Europarecht. Bernhard Kempen
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Europarecht - Bernhard Kempen страница 115
782
Bereits einen Monat vor der Anwendbarkeit des Europol-Beschl. trat der Vertrag von Lissabon (umgesetzt v.a. durch EUV und AEUV) in Kraft. Mit ihm wurde Europol als Bestandteil des → Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (RFSR) vollständig in das supranationale System der heutigen EU überführt und dem Bereich der PZ zugeordnet. Seitdem ist Art. 88 AEUV sedes materiae im → Primärrecht. Gem. Art. 88 Abs. 2 AEUV sind Aufbau, Arbeitsweise, Tätigkeitsbereich und Aufgaben von Europol durch → Verordnung festzulegen. Dies war für den Europol-Beschl. jedoch wegen der zum Vertrag von Lissabon bestehenden Übergangsbestimmungen unschädlich.
4. Europol-Verordnung
783
Mit einer „Verspätung“ von gut sechs Jahren – nämlich am 11.5.2016 – ist der europäische Gesetzgeber der primärrechtlichen Forderung nach einer entsprechenden Verordnung schließlich nachgekommen. An diesem Tag wurde die Europol-Verordnung (Europol-VO) vom 11.5.2016 – (EU) 2016/794 – verabschiedet; mit Wirkung zum 1.5.2017 trat sie schließlich in Kraft. Ähnlich wie der Europol-Beschl. gründet auch sie gem. Art. 1 Abs. 2 Europol neu: „Europol in der durch diese Verordnung errichteten Form tritt an die Stelle von Europol in der durch den Beschluss 2009/371/JI errichteten Form und wird dessen Nachfolgerin.“ Damit existiert Europol inzwischen in dritter Generation (und ist offenbar – jedenfalls dem Wortlaut der Europol-VO nach – weiblich geworden). Sie ist nun auch de lege lata eine Agentur der EU (Art. 1 Abs. 1 Europol-VO) und hat dabei seine bzw. ihre frühere zusätzliche Bezeichnung „Europäisches Polizeiamt“ vollständig abgelegt.
E › Europol (Björn Schiffbauer) › II. Rechtsgrundlagen
a) Primärrecht: Art. 88 AEUV
784
Primärrechtlich findet Europol in Art. 88 AEUV ihre Rechtsgrundlage. Dabei beschreibt dessen Abs. 1 den Aufgabenbereich, nämlich „die Tätigkeit der Polizeibehörden und der anderen Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten sowie deren gegenseitige Zusammenarbeit bei der Verhütung und Bekämpfung der zwei oder mehr Mitgliedstaaten betreffenden schweren Kriminalität, des Terrorismus und der Kriminalitätsformen, die ein gemeinsames Interesse verletzen, das Gegenstand einer Politik der Union ist, zu unterstützen und zu verstärken.“ Konkretisiert werden sollen diese Aufgaben gem. Abs. 2 über die inzwischen verabschiedete Europol-VO. Die äußeren Grenzen der Tätigkeiten von Europol definiert schließlich Abs. 3, der operative Maßnahmen unter den Vorbehalt der Mitgliedstaaten stellt und dabei Zwangsmaßnahmen durch Europol in jedem Fall verbietet.
785
Als weiteres Primärrecht ist Art. 12 Buchst. c EUV relevant. Diese Norm stellt die Kontrolle von Europol (auch) durch die nationalen Parlamente sicher. Zu beachten ist zudem, dass gemäß den Protokollen Nr. 21 und 22 zum AEU-Vertrag Sonderbestimmungen für das Vereinigte Königreich, Irland und Dänemark bestehen können (dazu → Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts [RFSR]).
b) Sekundärrecht
786
Die auf Grundlage von Art. 88 Abs. 2 AEUV am 1.5.2017 in Kraft getretene Europol-VO – offiziell: „Verordnung (EU) 2016/794 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.5.2016 über die Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung (Europol) und zur Ersetzung und Aufhebung der Beschlüsse 2009/371/JI, 2009/934/JI, 2009/935/JI, 2009/936/JI und 2009/968/JI“ – hat Europol gewissermaßen neu erfunden. Mit 76 Erwägungsgründen, 77 Artikeln und in etwa 27.000 Wörtern definiert sie den Rechtsrahmen für Europol recht engmaschig.
787
Zum Anwendungsbereich der Europol-VO ist zu beachten, dass zwar Irland, nicht aber das Vereinigte Königreich und Dänemark an Europol beteiligt sind (vgl. Erwägungsgründe 72 bis 74 der Europol-VO).
788
Neben der Europol-VO ist weiteres → Sekundärrecht relevant, das überwiegend jedoch nicht spezifisch mit den Aufgaben von Europol zusammenhängt, so etwa das EU-Beamtenstatut. Zukünftig dürfte jedoch insbesondere die EUStA-VO an Relevanz gewinnen, deren Art. 102 die Zusammenarbeit zwischen Europol und der neu errichteten Europäischen Staatsanwaltschaft regelt (s. dazu auch → Eurojust). Für die Arbeitsweise von Europol sind außerdem interne Durchführungsbestimmungen und sonstiges Innenrecht einschlägig, die einzelne Normen der Europol-VO konkretisieren.
2. Deutsches Recht
789
Im deutschen Recht werden die Vorgaben der Europol-VO durch das Europol-Gesetz (ursprünglich vom 16.12.1997, BGBl. II S. 2150) umgesetzt. Zwar entfaltet die Europol-VO unmittelbare Wirkung auch im deutschen Rechtskreis, jedoch sind einzelne Bereiche durch die Mitgliedstaaten ausfüllungsbedürftig. Genau dort setzt das Europol-Gesetz an, wie es dies auch schon zum Europol-Übk. (nebst dessen Ratifikation) und zum Europol-Beschl. getan hat. Übrig geblieben ist davon die ehemals als Art. 2 bezeichnete Norm des Europol-Gesetz, die nunmehr (durch Gesetz vom 23.6.2017, BGBl. I S. 1882) ohne Artikel-Bezeichnung in sechs Paragraphen die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an Europol regelt (dazu Rn. 812 f.).
E › Europol (Björn Schiffbauer) › III. Aufgaben und Arbeitsweise
1. Zuständigkeit
790
Der Zuständigkeitsbereich von Europol ergibt sich zunächst aus dem bereits oben zitierten Art. 88 AEUV. Auch wenn es der Bezeichnung der Europol-VO nach lediglich um die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung zu gehen scheint, so hat Europol in Wahrheit sowohl präventive als auch repressive