Zwangsvollstreckungsrecht. Bettina Heiderhoff
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aa) Endurteile
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Hervorzuheben sind die vollstreckungsfähigen Endurteile nach § 704 ZPO. Unter die „Endurteile“ nach § 704 ZPO fallen die Urteile der §§ 300, 301, 330, 331, 307, 306 ZPO. Zur Vollstreckung müssen die Endurteile entweder rechtskräftig oder vorläufig vollstreckbar sein[4]. Formell rechtskräftig sind Urteile nach § 705 ZPO erst mit Ablauf der Rechtsmittel- oder Einspruchsfrist. Im Übrigen kann aus dem Urteil nur vollstreckt werden, wenn das Gericht die vorläufige (vor Eintritt der formellen Rechtskraft) Vollstreckbarkeit gegen (§ 709 ZPO) oder ohne Sicherheitsleistung (§ 708 ZPO) angeordnet hat[5]. Die Anordnung erfolgt im Erkenntnisverfahren. Wenn der Schuldner gegen das vorläufig vollstreckbare Urteil ein Rechtsmittel einlegt, kann der Gläubiger gleichwohl die Vollstreckung betreiben. Dann verlaufen das Vollstreckungs- und das Erkenntnisverfahren ausnahmsweise parallel.
Hinweis:
Wenn der Gläubiger aus einem vorläufig vollstreckbaren Urteil vollstreckt, und das Urteil später aufgehoben wird, ist er dem Schuldner nach Maßgabe von § 717 II ZPO zum Schadensersatz verpflichtet[6]. Dabei handelt es sich um eine Gefährdungshaftung. § 717 III ZPO sieht allerdings wichtige Ausnahmen vor.
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Zur Vertiefung:
Die vorläufige Vollstreckbarkeit von Urteilen ist in der ZPO recht kompliziert geregelt. Man muss wissen, dass es bei allem um eine möglichst faire Verteilung der Lasten der „vorzeitigen“ Vollstreckung auf den Gläubiger und den Schuldner geht.
Zunächst gibt es eine Gruppe von Urteilen, die ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar sind (§ 708 ZPO). Bei all diesen Urteilen gibt es Gründe, aus denen der Schuldner weniger schutzwürdig erscheint. So sind in § 708 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO etwa das Anerkenntnis- und das Versäumnisurteil genannt. Beim Anerkenntnisurteil wäre es geradezu widersprüchlich, den Schuldner, der seine Leistungspflicht soeben eingeräumt hat, vor Vollstreckungsmaßnahmen noch besonders zu schützen. Beim Versäumnisurteil wird der Schuldner, der sich am Prozess nicht beteiligt hat, ebenfalls weniger rücksichtsvoll behandelt. Aber auch bei Urteilen über insgesamt niedrige Forderungen (bis 1250 Euro) ist die Schutzbedürftigkeit des Schuldners gering (§ 708 Nr. 11 ZPO). In den Fällen des § 708 Nrn. 4–11 ZPO hat der Schuldner nach § 711 ZPO die Möglichkeit, die Vollstreckung doch noch herauszuzögern, indem er seinerseits Sicherheit leistet (Abwendungsbefugnis). Auch dagegen kann sich dann wiederum der Gläubiger durchsetzen, indem er selbst, anders als in § 708 ZPO zunächst vorgesehen, die erforderliche Sicherheit leistet. Systematisch stellt § 708 ZPO die Ausnahmevorschrift dar.
Der Normalfall der vorläufigen Vollstreckbarkeit ist in § 709 ZPO geregelt. Alle nicht in § 708 ZPO genannten Urteile sind nur vollstreckbar, wenn der Gläubiger vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit leistet. Diese Sicherheit soll gewährleisten, dass alle Schäden, die der Schuldner durch die Vollstreckung erleidet, ausgeglichen werden können, wenn das Urteil später doch noch aufgehoben wird (vgl. zu § 717 ZPO schon soeben Rn. 74). Nur in Ausnahmefällen kann der Schuldner sich dagegen wehren, nämlich wenn er einen nicht ersetzbaren Schaden zu erleiden droht (§ 712 ZPO).
Eine Sonderregelung zum Schutz des Gläubigers findet sich noch in § 710 ZPO. Wenn der Gläubiger nicht in der Lage ist, die Sicherheit zu erbringen, kann das Gericht das Urteil auch ohne Sicherheitsleistung für vollstreckbar erklären, soweit dem Gläubiger sonst ein schwer zu ersetzender oder schwer abzusehender Nachteil entstehen würde.
