Parlamentsrecht. Philipp Austermann

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Parlamentsrecht - Philipp Austermann Schwerpunktbereich

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Parlamentsbrauch gehören interfraktionelle Absprachen, die nicht an eine Vorschrift der GO-BT anknüpfen. Zu nennen sind Pairing-Vereinbarungen, nach denen ein Mitglied einer Regierungsfraktion, das einer Sitzung fernbleiben möchte, mit einem Mitglied einer Oppositionsfraktion übereinkommen kann, dass dieses ebenfalls nicht an der Sitzung teilnimmt, damit die Mehrheitsverhältnisse gewahrt bleiben. In der 17., 18. und 19. Wahlperiode wurde bzw. wird dieses Verfahren nicht praktiziert. Eine weitere Absprache[155] ohne Anknüpfungspunkt in der GO-BT betrifft die Platzierung der Fraktionen im Plenarsaal. Politisch als links eingestufte Fraktionen sitzen, vom Präsidentenstuhl aus gesehen, links etc.

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      Einige Inkompatibilitäten sind Ausdruck eines Parlamentsbrauchs: Wer ein Fraktionsamt innehat, also Vorsitzender, stellvertretender Vorsitzender, Parlamentarischer Geschäftsführer oder Arbeitsgruppen-/Arbeitskreissprecher ist, wird nicht Mitglied des Präsidiums. Die Fraktionsvorsitzenden verzichten zudem auf eine Ausschussmitgliedschaft.

      Eine Kleiderordnung besteht für den Bundestagspräsidenten oder die Abgeordneten schon seit Längerem nicht mehr. Die über lange Zeit beachtete Übung, dass männliche Schriftführer eine Krawatte zu tragen hatten, ist in letzter Zeit ins Wanken geraten.

      Zur Steuerung der Ausschussarbeit bestehen nach parlamentarischer Übung bestimmte Klärungs- und Informationsformate: Obleuterunden und Berichterstattergespräche. Obleute sind Abgeordnete, die innerhalb eines Ausschusses für ihre jeweilige Fraktion eine führende und koordinierende Rolle einnehmen. Ihre Rolle entspricht derjenigen der Parlamentarischen Geschäftsführer, allerdings beschränkt auf den betreffenden Ausschuss. Jede Fraktion hat in jedem Ausschuss einen Obmann. Berichterstatter sind Abgeordnete, die in einem bestimmten Ausschussthema die Federführung besitzen. Üblicherweise bestimmt jede Fraktion zu jedem Thema ein Ausschussmitglied zum Berichterstatter. Die Berichterstatter treffen sich zu Gesprächen vor allem Klärungs- und Informationsbedarf zu strittigen Gesetzentwürfen oder Anträgen. Das Berichterstattergespräch kann helfen, einen von mehreren oder allen Fraktionen getragenen Änderungsantrag zu formulieren, um eine möglichst einstimmige Verabschiedung im Ausschuss zu erreichen. Sachverständige können hinzugezogen werden (erweitertes Berichterstattergespräch in Form einer „kleinen Anhörung“).

      Leitentscheidungen:

      BVerfGE 1, 144 (Geschäftsordnungsautonomie); 10, 4 (Redezeiten); 44, 308 (Beschlussfähigkeit); 70, 324 (Haushaltskontrolle der Nachrichtendienste); 80, 188 (Wüppesahl); 130, 318 (Stabilisierungsmechanismusgesetz).

      Literatur zu § 3:

      Arndt, Parlamentarische Geschäftsordnungsautonomie und autonomes Parlamentsrecht. 1966; Blischke, Ungeschriebene Regeln im Deutschen Bundestag, in: FS Schellknecht, 1984; Bücker, Das Parlamentsrecht in der Hierarchie der Rechtsnormen, ZParl. 17 (1986), 324; Cancik, Rechtsquellen des Parlamentsrechts, in: MSW, § 9; Dreier, Regelungsform und Regelungsinhalt des autonomen Parlamentsrechts, JZ 1990, 310; Edinger, Wahl und Besetzung parlamentarischer Gremien, 1991; Hanke, Informale Regeln als Substrat des parlamentarischen Verhandlungssystems, ZParl. 25 (1994), 410; Hatschek, Das Parlamentsrecht des Deutschen Reiches, Erster (und einziger) Teil, 1915; Haug, Bindungsprobleme und Rechtsnatur parlamentarischer Geschäftsordnungen, 1995; Köhler, Die Rechtsstellung des Alterspräsidenten des Deutschen Bundestages, ZParl. 22 (1991), 177; Kretschmer, Zur Organisationsgewalt des Deutschen Bundestages im parlamentarischen Bereich, ZParl. 17 (1986), 334; ders., Geschäftsordnungen deutscher Volksvertretungen, in: SZ, § 9; Meinel, Selbstorganisation des parlamentarischen Regierungssystems, 2019; Perels, Das autonome Reichstagsrecht, 1903; Pietzcker, Schichten des Parlamentsrechts, in: SZ, § 10; Roll, Auslegung und Fortbildung der Geschäftsordnung, in: FG Blischke, 1982; ders., Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages. Kommentar, 2001; Rothaug, Die Leitungskompetenz des Bundestagspräsidenten, 1979; Schäfer, Der Bundestag, 4. Aufl. 1982; Schmidt, Die Geschäftsordnungen der Verfassungsorgane als individuell-abstrakte Regelungen des Innenrechts, AöR 128 (2003), 608; Schulze-Fielitz, Parlamentsbrauch, Gewohnheitsrecht, Observanz, in: SZ, § 11; Schwerin, Der Deutsche Bundestag als Geschäftsordnungsgeber, 1998; Steiger, Organisatorische Grundlagen des parlamentarischen Regierungssystems, 1973; Troßmann, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages. Kommentar zur Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages unter Berücksichtigung des Verfassungsrechts, 1977; ders., Der Bundestag: Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit, JöR 28 (1979), 1; Zeh, Altersschichten in der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages, ZParl. 17 (1986), 396; ders., Parlamentarisches Verfahren, in: HStR III, § 53.

      Anmerkungen

       [1]

      Vgl. nur Tomuschat, Verfassungsgewohnheitsrecht?, 1972, S. 85 f.; Jekewitz, Der Grundsatz der Diskontinuität der Parlamentsarbeit im Staatsrecht der Neuzeit und seine Bedeutung unter der parlamentarischen Demokratie des Grundgesetzes, 1977, S. 335; Kersten, in: MD, Art. 76 Rn. 116; NWVerfGH, NVwZ-RR 2000, 265 (267).

       [2]

      Haug, Bindungsprobleme und Rechtsnatur parlamentarischer Geschäftsordnungen, 1995, S. 73.

       [3]

      Vgl. Stern, StaatsR II, S. 78.

       [4]

      Vgl. statt vieler BVerfGE 1, 144 (152).

       [5]

      Vgl. Kretschmer, in: BK, Art. 39 Rn. 209; Brocker, in: BeckOK-GG, Art. 39 Rn. 9.

       [6]

      Wie hier Pieroth, in: JP, Art. 77 Rn. 3; Kersten, in: MD, Art. 77 Rn. 25; a.A. Kokott, in: BK, Art. 77 Rn. 60; Sannwald, in: SBHH, Art. 77 Rn. 11; Ossenbühl, in: HStR V, § 102 Rn. 5.

       [7]

      Vgl. etwa Mann, in: Sachs, Art. 77 Rn. 3 Fn. 6.

       [8]

      Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10-Gesetz – G 10).

      

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