher systemwidrig) die einstweilige Verfügung und der Arrest geregelt. Das ist deswegen systemwidrig, weil die Rechtsinstitute gerade nicht der Durchsetzung, sondern der bloßen Sicherung von privatrechtlichen Leistungsansprüchen dienen.
§ 2 Grundsätze des Vollstreckungsverfahrens › V. Systematik der zwangsvollstreckungsrechtlichen Regelungen › 2. Arten der Zwangsvollstreckung
2. Arten der Zwangsvollstreckung
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Von außerordentlicher Wichtigkeit ist es, sich zu verdeutlichen, dass das Zwangsvollstreckungsrecht zunächst danach differenziert, worauf der Titel gerichtet ist (vgl. Rn. 8 f). Der 2. Abschnitt (§§ 802a–882h