Nach Corona – Unsere Zukunft neu gestalten. Franz Alt
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Die Angst ist jedem Menschen angeboren, für mich ist sie ein Geschenk Gottes. Sie gehört für Menschen und für Tiere zur Urausstattung. Ohne die Realität der Angst hätte ich in meinem langen Leben noch viel mehr Fehler gemacht. Ich habe erst in der Mitte meines Lebens in einer Jung’schen Traumtherapie gelernt, keine Angst mehr vor der Angst zu haben und dabei auf meine Träume zu achten. Ich lernte mich vielmehr zu fragen, wie berechtigt die Angst in bestimmten Gefahrensituationen ist. Erst dadurch konnte ich auch mehr Vertrauen ins Leben aufbauen.
»Eine gefühlsgeladene Klimadebatte«, so die Psychologin Rebecca Fleischmann und die Soziologin Judith Pape in der »TAZ« zum Artikel in der »FAZ«, »bedeutet, dass zunehmend mehr Menschen verstanden haben: Die ökologische Katastrophe ist nichts Abstraktes, sondern wird in den nächsten Jahrzehnten massive Auswirkungen auf unsere eigenen Lebenspläne haben.«
Die Angriffe, denen Greta Thunberg nach ihrer UNO-Rede ausgesetzt war, zeigen, dass immer noch viele Menschen die drohende Gefahr eher verdrängen, als sich ihrer uneingestandenen Angst davor zu stellen. Die Abwertung und Abwehr emotionaler Lernprozesse ist nicht neu, sie wurzelt in der westlichen Denktradition seit der Aufklärung – einer Denktradition, in der Gefühl und Vernunft lange als Gegensätze galten.
Sowohl in unserem Privatleben als auch in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft führt die Angst oft ein Eigenleben. Rational mit diesem Gefühl umzugehen, ist geradezu ein Schlüssel zur Zukunft. Nur so werden wir mit kluger Gelassenheit lernen, die Zukunft neu zu gestalten.
Die Angst vor der Angst ist noch immer dieselbe Denktradition, in der Frauen als »emotionale Wesen« diffamiert wurden und die zu den größten Katastrophen der Menschheitsgeschichte geführt hat. Ihre wichtigsten Repräsentanten zu meiner Lebenszeit hießen und heißen: Hitler, Stalin, Mussolini, Franco – vertraute Namen für uns Vorkriegskinder – oder in neuester Zeit: Trump, Putin, Xi oder Erdoğan. Ausschließlich Männer. Zufall?
Auch nach 16 Jahren, in denen Angela Merkel Bundeskanzlerin war, sind die Machtspiele in Politik, Wirtschaft und Religion überall auf der Welt weitgehend eine Angelegenheit der Männer. Anna Mayr recherchierte für »Die Zeit« im Januar 2021: »Es gibt in Deutschland 14 Ministerpräsidenten und zwei Ministerpräsidentinnen. Der Frauenanteil in deutschen Landtagen liegt bei etwa 30 Prozent. 91 Prozent der Bürgermeister sind Männer. Und in allen deutschen Parteien sind unter den Mitgliedern mehr Männer als Frauen, bei der FDP und der Linken ist der Frauenanteil seit den Neunzigern sogar zurückgegangen. Es muss also etwas geben, das Frauen von der Politik fernhält, das aber gleichzeitig nicht öffentlich besprochen werden kann. Und wenn es doch besprochen wird, dann so, als hätte es nichts mit Politik zu tun, sondern nur mit Befindlichkeiten. Oder auch: Empfindlichkeiten.«
Zu unserem Glück stehen inzwischen auch eine Reihe von klugen Frauen an der Spitze von Staaten: Jacinda Ardern in Neuseeland, Sanna Marin in Finnland, Angela Merkel in Deutschland, Tsai Ing-wen in Taiwan, Sophie Wilmes in Belgien, Katrin Jakobsdottir in Island und Mette Frederiksen in Dänemark. Eine Studie untersuchte 2020 den Umgang verschiedener Staaten mit der Corona-Krise. Das Ergebnis: Die Staaten, in denen Frauen regierten, hatten sechsmal geringere Todeszahlen.
Im von Angela Merkel regierten Deutschland freilich waren auch beim zweiten Lockdown die Corona-Todeszahlen überdurchschnittlich hoch. Der Hauptgrund: Angela Merkel hatte sich mit ihrer konsequent harten Corona-Politik nicht immer gegen die mehrheitlich männlichen Ministerpräsidenten durchsetzen können und musste gestehen: »Das Ding ist uns entglitten.«
Eine andere Studie, für die 5000 Unternehmensvorstände aus 60 Ländern befragt wurden, zeigte auf, dass Firmen mit einem ausgewogenen Verhältnis von Männern und Frauen innovativer waren.