Ganz allgemein gilt, dass der Gläubiger einige sichernde Maßnahmen auch schon vor der Erbringung der Sicherheitsleistung durchführen lassen darf. Dazu gehört z.B. die bloße Pfändung (aber nicht Wegnahme) von beweglichen Sachen durch den Gerichtsvollzieher (§ 720a ZPO).
bb) Vergleich
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Des Weiteren sind der Prozessvergleich nach § 794 I Nr. 1 ZPO sowie der Anwaltsvergleich nach den besonderen Vorschriften der §§ 796a ff ZPO vollstreckungsfähige Titel.
Hinweis:
Beim Prozessvergleich gibt es einige grundlegende Dinge, die man sich klarmachen sollte, damit man in der Klausur mit ihm umgehen kann.
(1) Der Prozessvergleich beendet das Verfahren und stellt den Titel dar, aus dem die Vollstreckung erfolgt. Wird nun der Vergleich widerrufen, oder ist er aus anderen Gründen nicht wirksam, könnte man denken, dass vollstreckungsrechtliche Rechtsbehelfe (z.B. § 767 ZPO) eingreifen würden. Das ist aber nicht der Fall. Vielmehr lebt das ursprüngliche Verfahren wieder auf und muss fortgeführt werden. Bei der sich so ergebenden Prüfung der Begründetheit der Ausgangsklage trifft man in diesem Fall auf das berühmte Problem, ob durch den Widerruf oder die Nichtigkeit des Vergleichs auch die privatrechtliche Vereinbarung (§ 779 BGB) unwirksam geworden ist, die in jedem Prozessvergleich steckt, oder ob diese nach dem (mutmaßlichen) Willen der Parteien gleichwohl bestehen bleiben sollte[7] (sog. Doppelnatur).
(2) Es gibt aber auch Fälle, in denen die „ganz normalen“ zwangsvollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe für den Vergleich eingreifen. Wenn etwa der Schuldner behauptet, er habe die im Vergleich vereinbarte Summe sogleich bezahlt, kann er gegen Vollstreckungsmaßnahmen des Gläubigers die Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO erheben.
(3) Einige weitere Sonderprobleme bei der Vollstreckung aus Vergleichen werden bei den jeweiligen Rechtsfragen mit abgehandelt (Rn. 109, 210 ff).
cc) Notarielle Unterwerfungserklärung
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Eine wichtige Art des vollstreckungsfähigen Titels ist die notarielle Unterwerfungserklärung (§ 794 I Nr. 5 ZPO)[8]. Gemäß § 794 I Nr. 5 ZPO können die Parteien einen vollstreckungsfähigen Titel ohne gerichtliches Verfahren privat vereinbaren. Dies geschieht, indem der Schuldner sich durch notarielle Erklärung der sofortigen Zwangsvollstreckung für eine Forderung „unterwirft“. Die Unterwerfungserklärung ist nicht lediglich materiell-rechtliche Willenserklärung, sondern Prozesshandlung[9]. Daraus folgt, dass die allgemeinen Prozessvoraussetzungen bei Abgabe der Erklärung vorliegen müssen und dass sie nicht nach §§ 119 ff BGB wegen Willensmängeln anfechtbar ist. Die Unterwerfungserklärung muss in einer notariellen Urkunde festgehalten werden. Stellvertretung ist möglich.
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Beispiel 4 (Bedeutung der Unterwerfungserklärung):
S schuldet der B-Bank einen Geldbetrag in Höhe von 200 000 Euro. Schuldner S zahlt bei Fälligkeit nicht. Welcher Vorteil besteht, wenn S sich wegen der Forderung der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen hat?
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Wenn S in Beispiel 4 sich nicht der sofortigen Vollstreckung unterworfen hat, muss die B-Bank ihn vor einem Gericht verklagen. Erst nach der Durchführung eines – möglicherweise langen und teuren Prozesses – wird der Anspruch der B-Bank gerichtlich festgestellt. Dadurch hat sie ihr Geld jedoch noch nicht erhalten. Vielmehr muss sie den Titel auch durchsetzen. Diese Durchsetzung erfolgt im Wege der Zwangsvollstreckung, z.B. durch