Auf dem Weg zur digitalen Gesellschaft. Hepp Andreas

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Auf dem Weg zur digitalen Gesellschaft - Hepp Andreas

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das Aufkommen der Datafizierung.

      In Kapitel 3 Medien als Prozess argumentiere ich, dass es unmöglich ist, die tiefgreifende Mediatisierung ohne einen angemessenen Medienbegriff zu erfassen. Mein Hauptanliegen in diesem Kapitel ist es, Medien als Prozess zu verstehen. Medien sind nicht einfach da, sondern sie entstehen in einem fortlaufenden Prozess der Institutionalisierung und Materialisierung von Kommunikation. Medien auf diese Weise zu betrachten, wirft ein neues Licht auf die Diskussion um die Medienlogik. Es wird deutlich, dass der prozessuale Charakter von Medien in dem Moment am greifbarsten wird, in dem sie digital werden: Basierend auf Algorithmen und digitalen Infrastrukturen werden sie in engen Rekursivitätsschleifen generiert und existieren als ›ständige Beta-Versionen‹ und damit in einer fortlaufenden Veränderung. Während Medien durch ihre Institutionalisierung und Materialisierung die soziale Welt prägen, würden wir uns einer gewissen Verdinglichung hingeben, wenn wir dabei von festen Logiken als inhärenten Eigenschaften von Medien ausgehen würden. Um das Entstehen der digitalen Gesellschaft durch die tiefgreifende Mediatisierung zu erfassen, muss man hingegen den Blick für die Prozesshaftigkeit digitaler Medien schärfen, zumal deren Fähigkeit, die soziale Welt zu formen, nie von einem einzigen Medium ausgeht. Wir haben es mit einer Mannigfaltigkeit der Medien in gesamtgesellschaftlichen Medienumgebungen zu tun, die sich in den Medienensembles verschiedener sozialer Domänen und in den Medienrepertoires der Individuen konkretisiert.

      In Kapitel 4 Ein figurationsanalytischer Ansatz wird ein grundlegender Zugang zur entstehenden digitalen Gesellschaft dargestellt. Vereinfacht gesagt, sind Figurationen musterhafte Konstellationen von Menschen, wie sie in Familien, Gemeinschaften, Organisationen oder rund um bestimmte Medien zu finden sind. Mein Hauptargument in diesem Kapitel ist, dass wir, wenn wir die tiefgreifende Mediatisierung verstehen wollen, unsere Analyse nicht bei den Medien selbst beginnen lassen sollten, sondern bei einer vergleichenden Betrachtung der Figurationen verschiedener sozialer Domänen und deren Veränderung mit digitalen Medien und ihren Infrastrukturen. In Bezug auf die Gesellschaft ist das Hauptargument eines solchen Ansatzes, dass ihr Wandel am besten als ein Prozess rekursiver Transformation zu verstehen ist, den wir Refiguration nennen können: ein struktureller Wandel von Figurationen selbst wie auch ihrer Wechselbeziehung untereinander, wobei digitale Medien und Infrastrukturen die Schleifen der Rekursivität intensivieren. Ein solcher Zugang zum Entstehen der digitalen Gesellschaft hat enge Bezüge zu einer ›nicht-medienzentrierten Perspektive‹, die zuerst die menschlichen Praktiken analysiert und dann die Frage stellt, welche Rolle digitale Medien und Infrastrukturen bei der Veränderung dieser Praktiken haben.

      Das Kapitel 5 Die Refiguration der Gesellschaft konzentriert sich auf den gesellschaftlichen Wandel hin zur digitalen Gesellschaft. Die Schwerpunkte liegen dabei auf den sich verändernden Relationalitäten von Figurationen durch Mythen, Daten und Infrastrukturen, auf der Transformation bestehender Figurationen von Organisationen (am Beispiel der öffentlichen Debatte und der journalistischen Nachrichtenproduktion) und von Gemeinschaften (am Beispiel lokaler und transnationaler Familien) sowie auf der Entstehung neuer Figurationen (am Beispiel von Plattformkollektivitäten, konnektiver Praxis und globalen Finanzmärkten). Bei all diesen Beispielen geht es auch um das, was man als ›Akti vierung‹ des Medienensembles der einzelnen Figurationen bezeichnen kann, oder konkreter gesprochen darum, wie die Automatisierung von Kommunikation und das Aufkommen kommunikativer Roboter die soziale Konstruktion der Gesellschaft verändern. Insgesamt möchte ich mit diesem Kapitel zeigen, dass tiefgreifende Mediatisierung ein Transformationsprozess ist, der figurationsübergreifend erfolgt, gleichzeitig aber in Bezug auf einzelne Arten von menschlichen Figurationen Besonderheiten aufweist.

