Energiesicherheit. Sascha Müller-Kraenner

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Energiesicherheit - Sascha Müller-Kraenner

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zukünftig härter werden. Japan und China werden ihren maritimen Versorgungsrouten mehr Aufmerksamkeit widmen und ihre Marine in der Region einsetzen. Auch Indien wird stärker in den Konkurrenzkampf um diese Ressourcen eintreten und mit seiner Marine Einfluss auf die Region nehmen.«

      Neuausrichtung der Militärstrategie

      Wegen dieser besonderen Gefährdung steht der Schutz der Energieinfrastruktur bei allen großen Mächten im Zentrum ihrer Militärstrategie.

      Das wichtigste Ölexportland der Welt, Saudi-Arabien, wurde in den vergangenen Jahren systematisch mit US-Militärtechnik ausgerüstet, um seine umfangreiche Ölinfrastruktur gegen terroristische Anschläge verteidigen zu können. Nach ihrem absehbaren Abzug aus dem Irak wollen die USA weiterhin Truppenkontingente im Land stationiert lassen. Die bisher geplanten Kasernenstandorte befinden sich nicht zufällig in der Nähe der großen Ölförderanlagen des Irak. Die neue Ölpipeline vom aserbaidschanischen Baku bis zum türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan wird durch AWACS-Flugzeuge der NATO beobachtet. Neben NATO-Partner Türkei wurde auch Georgien mit moderner US-Militärausrüstung, angeblich sogar mit unbemannten Militärflugzeugen – sogenannten Drohnen – ausgerüstet. Besonders brisant ist sowohl im Fall Saudi-Arabiens als auch beim Irak und Georgien, dass damit neue Waffen in Krisengebiete geliefert werden, die im Zweifelsfall nicht nur zum Schutz der Energieinfrastruktur, sondern auch für andere Zwecke eingesetzt werden können.

      Auch die Bundeswehr soll zukünftig vermehrt Aufgaben der Sicherung der deutschen Energie- und Ressourcenversorgung und der freien Handelswege übernehmen. Die nach den Anschlägen vom 11. September vom Deutschen Bundestag beschlossene Operation »Enduring Freedom« beinhaltet bereits, die Seefahrtswege am Horn von Afrika – einer der wichtigsten weltweiten Tankerrouten – militärisch abzusichern. In dem 2005 an die Öffentlichkeit gelangten Entwurf des neuen Bundeswehrweißbuchs zur Sicherheitspolitik heißt es etwas holprig: »Sicherheitspolitik muss auch auf geografisch entfernte Regionen zielen, um Spannungen und Feindschaften zwischen Ethnien, regionalen Krisen, Staaten, in denen sich organisierte Kriminalität und Terrorismus ausbreiten, sprunghaft wachsenden Gesellschaften, die keine Zukunftsperspektive bieten, entgegenzuwirken. Die Vertiefung und Entwicklung guter Beziehungen zu strategischen Schlüsselstaaten in den verschiedenen Regionen, Beiträge zur Bewältigung von Krisen und Konflikten sowie zur Förderung regionaler Stabilität sind wichtige Handlungsfelder deutscher Sicherheitspolitik. Hierbei gilt es wegen der Import- und Rohstoffabhängigkeit Deutschlands, sich insbesondere den Regionen, in denen kritische Rohstoffe und Energieträger gefördert werden, zuzuwenden.« Diese lange Liste von Aufgaben gehört bisher nicht zum Auftrag der Bundeswehr. Um eine Militarisierung der deutschen Außenpolitik abzuwenden, sollte es so auch bleiben.

      Die hochkomplexe Energieinfrastruktur unserer globalisierten Wirtschaft kann nicht militärisch verteidigt werden. Dagegen können sowohl unsere Energieversorgungssysteme als auch die politischen Rahmenbedingungen so gestaltet werden, dass das Risiko militärischer Angriffe und terroristischer Anschläge minimiert wird. Statt die Wachmannschaften von Kraftwerken zu verstärken, paramilitärische Einheiten entlang wichtiger Pipelines zu postieren, sollte die zukünftige Energieinfrastruktur von vornherein so ausgerichtet werden, dass sie weniger verletzlich ist. Das bedeutet eine Abkehr von zentralen Großtechnologien hin zu dezentralen Netzwerken. Durch die Stärkung einheimischer Energiequellen, beispielsweise aus erneuerbaren Energien, und eine Diversifizierung der Einfuhren kann die Abhängigkeit von wenigen Versorgungsrouten vermindert werden. Die beste Rückversicherung gegen die Bedrohung unserer Energieinfrastruktur bietet allerdings eine Politik, die politische Spannungen reduziert und die regionale Zusammenarbeit fördert.

      Blut für Öl?

