Energiesicherheit. Sascha Müller-Kraenner
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Innerhalb des Arktischen Rats ist es vor allem die Regierung Kanadas, die den Klimawandel in der Region zu einem Thema ihrer öffentlichen Diplomatie gemacht hat. Die Regierung in Ottawa arbeitet dabei eng mit dem Sekretariat des Rats in Kopenhagen, Indigenenvertretern und Nichtregierungsorganisationen zusammen. Im Rahmen einer Medienkampagne hat der Arktische Rat außerdem die »New York Times« auf seine Seite gebracht, die seit anderthalb Jahren kontinuierlich über die Problematik berichtet. Andere internationale Medien, die sich gern von der »New York Times« inspirieren lassen, greifen das Thema seitdem auf.
Für die indigenen Kulturen der Arktis beschleunigen die Klimaveränderungen den Wandel, dem sie ohnehin ausgesetzt sind. Die Ökonomie, aber auch die Kultur der Inuit beispielsweise ist eng mit der Nutzung weniger Tierarten verbunden. Der Rückgang der Meeressäuger, aber auch des Fischereiertrags führt zur Umstellung der Ernährung auf importierte verarbeitete Lebensmittel. Damit einher geht das Ansteigen von Zivilisationskrankheiten. Gebrauchsgegenstände und Kunsthandwerk aus tierischen Produkten bildeten die zweite Basis der Inuit-Ökonomie. Auch diese Grundlage einer selbst versorgenden Ökonomie ist bedroht, ohne dass Alternativen sichtbar wären.
Aber auch die Grundlagen der modernen Ökonomie sind in der sich wandelnden Arktis gefährdet. In der Russischen Föderation ist die Industrialisierung der Arktis – und damit die Ablösung indigener Ökonomien – schon seit Sowjetzeiten deutlich weiter fortgeschritten als in Kanada, Alaska oder den skandinavischen Staaten. Im arktischen Teil Sibiriens werden Öl und Gas gefördert, in der Tundra wird im großen Stil Forstwirtschaft betrieben. Durch den Klimawandel wird auch diese Nutzung vor neue Herausforderungen gestellt. Industrieanlagen, Wohngebäude, Straßen, Flughäfen und Pipelines sind alle auf Permafrostboden gebaut. Wenn dieser sonst dauerhaft gefrorene Boden wegen der wärmer werdenden Temperaturen im Sommer anfängt zu schmelzen, werden Fundamente und Verkehrswege beschädigt. Gebäudeschäden sind inzwischen in allen arktischen Siedlungsanlagen Russlands zu besichtigen. Neuere Industrieanlagen haben Fundamente, die durch den Permafrost hindurchreichen. Sie sind aber nur mit immensen Kosten zu errichten.
Die Eindämmung der Klimakatastrophe
Ein Anstieg des Meeresspiegels um einen Meter, wie er möglicherweise schon bis Ende dieses Jahrhunderts zu erwarten ist, ließe sich durch normale Küstenschutzmaßnahmen, wie Dammbauten, nicht mehr bewältigen. Flache Küstenregionen und kleine Inselstaaten wie die Malediven, Tuvalu oder Tonga würden ganz oder teilweise überflutet und verschwinden. Die Folge wären regionale Konflikte um die knapper werdenden Flächen an bebaubarem und landwirtschaftlich nutzbarem Land sowie Flüchtlingsströme aus den betroffenen Regionen.
Das Office of Net Assessment (ONA) ist der interne Thinktank des – besser als Pentagon bekannten – US-Verteidigungsministeriums. Aufgabe des ONA ist es, über langfristige Gefahren nachzudenken, die den USA und ihrer Sicherheit drohen könnten. Ende 2003, als in der Führungsspitze des Pentagon der Krieg im Irak und der Kampf gegen den Terrorismus geplant wurde, veröffentlichte das ONA einen Bericht über die Klimakatastrophe. Die Vordenker des Pentagon befürchten ein Schreckensszenario aus Naturkatastrophen, Flüchtlingsströmen und Ressourcenkriegen, das schon in den nächsten 20 Jahren zu Millionen von Toten führen könnte. Wie aber werden die USA sich gegen diese neue Gefahr wappnen? Eine Möglichkeit wäre, durch vorsorgende Politik das Risiko bleibender Klimaschäden und deren sicherheitspolitischer Folgen zu verringern. Möglich wäre aber auch, um das eigene Land einen Schutzwall zu errichten – nicht nur gegen die steigenden Wassermassen, sondern auch gegen die Flüchtlinge aus den Teilen der Welt, die sich teure Anpassungsstrategien und Umsiedlungsmaßnahmen für die betroffene Bevölkerung nicht leisten können. Die Frage ist, ob wir in solch einer Welt leben möchten. Ein Schutzwall gegen die Umweltflüchtlinge der Zukunft ließe sich wohl nur durch eine Diktatur nach innen und militärische Mittel nach außen aufrechterhalten.
Längst beschäftigen sich auch die Schöpfer der Fantasiewelten Hollywoods mit solchen Schreckensszenarien. In seinem Film »The Day After Tomorrow« erzählt der Filmproduzent Roland Emmerich die Geschichte eines Klimaforschers, der – wie der Rest der Welt – vom Einsetzen eines abrupten Klimawandels überrascht wird. Es kommt zu riesigen Stürmen, Los Angeles wird von Tornados verwüstet, New York versinkt unter einer gigantischen Flutwelle, und eine Eiszeit bricht über die gesamte Nordhalbkugel der Erde herein. Auf der Flucht kommt auch der Vizepräsident der USA ums Leben. Wenn man seine Gesichtszüge betrachtet, so sieht er Präsident George W. Bushs Vizepräsident Dick Cheney ähnlich. Cheney, selbst ehemaliger Spitzenmanager des Ölserviceunternehmens Halliburton, ist einer der Architekten der aktuellen Energiepolitik der USA. Sein Energieplan setzt auf Erhöhung des Angebots, vor allem durch die Erschließung zusätzlicher Lagerstellen fossiler Energien, statt auf Energiesparmaßnahmen und Klimaschutz.
Vom Klimawandel besonders betroffen sind die Bewohner von Küsten und erosionsgefährdeten landwirtschaftlichen Anbaugebieten, ebenso wie die Bewohner besonders empfindlicher Ökosysteme der Tropen und der Arktis. Doch während den indigenen Völkern zusammen mit der einheimischen Fauna die Lebensgrundlage wegschmilzt, wittern Anrainerstaaten wie Russland sogar neue wirtschaftliche Möglichkeiten. Russland und die USA setzen darauf, dass bei weiter ansteigenden Temperaturen die Schifffahrtswege der Arktis zukünftig auch im Winter offen bleiben werden. Dann könnten Öl und Flüssiggas aus der nordamerikanischen Arktis und aus dem russischen Eismeer per Tanker ungehindert auf den Weltmarkt fließen. Während einzelne findige Unternehmen vom Klimawandel profitieren könnten, sind sich Wirtschaftswissenschaftler – beispielsweise der Yale-Ökonom William Nordhaus – einig, dass die Gesamtkosten der zu erwartenden Klimaveränderungen in jedem Fall deutlich über dem Gewinn aus möglichen positiven Effekten liegen werden. Der ehemalige Chefökonom der Weltbank, Nicholas Stern, errechnete im Auftrag der britischen Regierung volkswirtschaftliche Kosten des Klimawandels von 5–20 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung. Nicht eingerechnet sind dabei die Kosten von Kriegen und Krisen, zu denen es bei den zu erwartenden politischen Verwerfungen kommen dürfte.
Wie der Zusammenbruch einer modernen Gesellschaft im Zeichen der Klimakatastrophe aussehen könnte, ließ sich besichtigen, nachdem der Hurrikan Katrina im August 2005 die Stadt New Orleans und weite Teile der US-Golfküste zerstört hatte. Amerikanische Umweltschützer stellten unmittelbar nach dem Sturm die Frage, welchen Anteil der globale Klimawandel an Katrina gehabt haben könnte. Auch wenn sich individuelle Naturereignisse nie eindeutig dem langfristigen Trend weltweiter Erderwärmung zuordnen lassen, so gibt es doch klare statistische Hinweise dafür, dass die Intensität der Stürme im subtropischen Wettersystem der Karibik in den letzten Jahrzehnten konstant gestiegen ist. Die Klimaforschung vermutet den Grund darin, dass die gestiegene Oberflächentemperatur des Meerwassers im Golf von Mexiko Instabilitäten in der unteren Atmosphäre und dadurch eine schnellere Bewegung der Luftmassen bewirkt. Das nationale Hurrikan-Zentrum der USA behauptet, dass Zahl und Intensität der Stürme als Teil eines natürlichen Zyklus schwanken. Dieser Zyklus wird aber offenbar durch den menschengemachten Klimawandel überlagert, der seine Spitzenausschläge verstärkt.
Schließlich zeigt Katrina, wie teuer es sein wird, die Küsten der Welt vor den steigenden Fluten und wachsenden Stürmen des Treibhauszeitalters zu schützen. Selbst wenn es den USA gelingt, das wieder aufgebaute New Orleans mit Dämmen nach niederländischem Vorbild vor dem nächsten Sturm der Kategorie 5 zu sichern, so fehlen zahlreichen Küsten- und Inselstaaten der Dritten Welt die Mittel für solch kostspielige Infrastrukturinvestitionen. Die Bahamas und Bangladesh können sich nicht mit Dämmen umgeben. Deswegen drängen diese Länder in den internationalen Klimaverhandlungen seit Jahren auf die Einrichtung eines Investitionsfonds, um Schutzmaßnahmen gegen den Klimawandel bezahlen zu können.