      Im Kapitel 6 Das Individuum in Zeiten tiefgreifender Mediatisierung kehre ich die Perspektive um: Im Fokus stehen nicht mehr Figurationen als solche, sondern der Einbezug des Individuums in diese. Hier diskutiere ich, welche Folgen es für den einzelnen Menschen hat, dass sie bzw. er in eine Vielzahl von Figurationen eingebunden ist, wie dies seine bzw. ihre Medienrepertoires und Medienpraktiken prägt. Eine besondere Veränderung, die auf der Ebene des Individuums stattfindet, besteht darin, dass die digitalen Spuren, die es über verschiedene Figurationen hinterlässt, in Form von ›Datendoubles‹ akkumuliert werden. Solche Datendouble sind höchst ambivalent, da sie einerseits die Möglichkeiten der Überwachung eines Individuums durch Unternehmen und staatliche Akteure bieten bzw. die gegenseitige Überwachung in Partnerschaften, Gruppen oder Gemeinschaften. Andererseits können Datendoubles aber auch eine Ressource bei der Veränderung der eigenen Lebensführung sein, wie das Beispiel der Selbstvermessung zeigt. All dies rückt die Ambivalenzen der tiefgreifenden Mediatisierung für das Individuum in den Vordergrund und wirft die Frage auf, ob wir in der digitalen Gesellschaft mit einem sich verändernden Sozialcharakter oder Habitus konfrontiert sind.

      Das Schlusskapitel dieses Buches trägt den Titel Die digitale Gesellschaft und das gute Leben. In diesem Kapitel diskutiere ich die tiefgreifende Mediatisierung aus einem normativen Blickwinkel. Während das Zustandekommen der tiefgreifenden Mediatisierung eng mit der Idee verbunden war, eine Generation von Digital Natives zu formen, die die Welt zum Besseren verändern würde, hat die Analyse innerhalb dieses Buches gezeigt, dass es sich um einen höchst widersprüchlichen Metaprozess des Wandels handelt. Aber trotz dieser Probleme wäre es ein Fehler anzunehmen, dass die tiefgreifende Mediatisierung einfach ›abgestellt‹ werden könnte. Ähnlich wie bei der Globalisierung, Individualisierung und anderen Metaprozessen des Wandels ist dies nicht möglich. Entscheidend wird damit die Frage, welche Form die tiefgreifende Mediatisierung annehmen sollte, um unter den von ihr produzierten Bedingungen ein gutes Leben zu ermöglichen. Im Kern geht es damit um die normativen Bedingungen der Gestaltung der tiefgreifenden Mediatisierung und damit der digitalen Gesellschaft.

      Meine Hoffnung ist es, mit diesem kompakten Band einen allgemeinen Einblick in die Diskussion um die entstehende digitale Gesellschaft aus Sicht der Mediatisierungsforschung geben zu können. Mein Ziel dabei ist es, die Ambivalenz der tiefgreifenden Mediatisierung zu erklären, mit der wir alle, wenn auch auf unterschiedliche Weise, konfrontiert sind. Diesen Veränderungsprozess produktiv zu gestalten, ist nur möglich, wenn man sich analytisch präzise mit ihm auseinandersetzt. Das vorliegende Buch will dazu eine Anregung geben.

      Ich sehe dieses Buch nicht als eine Standardeinführung in ein wissenschaftliches Gebiet. Das wäre schwierig, wenn nicht sogar unmöglich, da die Forschung zur tiefgreifenden Mediatisierung und digitalen Gesellschaft gerade erst beginnt. Mein Ziel mit diesem Buch ist es, die Leser:innen zu einer entstehenden Diskussion einzuladen. In diesem Sinne mag es hilfreich sein, dieses Buch neben einer Reihe anderer Veröffentlichungen zu lesen: Wer sich für Mediatisierung im Allgemeinen interessiert, findet Zugang zu dieser Diskussion durch einführende Publikationen wie die Monografie von Stig Hjarvard (2013), ein von Knut Lundby (2014) herausgegebenes Handbuch, einen Sammelband von Frank Esser und Jesper Strömbäck (2014), ein von mir selbst verfasstes Buch (HEPP 2013) und die Publikationen der Mediatization Section der European Communication Research and Education Association (DRIESSENS et al. 2017; THIMM/ANASTASIADIS/EINSPÄNNER-PFLOCK 2018). Diese Titel sind wichtige Ergänzungen zu diesem Buch, um einen übersichtlichen und dennoch gründlichen Einstieg in die allgemeine Diskussion über Mediatisierung zu finden.

      Wie bereits erwähnt, hat dieses Buch aber den Anspruch, viel spezifischer und zugleich breiter zu sein, indem es einen Zugang zur Idee der tiefgreifenden Mediatisierung im Hinblick auf die digitale Gesellschaft bietet. Da es in dieser Diskussion um ein fortgeschrittenes Stadium der Mediatisierung geht, bei dem Fragen von Algorithmen, Daten und digitalen Infrastrukturen relevant sind, werden neue interdisziplinäre Beziehungen wichtig. Ich versuche deshalb, die Medien- und Kommunikationswissenschaft mit einer Reihe von weiteren Feldern und Teildisziplinen wie Software Studies, Medien- und Techniksoziologie sowie Science and Technology Studies in Dialog zu bringen. Dieser Dialog ist jedoch kein Selbstzweck, sondern er zielt darauf, das für ein besseres

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