Europarecht. Bernhard Kempen
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E › Europol (Björn Schiffbauer) › I. Historische Entwicklung
1. Schrittweise Umsetzung einer Idee
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Europol geht auf eine Initiative des deutschen Bundeskanzlers Helmut Kohl und des französischen Staatspräsidenten François Mitterrand auf der Tagung des → Europäischen Rates am 28. und 29.6.1991 in Luxemburg zurück. Ihrer Vision zufolge sollte bis Ende 1993 eine europäische kriminalpolizeiliche Zentralstelle eingerichtet werden, um den internationalen Drogenhandel und die organisierte Kriminalität besser bekämpfen zu können. Dieses Ziel sollte in zwei Schritten verwirklicht werden: Zunächst wollte man bis zum 31.12.1992 eine Relaisstation zum mitgliedstaatlichen Informations- und Erfahrungsaustausch geschaffen und im Anschluss daran – bis zum 31.12.1993 – eine echte europäische Polizeibehörde mit Handlungsbefugnissen in den Mitgliedstaaten errichten.
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Dieser ambitionierte Plan konnte allerdings zunächst nicht umgesetzt werden. Schon der am 1.11.1993 in Kraft getretene Vertrag von Maastricht (→ Europäische Union: Geschichte) – dort Art. K.1 Nr. 9 a.E. – sprach lediglich von dem „Aufbau eines unionsweiten Systems zum Austausch von Informationen i.R.e. Europäischen Polizeiamts (Europol)“. Zwangsbefugnisse, wie sie eine Polizeibehörde im Regelfall hat, waren für Europol-Beamte dagegen nicht vorgesehen. Überdies war Europol in der bis zum Vertrag von Nizza noch bestehenden Säulenstruktur der EU als Teil der Polizeilichen und Justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen (sog. dritte Säule) intergouvernemental angelegt, weshalb dessen Errichtung von einem separaten einstimmigen Beschluss des → Rates (Ministerrat – und damit de facto aller Mitgliedstaaten) abhing und gerade nicht aus den Verträgen selbst hervorgehen konnte.
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Aufgrund der vielschichtigen Interessenlage und der daraus resultierenden schwierigen Verhandlungssituation kam ein entsprechender Ratsbeschluss zunächst nicht zustande. Stattdessen einigten sich die Mitgliedstaaten übergangsweise darauf, eine vorläufige Stelle einzusetzen, die sich mit dem Informationsaustausch zur Bekämpfung von Drogen- und damit verbundener Geldwäschekriminalität befassen sollte. Diese Stelle wurde „Europol-Drogenstelle“ (EDS) genannt und nahm am 3.1.1994 ihren Betrieb auf.
2. Europol-Übereinkommen
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Währenddessen setzten die Mitgliedstaaten ihre Verhandlungen über die Einrichtung von Europol fort. Am 26.7.1995 verabschiedete der Rat (→ Rechtsakt vom 26.7.1995, 95/C316/01) schließlich das Übereinkommen über die Einrichtung eines Europäischen Polizeiamtes („Europol-Übk.“). Es hatte die Rechtsnatur eines völkerrechtlichen Vertrages (s. auch → Völkerrecht [als Teil d. EU-Rechts]). Das Europol-Übk. musste daher zunächst in jedem Mitgliedstaat ratifiziert werden und trat erst am 1.10.1998 in Kraft. Es wies Europol im Wesentlichen informationelle und organisatorische Aufgabenbereiche zu, nämlich die Erleichterung des Informationsaustauschs zwischen den Mitgliedstaaten, die Informationsauswertung sowie die Koordination der mitgliedstaatlichen Zusammenarbeit.
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Diese Aufgaben konnte Europol jedoch zu diesem Zeitpunkt noch nicht in der Praxis wahrnehmen, weil zuvor die Immunität der Europol-Beamten völkerrechtlich festgeschrieben werden musste. Dies geschah durch das ebenfalls durch den Rat verabschiedete Protokoll über die Immunität der Europol-Beamten (Rechtsakt vom 19.6.1997, 97/C221/01), das als weiterer völkerrechtlicher Vertrag bis zum 1.7.1999 in allen Mitgliedstaaten ratifiziert wurde. Sodann konnte Europol seine Tätigkeit in vollem Umfang aufnehmen. Spätestens an diesem Tag wurde mit Europol eine neue internationale Organisation geschaffen.
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Zwischenzeitlich trat am 1.5.1999 der Vertrag von Amsterdam (→ Europäische Union: Geschichte) in Kraft. Der damit einhergehende nächste europäische Integrationsschritt betraf auch Europol, dessen Kompetenzen nach Maßgabe der neuen Art. 29 Abs. 2 und 30 EUV (Version nach Amsterdam) erweitert werden sollten. Darauf fußten in der Folge drei weitere Protokolle zum Europol-Übk., die als weitere Rechtsakte des Rates (vom 30.11.2000, 2000/C358/01; vom 28.11.2002, 2002/C312/01; vom 27.11.2003, 2004/C2/01) erlassen, sodann in den Mitgliedstaaten als völkerrechtliche Verträge ratifiziert wurden und schließlich im März bzw. April 2007 in Kraft traten.
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Im Rahmen des Vertrages von Amsterdam war es dem Rat nunmehr auch möglich, verbindliche → Beschlüsse ohne Ratifikationserfordernis in den Mitgliedstaaten zu erlassen. Davon machte er erstmals am 12.7.2005 Gebrauch (2005/511/JI), indem er die Kompetenzen von Europol erweiterte. Seitdem ist Europol auch Zentralstelle zur Bekämpfung der Fälschung des → Euro. Freilich mutet es kurios an, dass einer internationalen Organisation per Ratsbeschluss weitere Kompetenzen einseitig, d.h. ohne völkerrechtlichen Vertrag, zugewiesen wurden.
3. Europol-Beschluss
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Mit Wirkung zum 1.1.2010 hatte sich die völkerrechtliche Konstruktion schließlich gänzlich überlebt: Das auf Grundlage des Europol-Übk. errichtete Europäische Polizeiamt existiert seitdem nicht mehr. Denn an diesem Tag trat der Europol-Beschluss des Rates (im Ressort Justiz und Inneres) vom 6.4.2009 zur Errichtung des Europäischen Polizeiamts (Europol) (2009/371/JI) in Kraft („Europol-Beschl.“), mit dem das Europol-Übk. – jedenfalls de facto – gegenstandslos wurde, obwohl eine völkerrechtliche Vertragsbeendigung nie förmlich vollzogen wurde. Stattdessen wurde Europol mit dem Europol-Beschl. Gem. dessen Art. 1 Abs. 2 neu gegründet: „Europol im Sinne dieses Beschlusses ist Rechtsnachfolger des Europäischen Polizeiamts, das durch das Europol-Übereinkommen errichtet worden ist.“
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Seitdem wird Europol als (wenn auch in den Rechtsexten noch nicht so bezeichnete) Agentur der EU geführt und ist keine internationale Organisation mehr. Auf diese Weise ist es gelungen, Europol von einer rein völkerrechtlichen Ebene in die Struktur der EU zu überführen, so dass nunmehr u.a. auch das Dienstrecht der EU auf die Beamten von Europol