Unternehmenskriminalität ohne Strafrecht?. Charlotte Schmitt-Leonardy
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Die tatsächliche Belastung der Unternehmen mit Kriminalität ist seit 2004 konstant geblieben. Etwa zwei Drittel der Unternehmen mussten sich mit Kriminalität auseinandersetzen, welche sich aus ihrer Sicht v. a. in den Delikten Vandalismus/Sachbeschädigung (30,1%), Einbruchsdiebstahl (26,9%) und Betrug (18,2%) manifestierte.[4] Die Erkenntnisse hinsichtlich des Täterkreises sind nur wenig erhellend: zwar wird festgestellt, dass in etwa 15% der Fälle Täter aus dem unmittelbaren Unternehmensumfeld kamen, allerdings beziehen sich die 85% (unternehmensfremde) Täter auf Delikte wie Einbruchsdiebstahl und Sachbeschädigung sowie Produktpiraterie, die typischerweise aus dem Umfeld eines anderen Unternehmens heraus begangen wird. Insofern ist der Anteil von 85% unternehmensfremder Täter nicht repräsentativ für die Struktur der Wirtschaftskriminalität. Dies räumen auch die Autoren ein, die davon ausgehen, dass bei „Straftaten der typischen Wirtschaftskriminalität“ – wie Subventionsbetrug, Insolvenzdelikten oder Umweltstraftaten – die Täterstruktur anders aussieht und regelmäßig nur Täter infrage kommen, die aus den Unternehmen selbst kommen und leitende Positionen einnehmen.[5] Hinsichtlich des Anzeigeverhaltens wird lediglich festgestellt, dass eine Abhängigkeit zum jeweiligen Delikt und der Schadenshöhe,[6] Ermittlungsmöglichkeit und -wahrscheinlichkeit, Vertrauen in die Behörden und Angst vor möglichen Imageschäden besteht. Im Bereich der Wirtschaftskriminalität (Wettbewerbsdelikte, Produktpiraterie) werden lediglich ein Viertel der Fälle angezeigt, sodass von einem großen Dunkelfeld auszugehen ist.[7] Dies könnte zumindest ein Hinweis auf eine „parallele Werteordnung“[8] sein, denn auf der einen Seite wird für Einbruchsdiebstahl, Vandalismus und Sachbeschädigung auf die staatlichen Strafverfolgungsorgane zurückgegriffen,[9] geht es jedoch um Wirtschaftskriminalität im engeren Sinne, erinnern Unternehmen an eine gesellschaftliche Subkultur, der zu einem immer „undurchsichtigeren Fleck“ auf dem Strafverfolgungsfeld geworden ist.[10]
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Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass diese Studie keine signifikanten Erkenntnisse zum Thema Wirtschaftskriminalität im Allgemeinen oder Unternehmenskriminalität im Speziellen liefert, obwohl sie es in Einleitung und Schlussteil[11] propagiert. Dennoch macht sie einen Aspekt des Problems nochmals deutlich: die Schwierigkeit, die Rolle des Unternehmens innerhalb dieser Kriminalität zu definieren. Die Studie setzt sämtliche Ergebnisse, die sie zu den vermengten Bereichen Wirtschaftskriminalität und klassische Kriminalität gewinnt, in Beziehung zu dem „Unternehmen als Opfer“. Dies scheint schon aus viktimodogmatischen Gesichtspunkten fragwürdig und hilft erst recht bei der Erfassung der Wirtschaftskriminalität nicht weiter.
Anmerkungen
Insgesamt wurden etwa 4000 Unternehmen angeschrieben; die Antwortquote liegt also bei über 30%.
Ziel der Studie war es zu erfahren, welchen Stellenwert die Unternehmer dem Problem Kriminalität beimessen. Hierfür wurde ein traditionelles Befragungsschema verwendet, das allgemeine Problemlagen wie Arbeitslosigkeit, Umwelt und Infrastrukturentwicklung in ein Verhältnis zu Kriminalität zu setzen versuchte. AKUS Kriminalitätsbarometer Berlin-Brandenburg, S. 4.
Der Wert auf einer Skala von 1–4 – von „gar nicht bedrohlich“ (1) bis „sehr bedrohlich“(4) – betrug 3,04, wobei Korruption nachrangig mit 2,82 eingestuft wurde; siehe hierzu AKUS Kriminalitätsbarometer Berlin-Brandenburg, S. 29.
AKUS Kriminalitätsbarometer Berlin-Brandenburg, S. 12 ff.
AKUS Kriminalitätsbarometer Berlin-Brandenburg, S. 18.
Delikte mit geringen Schäden werden seltener angezeigt. Weiter hängt die Anzeigebereitschaft auch von einem eventuellen Ausgleich durch die Versicherung ab.
AKUS Kriminalitätsbarometer Berlin-Brandenburg, S. 19 ff.
Vgl. hierzu auch Rn. 158.
Siehe hierzu AKUS Kriminalitätsbarometer Berlin-Brandenburg, S. 14 ff., 23 ff., 25 f.
„Die Hilflosigkeit des Staates im Hinblick auf die Wirtschaftskriminalität“ wird auch in dieser – wie in fast jeder – Studie betont; AKUS Kriminalitätsbarometer Berlin-Brandenburg, S. 25.
Insbesondere in den 2005 und 2007 herausgegebenen Kriminalitätsbarometern.
bb) KPMG – Wirtschaftskriminalität in Deutschland
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Auf nicht-staatliche empirische Erkenntnisse zurückzugreifen heißt, sich im Hinblick auf Neutralität und Objektivität dem Vorwurf auszusetzen, die Studie könne tendenziell von den Interessen der Auftraggeber bestimmt sein. Und dennoch heißt die Entscheidung für diese Ergebnisse auch, ein Gesamtbild der kriminologischen Situation abbilden zu wollen. Die Studie von KPMG stellt eine große Feldstudie zum Thema Wirtschaftskriminalität dar, die ihre Erkenntnisse auf 300 branchenübergreifend – telefonisch – befragte Unternehmensmitarbeiteraussagen stützt.[1] Eines der Hauptergebnisse der Studie aus dem Jahr 2006 war der nachgewiesene und signifikante Zusammenhang zwischen der Größe des Umsatzvolumens und der Häufigkeit wirtschaftskrimineller Handlungen im Unternehmen. Dies könnte dem Umstand geschuldet sein, dass effektivere Überwachungs- und Kontrollmechanismen in großen