      Als die USA und ihre Verbündeten 1991 gegen den Irak Krieg führten, lautete die Parole der Friedensdemonstrationen in ganz Westeuropa »Kein Blut für Öl«. Wurde der erste Irakkrieg wirklich geführt, um das besetzte Kuwait von der irakischen Armee zu befreien, oder ging es in Wirklichkeit um amerikanische Ölinteressen? Letztere haben sicherlich eine Rolle gespielt. Hätte der irakische Diktator Saddam Hussein die Kontrolle über die kuwaitische Ölproduktion erlangt, wäre Irak zum größten Ölförderer der Welt aufgestiegen. Die hochgerüstete irakische Armee hätte außerdem die nahe gelegenen saudischen Ölfelder bedroht. Nicht nur für die USA, sondern für alle Öl importierenden Länder wäre diese Dominanz unerträglich gewesen.

      Der Kuwaitfeldzug war nicht der erste Krieg, in dem der Faktor Öl eine entscheidende Rolle spielte. Als Winston Churchill, Großbritanniens Marineminister im Ersten Weltkrieg, die britische Flotte von Kohle auf Öl umrüstete, erzielte er dadurch einen kriegsentscheidenden Vorteil. Großbritannien konnte diese Strategie nur deswegen erfolgreich verfolgen, weil es kurz zuvor in Persien ein großes Ölvorkommen entdeckt hatte. Parallel dazu gelang es den Briten, den deutschen Ölnachschub aus Rumänien erfolgreich zu sabotieren.

      Im Zweiten Weltkrieg wollte Hitlers Wehrmacht mit dem Russlandfeldzug auch die Ölfelder im Kaukasus für die deutsche Kriegsführung sichern. Einer der Gründe, warum Nazideutschland den Alliierten schließlich im Krieg unterlag, war die angloamerikanische Seeblockade, die die deutsche Wirtschaft effektiv von der Rohstoffeinfuhr, und nicht zuletzt Ölimporten, abschneiden konnte.

      Während der Suezkrise 1956, als die ehemaligen Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien versuchten, in Ägypten ein ihnen gewogenes Regime zu errichten und den Suezkanal unter ihre Kontrolle zu bringen, stellten sich die USA gegen ihre westlichen Verbündeten und auf Seiten des ägyptischen Diktators Nasser. Seitdem haben die Amerikaner die Rolle der Schutzmacht des Kanals und der gesamten Tankerrouten vom Persischen Golf bis ins Mittelmeer inne. Seit der Suezkrise und dem Wegfall der ehemaligen Kolonialmächte sind die USA der Garant der politischen Ordnung im Nahen Osten. Lange bestand die amerikanische Politik darin, prowestliche Diktatoren wie den Schah von Persien und das saudische Königshaus zu stützen und gegen sowjetischen Einfluss zu schützen. Seit dem Aufstieg der Islamisten und den Terroranschlägen des 11. September ist offensichtlich, dass diese politische Strategie langfristig zur Destabilisierung der Region, zur Delegitimierung der USA in der islamischen Welt und zum Aufstieg terroristischer Bewegungen führt.

      Auch der zweite Irakkrieg, mit dem die Amerikaner – und eine diesmal deutlich kleinere »Koalition der Willigen« – Saddam Hussein 2003 auch ohne UN-Mandat endgültig stürzten, wurde nicht wegen der Gräueltaten des irakischen Diktators oder seiner vermeintlichen Massenvernichtungswaffen geführt, sondern um auf diese Weise den ganzen Nahen und Mittleren Osten unter amerikanischer Führung politisch neu zu ordnen. Diese neue Ordnung sollte zwei Zielen dienen: die Quellen des Terrorismus auszutrocknen und die Ölquellen weiter sprudeln zu lassen. Seitdem herrscht im Irak Bürgerkrieg, und die Ölproduktion ist auf einen tieferen Stand gesunken als zur Zeit des UN-Embargos gegen den Irak nach dem ersten Golfkrieg.

      Der wirtschaftliche Nutzen einer militärischen Sicherung der Ölquellen ist ohnehin zweifelhaft. So berechnete das amerikanische Energieministerium schon vor dem Ausbruch des zweiten Golfkriegs, dass unter Einbeziehung der Kosten für das militärische Engagement der USA in der Region der Ölpreis eigentlich bei 100 Dollar pro Barrel liegen müsste.

      Waffe Energie

      In der heutigen globalisierten Welt ist es offensichtlich nicht möglich, die eigene Energieversorgung mit militärischen Mitteln allein zu sichern. Wie sieht es aber mit einer Strategie aus, die Kontrolle über wichtige Energieressourcen oder zentrale Elemente der internationalen Energieinfrastruktur als Waffe zu nutzen?

      Seit der ersten Ölkrise 1973, als die arabischen Ölstaaten die Lieferungen für die westliche Welt erst unterbrachen und dann die Preise anhoben, wird Öl als politische Waffe verwendet. So zündete Saddam Hussein nach der amerikanischen Invasion im Irak 1991 die Ölfelder im Süden des Landes an. Momentan droht der Iran im Streit um sein Nuklearprogramm damit, eine weltweite Ölkrise

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