Energiesicherheit. Sascha Müller-Kraenner

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Dabei könnte die Europäische Union mit ihrer Erfahrung regionaler wirtschaftlicher und politischer Integration ein Modell für die asiatischen Nationalstaaten in ihrem Ringen um Einflusssphären darstellen.

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       Die wichtigsten Gaspipelines im Westen Russlands

      Um die Startaufstellung des Großen Spiels zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die Karte der großen Öl- und Gaspipelines, die den eurasischen Doppelkontinent wie ein Spinnennetz überziehen. Die tragenden Fäden dieses Netzes gehen von Russland aus und befinden sich unter der Kontrolle der Pipelinemonopolisten Gazprom (Erdgas) und Transneft (Öl). Europa bezieht schon heute den Großteil seiner Erdgasimporte und einen wachsenden Anteil seines Öls über das russische Netz. China und die anderen Länder Ostasiens wollen demnächst ebenfalls von Russlands Reserven profitieren. Beide Seiten, sowohl Europäer als Asiaten, befürchten, dass ihre Abhängigkeit vom russischen Transportmonopol in Zukunft weiter wächst. Deswegen sind sie dabei, alternative Pipelinerouten zu errichten. Die USA importieren zwar bisher kaum Öl und Gas aus Russland, sehen aber den wachsenden regionalen Einfluss Moskaus mit Unbehagen. Außerdem möchte Washington den Zugang amerikanischer Firmen zu den Energiereserven Zentralasiens und des kaspischen Raums sichern. Die Amerikaner unterstützen deswegen den Wunsch der zentralasiatischen Staaten, sich aus der energiepolitischen Umklammerung Russlands zu befreien. Gleichzeitig versuchen die USA, dem wachsenden chinesischen Einfluss entgegenzutreten. Außerdem möchten die USA den Iran isolieren. Ein Blick auf die Landkarte zeigt allerdings, dass die Zahl der Landrouten für neue Pipelines, die sowohl um Russland und seine Verbündeten als auch um den Iran herumführen, begrenzt ist. Deswegen sind die USA bei der Auswahl ihrer Bündnispartner auch nicht wählerisch und lassen sich mit zweifelhaften Regimes wie der Regierung Alijev in Aserbaidschan oder dem autokratisch geführten Kasachstan ein.

      Die beiden zentralen Projekte der amerikanischen Zentralasienpolitik sind die schon erwähnte Baku-Tiflis-Ceyhan (BTC)-Pipeline und das Bündnis mit Kasachstan. Schon fertig gestellt ist die BTC-Pipeline, die Öl aus dem kaspischen Raum per Schiff in die aserbaidschanische Hauptstadt Baku und von dort über das georgische Tiflis zum türkischen Mittelmeerhafen Ceyhan transportiert. Eine weitere transkontinentale Gasleitung soll vom Osten Kasachstans über Usbekistan und Turkmenistan, unter dem Kaspischen Meer durch den südlichen Kaukasus und von dort in den Westen führen. Kasachstan hält sich allerdings auch die Bündnisoption mit Russland offen. So unterzeichnete der nationale Pipelinebetreiber am gleichen Tag, als US-Vizepräsident Cheney im Mai 2006 das Land besuchte, ein Abkommen mit Russland und China, um Öl von Westsibirien nach China zu exportieren. Auch Indien will den Ölimport aus Kasachstan und dem benachbarten Turkmenistan verstärken. Der Transport liefe über das bis heute von US- und NATO-Truppen politisch kontrollierte Afghanistan.

      Die energie- und sicherheitspolitischen Interessen der USA in der Region vermischen sich. Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 haben die USA ein Netz von Militärbasen in den zentralasiatischen Staaten ausgebaut. Der Kaukasusstaat Georgien soll sogar in die NATO aufgenommen werden. Die offizielle Begründung für das wachsende regionale Engagement der US-Militärs sind der islamische Terrorismus und der Militäreinsatz in Afghanistan. Gleichzeitig wird damit aber das geostrategische Terrain gegenüber den Großmachtkonkurrenten Russland und China abgesteckt.

      Während in den Staaten Ost- und Südasiens die Wirtschaft boomt, spitzen sich in den ehemaligen Sowjetrepubliken Zentralasiens ökonomische und politische Krisen zu. Turkmenistan und Kasachstan haben sich zwar zu bedeutenden Öl- und Gasexporteuren entwickelt, ihre interne wirtschaftliche Modernisierung ist aber stecken geblieben. Hinter der scheinbar friedlichen Fassade dieser autoritär geführten Länder wächst die Gefahr des politischen Extremismus. In Zentralasien versuchen alle Länder, die Begehrlichkeiten Russlands, Chinas und der USA gegeneinander auszuspielen. So beherbergt Kirgisien sowohl eine russische als auch eine amerikanische Militärbasis. Beide Basen liegen nur 25 km auseinander.

