Zwangsvollstreckungsrecht. Bettina Heiderhoff
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aa) Titelergänzende Klausel
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Die „titelergänzende Klausel“ nach § 726 I ZPO muss beantragt werden, wenn zwei Voraussetzungen vorliegen:
(1) Aus dem Titel selbst ergibt sich, dass die Vollstreckbarkeit noch von dem Eintritt einer Tatsache abhängt. Dabei reicht es nicht aus, dass die Vollstreckung von der Leistung einer Sicherheit (§ 726 I ZPO), dem Eintritt eines Kalendertags (§ 751 I ZPO) oder einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung (§ 726 II ZPO) abhängt. Vielmehr genügt dann eine einfache Klausel. Die Vollstreckung könnte also zum Beispiel noch davon abhängen, dass der vorleistungspflichtige Gläubiger seinerseits geleistet hat (das ist selten)[21] oder dass der Gläubiger dem Schuldner zunächst noch eine Kündigung aussprechen oder eine Gesamtrechnung stellen muss.
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Zu beachten ist, dass die qualifizierte Klausel nach § 726 ZPO nur dann erteilt werden kann, wenn der Eintritt der Bedingung durch öffentliche (§§ 415, 417, 418 ZPO) oder öffentlich beglaubigte Urkunden (§ 129 BGB, § 40 BeurkG) nachgewiesen werden kann (§ 726 I a.E. ZPO)[22]. Falls dies nicht möglich ist, weil eine diesbezügliche Urkunde nicht existiert oder der Gläubiger eine solche nicht beschaffen kann, muss er auf Erteilung der Klausel klagen (sog. Klauselerteilungsklage nach § 731 ZPO, Rn. 139 ff). Entbehrlich ist der Nachweis durch Urkunden nur, wenn die Tatsache offenkundig ist (§§ 291, 727 II ZPO analog)[23] oder ausdrücklich vom Gegner zugestanden wurde (§ 288 ZPO)[24].
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(2) Der Gläubiger braucht die titelergänzende Klausel nur, wenn die Bedingung oder Befristung nach den allgemeinen Beweislastregeln von ihm (also dem Vollstreckungsgläubiger) zu beweisen ist. Muss der Schuldner hingegen das Nichtvorliegen der Umstände beweisen, ist ohne ihre Prüfung im Rahmen des einfachen Klauselerteilungsverfahrens eine einfache Klausel iSd. § 724 I ZPO zu erteilen. Dabei ist es mit großer Vorsicht zu behandeln, wenn die Parteien eine Verschiebung der Beweislast vertraglich vereinbart haben. Sind sie in AGB enthalten, müssen sich solche Beweislastvereinbarungen an § 309 Nr. 12 BGB messen lassen[25].
Hinweis:
Die bei notariellen Unterwerfungserklärungen anzutreffende Beweislastumkehr beruht dagegen darauf, dass in der Unterwerfungserklärung stets ein Schuldanerkenntnis enthalten ist, und ist nach Auffassung des BGH nur an § 307 BGB zu messen (Rn. 264, 267 ff).
Trägt der Schuldner die Beweislast, so muss der Gläubiger eine einfache Klausel beantragen (§ 724 ZPO)[26]. Ein typischer Fall ist der Eintritt einer auflösenden Bedingung.
Zur Vertiefung:
Die Abgrenzung von §§ 724 und 726 ZPO ist besonders bei widerruflichen Vergleichen problematisch und streitig. Wenn aus einem widerruflichen Vergleich vollstreckt wird, ist Voraussetzung zunächst, dass nicht der Widerruf erklärt wurde. Die herrschende Ansicht steht auf dem Standpunkt, dies sei eine vom Gläubiger zu beweisende Tatsache.
OLG Saarbrücken NJW 2004, 2908 (mit der h.A.):
Aus dem Sachverhalt: „Mit Beschluss vom 22.4.2004 hat die Rechtspflegerin den Antrag zurückgewiesen und die Auffassung vertreten, dass die vollstreckbare Ausfertigung nicht nach Maßgabe des § 726 I ZPO, sondern nach § 724 ZPO zu erteilen sei, da die betreibende Gläubigerin nicht selbst beweisen müsse, keinen Widerruf eingelegt zu haben.“
Aus den Gründen: „Die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung eines Widerrufsvergleichs unterfällt dem Anwendungsbereich des § 726 ZPO.
a) Nach dieser Vorschrift hat der Rechtspfleger (§ 20 Ziff. 12 RPflG) die vollstreckbare Ausfertigung unter den dort genannten Beweisanforderungen dann zu erteilen, wenn die Vollstreckung nach ihrem Inhalt von dem durch den Gläubiger zu beweisenden Eintritt einer anderen Tatsache als einer dem Gläubiger obliegenden Sicherheitsleistung abhängt. Damit erfasst § 726 ZPO alle Titel, deren Vollstreckbarkeit nach Maßgabe einer aufschiebenden Bedingung oder ungewissen Befristung vom Eintritt einer bestimmten Tatsache abhängt, die vom Gläubiger zu beweisen ist.
b) Der Widerrufsvergleich unterfällt dem Anwendungsbereich des § 726 ZPO, da der in einem Prozessvergleich aufgenommene Vorbehalt, den Vergleich bis zum Ablauf einer bestimmten Frist zu widerrufen, die Wirksamkeit des Vergleichs im Regelfall aufschiebend bedingt. Wenngleich sich der Rechtscharakter der aufschiebenden Bedingung nicht unmittelbar aus dem Wortlaut erschließt, entspricht es im Zweifel der Interessenlage der Parteien, aus dem Vergleich bindende Rechtswirkungen erst dann entstehen zu lassen, wenn der Bestand des Vergleichs nach dem ungenutzten Ablauf der Widerrufsfrist feststeht.“
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Der Gesetzgeber hat in diesen Streit nun eingegriffen, indem durch § 795b ZPO bestimmt wird, dass der Urkundsbeamte für die Erteilung der Vollstreckungsklausel zuständig ist, wenn sich die erforderlichen Bedingungen (wie etwa der fehlende Widerruf des Vergleichs) aus der Verfahrensakte selbst ergeben. Die ganz herrschende Auffassung geht aber davon aus, dass es sich dabei nur um eine besondere Zuständigkeitsregel handelt und daher trotzdem weiterhin von einer qualifizierten Klausel auszugehen ist.
In Vergleichen können zudem Abreden vorkommen, die sich auf den ersten Blick sehr ähneln, auf den zweiten Blick aber gerade eine umgekehrte Beweislastverteilung mit sich bringen, so dass im einen Fall eine qualifizierte Klausel notwendig ist, im anderen dagegen nicht. Das sei am folgenden Beispiel verdeutlicht.
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Beispiel 7 (Verfallklausel):
Schuldner S schuldet Gläubiger G ausstehende Werklohnforderungen über 50 000 Euro. S beruft sich jedoch auf eine mangelhafte Ausführung der Werkarbeiten und verweigert beharrlich die Bezahlung. Nach einem jahrelangen Rechtsstreit schließen die Parteien schließlich vor dem Oberlandesgericht Hamburg einen Prozessvergleich. In dem Vergleich vereinbaren die Parteien, dass sämtliche Forderungen aus dem Vertragsverhältnis zwischen G und S durch eine Zahlung von 10 000 Euro durch S abgegolten sind. Zur Zahlung dieser 10 000 Euro wird eine spezielle Ratenzahlung vereinbart:
a) | Die Parteien vereinbaren, dass S die 10 000 Euro in monatlichen Raten in Höhe von 1000 Euro zahlen kann. Wenn S mit einer Rate in Verzug kommt, soll die gesamte Restsumme sofort fällig werden. |
b) | Die Parteien vereinbaren, dass S die 10 000 Euro in monatlichen Raten in Höhe von 1000 Euro zahlen kann, wobei insgesamt nur 9000 Euro getilgt werden müssen. Wenn S aber mit einer Ratenzahlung in Verzug kommt, lebt die Gesamtsumme von 10 000 Euro wieder auf und wird sofort fällig. |
c) | Die Parteien vereinbaren, dass S die 10 000 Euro in monatlichen Raten in Höhe von 1000 Euro zahlen kann. Wenn er 5000 Euro ordnungsgemäß und pünktlich gezahlt hat, reduziert sich die Gesamtschuld auf 9000 Euro. |