Die Gesellschaften entwickeln sich weiter, und die alten Denktraditionen stoßen heute immer mehr auf Kritik. Auch in der Umwelt- und Klimabewegung oder in der Demokratiebewegung in Belarus spielen Frauen eine immer wichtigere Rolle. Diese Bewegungen reagieren nicht »überemotional«, sondern so emotional wie rational, also intelligent.
Rebecca Fleischmann und Judith Pape: »Emotionales Verständnis ist keine Schwäche, sondern ein Fortschritt, den wir verteidigen sollten, wenn im öffentlichen Diskurs Klimagefühle diskreditiert und im selben Atemzug eine zerstörerische Politik als ›vernünftig‹ dargestellt wird.«
6. »Unser Haus brennt«
2020 stand unser Haus tatsächlich in Flammen. In Australien brannten monatelang riesige Waldflächen und zerstörten mindestens 70 einheimische Tierarten. Im selben Jahr brannte die halbe Welt. Die sibirische Stadt Werchojansk war bisher für ihren Kälte-Weltrekord von minus 76 Grad bekannt. Am 20. Juni 2020 wurde dort, nördlich des Polarkreises, eine ganz andere Rekordtemperatur gemessen: plus 38 Grad, 18 Grad über den jahreszeitlichen Mittelwerten.
Auf dem virtuellen Weltwirtschaftsforum 2021 in Davos hieß das Motto »It’s the climate«. Klimaerhitzung und Umweltschäden seien die größten Gefahren für die Wirtschaft der Zukunft. Beim Wiederaufbau der Wirtschaft nach der Pandemie müsse der Klimaschutz zwingend berücksichtigt werden. Das letzte Jahrzehnt war das heißeste seit 1880. Seit 1980 werde jedes Jahrzehnt wärmer, ermittelte die Weltmeteorologiebehörde WMO. In den letzten 150 Jahren sei es global bereits um 1,2 Grad wärmer geworden. Schon in wenigen Jahren, vielleicht sogar schon 2024, könnte die globale Temperatur nahe am Paris-Ziel von 1,5 Grad angelangt sein.
Alle Umfragen zur Umwelt, aber auch die praktizierte Willkommenskultur gegenüber einer Million Flüchtlingen im Jahr 2015 zeigen, dass die Zivilgesellschaft offener, flexibler, hilfsbereiter und zukunftsfähiger ist als die Institutionen, welche diese Gesellschaft abbilden sollen. Sie ist oft viel weiter als die Agrarlobby, die Autolobby, die Kohlelobby oder die Autobahnlobby und oft auch weiter als die Politik. Deshalb besteht gerade jetzt die Chance, dass der Kampf gegen die Klimaerhitzung aus den Lektionen der Corona-Krise Energie bezieht für eine gerechtere und ökologischere Welt. Der Green New Deal der Europäischen Union könnte hierfür ein Anfang sein. Daraus können sich ungewöhnliche Allianzen ergeben für eine wirkliche Transformation. Eine bessere Welt ist möglich.
Während ich dieses Buch schrieb, wurde ich von einem US-amerikanischen Magazin gefragt, was Eltern tun können, um ihre Kinder bei der »Fridays for Future«-Bewegung zu unterstützen. Meine Antwort:
»Erstens: Eltern sollten zusammen mit ihren Kindern auf die Straße gehen und für eine effizientere Klimaschutzpolitik ihrer Regierung demonstrieren.
Zweitens: Eltern und Kinder sollten gemeinsam überlegen, wie viel Energie sie in ihrer Wohnung einsparen können.
Drittens: Eltern und Kinder sollten gemeinsam versuchen, möglichst viel Energie über Sonne und Wind selbst zu erzeugen oder Ökostrom zu beziehen.
Viertens: Gemeinsam sollen sie überlegen: Brauchen wir wirklich ein großes Auto, oder steigen wir auf ein kleineres Elektro-Auto um? Können wir für das E-Auto den Strom selbst produzieren? Und …
Fünftens: Wir sollten unser Essen auf gesunde biologische Nahrung umstellen.«
Unter meinen Leserinnen und Lesern wird es kaum jemanden geben, der diese Vorschläge, zumindest teilweise, nicht umsetzen könnte. Wir haben so viel selbst in der Hand.
Die nächste Frage lautete: Was kann ein Unternehmen für mehr Nachhaltigkeit tun? Und meine Antwort:
»Erstens: Den Papierverbrauch reduzieren.
Zweitens: Wasserverbrauch und Energieverbrauch minimieren.
Drittens: Weniger Dienstreisen und mehr Video-Konferenzen.
Viertens: