Beweisantragsrecht. Winfried Hassemer

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Beweisantragsrecht - Winfried Hassemer Praxis der Strafverteidigung

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2 Die Stufen der petitativen Einflussnahme auf den Umfang der Beweisaufnahme › I. Formlose Informationsweitergabe und Beweiserbieten

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      Die Aufklärungspflicht ist vom Gesetz (§ 244 Abs. 2 StPO) als eine absolute und von Interventionen der Verfahrensbeteiligten unabhängige Amtspflicht des Gerichts postuliert. Dennoch ist sie relativ. Ob das Gericht nämlich im Einzelfall zu einer bestimmten Beweiserhebung verpflichtet ist, hängt zum einen davon ab, welchen Wissensstand die Mitglieder des Gerichts über die konkrete Aufklärungsmöglichkeit haben, zum anderen davon, welches Gewicht der jeweiligen Beweisfrage bezogen auf das Verfahrensziel (Entscheidung über Schuld und gegebenenfalls Strafhöhe) zukommt.

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      Schon daraus folgt, dass der Verteidiger vielfältige informelle und formelle Möglichkeiten hat, auf den Umfang der Beweisaufnahme Einfluss zu nehmen. Wenn der Informationsstand des Gerichts über diejenigen Tatsachen, die eine weitere Beweiserhebung aufdrängen, für die Auslösung der Aufklärungspflicht entscheidend ist, so ist es hinsichtlich aller verfügbaren Entlastungsbeweise Aufgabe des Verteidigers, das Gericht über solche Tatsachen und damit über Aufklärungschancen zu unterrichten.

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      Daraus folgt für den Verteidiger: Wenn er aus irgendwelchen Gründen nicht will, dass ein bestimmter Entlastungsbeweis erhoben wird, etwa weil er sich für eine Verteidigungslinie entschieden hat, für die der „Entlastungsbeweis“ schädlich wäre, dann muss er dem Gericht diejenigen Tatsachen verschweigen, die geeignet sein können, die Beweiserhebungspflicht auszulösen.

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      Beispiel:

      Dem Angeklagten wird vorgeworfen, eine Reihe gleichartiger Straftaten begangen zu haben. Für die zeitlich letzte der Taten könnte ein bisher in der Akte nicht erwähnter Zeuge aussagen, dass der Angeklagte ihm gegenüber erklärt und durch Aushändigung der Tatwerkzeuge auch belegt hat, er wolle endgültig mit der Tatserie aufhören. Der Zeuge müsste bei einer Vernehmung neben dieser entlastenden Tatsache aber auch offenlegen, dass der Mandant vor diesem Entschluss noch sehr viel mehr Taten begangen hat als bisher angeklagt sind. Man wird es in einem solchen Fall als Verteidiger also eher unterlassen, Gericht und Staatsanwaltschaft auf diesen „Entlastungszeugen“ aufmerksam zu machen.

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      Der Regelfall dürfte aber sein, dass man als Verteidiger auch selbst nur über die zu erwartende Entlastungsaussage informiert ist. Dann genügt die Mitteilung dieser Tatsachen an das Gericht, um die Amtsaufklärungspflicht zu aktualisieren. Eine solche schlichte Aufbesserung des Informationsstandes des Gerichts ist naturgemäß in der Strafprozessordnung nicht formalisiert. Sie ist jedoch eine wichtige erste Stufe des Verteidigereinflusses auf den Umfang der Beweisaufnahme und zwar noch unterhalb der untersten Schwelle der noch zu erörternden Beweisanregungen, Beweisermittlungsanträge und Beweisanträge im engeren Sinne. Auch für diese jederzeit formlos mögliche Informationsweitergabe an das Gericht empfiehlt sich aber aus revisionsrechtlichen Gründen die schriftliche Niederlegung. Die Verletzung der Aufklärungspflicht kann nur dann mit der Revision gerügt werden, wenn die in der Revisionsbegründung geltend gemachten, den Verfahrensmangel enthaltenden Tatsachen zu beweisen sind. Das ist leichter, wenn die maßgeblichen Tatsachen aus einem bei den Akten befindlichen Schriftstück hervorgehen. Zwar genügt für den Nachweis der Tatsachen revisionsrechtlich der Freibeweis. Aber es hat schon die unerfreulichsten Diskussionen darüber gegeben, ob eine mündliche Äußerung des Verteidigers in der Hauptverhandlung gemacht wurde oder nicht, wenn sie nicht im Protokoll festgehalten wurde. Dem geht man aus dem Wege, wenn auch z.B. die Mitteilung des Namens und der Anschrift eines bis dahin unbekannten Zeugen schriftlich erfolgt.

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      Um die Vernehmung eines bestimmten Zeugen zu erzwingen, kann der Hinweis des Verteidigers genügen: „Da war noch jemand dabei, der auch alles gesehen hat, nämlich der Nachbar meines Mandanten Fritz Schulze.“

      Ob dieser Satz einem anderen Zeugen während dessen Vernehmung vorgehalten wird, ob er im Rahmen des Erklärungsrechtes (§ 257 Abs. 2 StPO), ob er im Schlussvortrag unter „Verletzung“ des Grundsatzes, dass sich das Plädoyer eigentlich nur mit der durchgeführten Beweisaufnahme zu befassen hat oder ob er in einem Vorgespräch mit dem Vorsitzenden ausgesprochen wurde, ist völlig gleichgültig. In jedem Falle setzt er das Gericht davon in Kenntnis, dass es noch einen Zeugen gibt, der über das Tatgeschehen aus eigener Wahrnehmung etwas berichten kann.

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      Es sind auch Gründe denkbar, diesen Satz nicht in der Hauptverhandlung auszusprechen. Dann genügt es, an das Gericht einen Brief zu schreiben folgenden Inhalts:

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      Beispiel:

      „In der Strafsache …. wird hiermit aktenkundig gemacht, dass bei dem Herrn X vorgeworfenen Tatgeschehen noch eine in der Anklage nicht erwähnte Person zugegen war, nämlich der in der unmittelbaren Nachbarschaft des Herrn X wohnende Zeuge Fritz Schulze, Schulstraße 4 in Düsseldorf.“

      Der

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