      Die Widersprüche der US-amerikanischen Zentralasienpolitik lassen sich anhand eines Besuchs von US-Vizepräsident Cheney in der Region erzählen. Im Mai 2006 reiste Cheney nach Osteuropa und Zentralasien. In Zagreb traf er sich mit den Verteidigungsministern Kroatiens, Mazedoniens und Albaniens und versprach ihren Ländern die baldige Aufnahme in die NATO. Die Erweiterung der NATO, vor allem um die Staaten der ehemaligen sowjetischen Einflusszone, ist erklärtes Ziel der USA. Einerseits wollen die USA die NATO von einer rein transatlantischen Organisation zu einem globalen Bündnis der Demokratien ausbauen, andererseits verbindet sich damit eine geostrategische Eindämmungsstrategie gegenüber den Konkurrenten Russland und China. Der Faktor Energie spielt eine Schlüsselrolle. Von Zagreb reiste Cheney nach Vilnius weiter. In der litauischen Hauptstadt hielt er eine Rede auf die Demokratie in Osteuropa und kritisierte die Außenpolitik Russlands. Er warf Russland vor, seine Öl- und Gasexporte »als Mittel der Einschüchterung und Erpressung zu verwenden, entweder durch den Versuch, das Angebot zu manipulieren oder den Transport zu monopolisieren«. Damit hatte Cheney in der Sache Recht. Sein Plädoyer für mehr Demokratie und freie Märkte kontrastierte jedoch auffällig mit der nächsten Station seiner Reise, einem Besuch in der kasachischen Hauptstadt Astana.

      Das Schlüsselland für die wirtschaftliche und politische Zukunft Zentralasiens ist Kasachstan. Der Präsident Kasachstans, Nursultan Nasarbajev, wurde im Dezember 2005 mit 91 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Seit 1989 steht er unangefochten an der Spitze des Landes. Davor, in der Sowjetunion, war er Spitzenfunktionär in der Kommunistischen Partei. Von Demokratie war bei Cheneys Besuch weniger die Rede. Denn Kasachstan hat Öl.

      Kasachstan ist ein säkulares muslimisches Land in einem schwierigen außenpolitischen Umfeld und mit einer sich verschlechternden Menschenrechtssituation. Aber Kasachstan ist auch eines der rohstoffreichsten Länder der Erde. Am wichtigsten allerdings sind die großen Öl- und Gasfelder, die unter dem Kaspischen Meer liegen. Kasachstan produzierte im Jahr 2005 1,2 Millionen Barrel Öl. Im Jahr 2010 will Kasachstan die Ölexportriesen Kuwait und Nigeria überholen. Bis 2015 soll die Produktion auf drei Millionen Barrel gesteigert werden. Die Ölexporte Kasachstans werden künftig vor allem nach China gehen. Auch die USA haben Interesse bekundet. Chinas Rolle als Konkurrent um die Ölreserven im Nahen Osten wird dadurch abgemildert.

      Außenpolitisch zeigt sich Kasachstan nach allen Seiten offen. Kasachische Ölkonzerne investieren in Osteuropa und in den asiatischen Nachbarländern. Dort machen sie auch Russland Konkurrenz. An seinem Öl- und Gasreichtum haben China und Indien, aber auch der Westen Interesse. Russland braucht zwar kein Öl aus Kasachstan, spielt aber durch seine Kontrolle des zentralasiatischen Pipelinenetzes eine Schlüsselrolle beim Export. Einen wirtschaftlichen, aber vor allem energiepolitischen Zusammenschluss der beiden Energiegroßmächte Kasachstan und Russland möchten die USA aber auf jeden Fall verhindern.

      Wo bleibt Europa?

      Kann Europa beim großen Spiel um die weltweiten Energieressourcen mithalten? Sollte Europa nach denselben, oftmals brutalen Regeln spielen oder sich für einen anderen Weg zum Ziel einer sicheren, bezahlbaren und umweltfreundlichen Energieversorgung entscheiden?

      Seitdem mit dem Vertrag von Maastricht eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der Europäischen Union begründet wurde, hat sie sich von Problem zu Problem weiterentwickelt. Das Ziel der nachhaltigen Entwicklung steht, auch im Bezug auf die europäische Außenpolitik, schon im Maastricht-Vertrag. Klimaschutz und Energiesicherheit werden als Herausforderungen der EU-Sicherheitsstrategie von 2003 benannt.

      Geographisch wächst die EU-Außenpolitik in konzentrischen Kreisen. In ihrer unmittelbaren Nachbarschaft, in Osteuropa oder im Mittelmeerraum ist die EU schon heute zum bestimmenden Faktor geworden. Weltweit gesehen ist die EU jedoch gerade erst aus den politischen Kinderschuhen herausgewachsen. Dabei ist sie in der internationalen Handelspolitik schon heute eine Weltmacht. Neben den USA, China sowie einigen großen Entwicklungsländern ist die EU der entscheidende

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