Besonderes Verwaltungsrecht. Mathias Schubert
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Zu Frage II: Zweifelhaft ist, ob der Vorsitzende des Gemeinderates es ablehnen kann, diesen Antrag unter Berufung auf eine fehlende kommunale Entscheidungszuständigkeit auf die Tagesordnung zu setzen. Das OVG NRW[17] lehnt eine inhaltsbezogene Verwerfungskompetenz des Bürgermeisters ab, da der Wortlaut des § 48 I 2 GO NRW zwingend sei und der Minderheitenschutz es verlange, jede von einer Minderheit für bedeutungsvoll gehaltene Angelegenheit vor den Rat zu bringen, welcher selbst zu entscheiden habe, ob eine Angelegenheit in seine Zuständigkeit falle oder nicht. Hierauf könnte auch § 54 I GO NRW hindeuten, der mit dem Widerspruchsrecht dem Bürgermeister lediglich ein nachträgliches Kontrollrecht hinsichtlich der Ratsbeschlüsse einräumt, wenngleich für Letzteres ein gänzlich anders gearteter Prüfungsmaßstab vorgesehen ist. Auch eine eingeschränkte Verwerfungskompetenz bei einer „offensichtlichen“ Unzuständigkeit wird teilweise als unpraktikabel abgelehnt[18]. Demgegenüber bejaht der VGH Bd.Wtt.[19] mit Blick auf § 34 I 5 bd.wtt.GO („Die Verhandlungsgegenstände müssen zum Aufgabengebiet des Gemeinderats gehören.“) ein materielles Prüfungsrecht des Ratsvorsitzenden. Folgt man dieser Sicht, so ist zu prüfen, ob die Gemeinde durch Rüstungsmaßnahmen unmittelbar in ihrem Selbstverwaltungsrecht, etwa in ihrer Planungshoheit, betroffen ist. Da im Ausgangsfall entsprechende militärische Anlagen weder vorhanden noch geplant waren, wäre danach der Bürgermeister befugt, diesen Punkt von der Tagesordnung abzusetzen[20].
4. Handeln in Privatrechtsform
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Die Gemeinde darf in Selbstverwaltungsangelegenheiten neben dem öffentlich-rechtlichen Instrumentarium, soweit nicht öffentlich-rechtliche Normen oder Rechtsgrundsätze entgegenstehen, auch Mittel des Privatrechts einsetzen, so etwa zivilrechtliche Kaufverträge. Für die Organisation der kommunalen Gemeinschaftsarbeit (dazu o. Rn 29) ist dies bisweilen normativ ausdrücklich bestätigt (vgl § 2 II hess. KGG; § 1 III GkG NRW; § 2 II sächs. KomZG).
Teil I Kommunalrecht › § 5 Der Aufgabenkreis der Gemeinden › II. Auftragsangelegenheiten
II. Auftragsangelegenheiten
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Bei den gemeindlichen Auftragsangelegenheiten[21] handelt es sich um die Bewältigung staatlicher und damit fremder Aufgaben, die den Gemeinden durch Gesetz zur selbstständigen Erledigung, allerdings einer umfassenden Fachaufsicht unterliegend, übertragen wurden. Diese Auftragsangelegenheiten werden nicht vom Schutzgehalt des Art. 28 Abs. 2 S. 1 erfasst, d.h. eine staatliche Reglementierung in diesem Bereich kann eine Gemeinde unter Berufung auf ihr Selbstverwaltungsrecht nicht abwehren[22].
Solche Auftragsangelegenheiten konnten – teilweise auch als Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung – bis zur Föderalismusreform 2006[23] den Gemeinden sogar kraft Bundesrechts übertragen werden (Bundesauftragsangelegenheiten). Dies ist nach Art. 84 I 7, 85 I 2 GG nunmehr ausdrücklich nicht mehr möglich. Bereits erfolgte Aufgabenübertragungen gelten gem. Art. 125a I GG aber weiter fort.
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Daher sind es vor allem die Länder, welche Angelegenheiten aus ihrem Aufgabenbereich im Auftragswege auf die Gemeinden (Landesauftragsangelegenheiten) übertragen. Die Landesverfassungen sehen hierfür durchgängig besondere Voraussetzungen wie gesetzliche Grundlage und Kostenausgleich vor (zu den Konnexitätsklauseln bereits o. Rn 72, 97).
Beispiele für Landesauftragsangelegenheiten:
– | Gefahrenabwehr (§ 97 I NPOG) |
– | Meldeangelegenheiten (§ 1 nds.AG BMeldeG, Art. 1 bay.AG BMeldeG) |
Teil I Kommunalrecht › § 5 Der Aufgabenkreis der Gemeinden › III. Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung
III. Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung
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In den Ländern mit sog. monistischem Aufgabenmodell (s. o. Rn 194), das den Dualismus von Selbstverwaltungs- und Auftragsangelegenheiten aufgibt und durch die einheitliche Vorstellung öffentlicher Aufgaben ersetzt, die, wenn sie auf dem Gemeindegebiet anfallen, „unabhängig davon, ob sie Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft betreffen oder nicht, grundsätzlich gemeindliche Selbstverwaltungsaufgaben sind“[24], wird terminologisch dennoch zwischen freiwilligen Selbstverwaltungsangelegenheiten, weisungsfreien Pflichtaufgaben und Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung differenziert[25].
1. Rechtsnatur
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Die Rechtsnatur dieser Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung, deren Relevanz sich vor allem bei Maßnahmen der Aufsichtsbehörde (dazu unten § 11) zeigt, ist strittig. Während die einen von umetikettierten Auftragsangelegenheiten sprechen[26], betrachten andere sie als (unechte) Selbstverwaltungsangelegenheiten[27]. Anfangs vom OVG NRW und daran anschließend auch von einer verbreiteten Meinung in der Literatur werden sie – vermittelnd – auch als „Zwischenform“ apostrophiert[28].
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Wohl überwiegend wird heute in NRW eine Zuordnung zu den Selbstverwaltungsangelegenheiten vorgenommen[29], auch unter Hinweis auf § 111 JustG NRW, der sich angesichts der bundesgesetzlichen Vorgaben in § 73 I 2 Nrn 1 und 3 VwGO nur dann als notwendig erweist, wenn man von vorgenannter Zuordnung ausgeht; parallel erfolgt auch die Zuordnung in Brandenburg[30] und Mecklenburg-Vorpommern[31].
2. Wesensmerkmale
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Kennzeichnend für diese Aufgabenkategorie ist die gesetzliche Auferlegung, die dabei angeordnete – vom Umfang her ggf divergierende, aber in der Regel zu begrenzende (vgl § 3 II GO NRW) – Weisungsmöglichkeit staatlicher Instanzen, die Existenz einer staatlichen Fach- bzw Sonderaufsicht (vgl § 118 II bd.wtt.GO; § 119 II GO NRW) und die Befugnis der Aufsichtsbehörde, als Widerspruchsbehörde über Widersprüche gegen gemeindliche Verwaltungsakte zu entscheiden (vgl § 73 I 2 Nr 3 VwGO iVm § 111 JustG NRW).
Beispiele für Pflichtaufgaben zur Erfüllung nach Weisung:
– | Aufgaben als örtliche Gefahrenabwehrbehörden (§§ 1, 3, 9 OBG NRW), |
– | Feuerschutz und Hilfeleistung bei Unglücksfällen (§ 2 II BHKG NRW), |