Die Chinesische Truhe. Bernhard Trenkle
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Kapitel 5 wurde von Bernhard Trenkle, Vorstand der International Society of Hypnosis (ISH), verfasst. Er stellt im Text die Umstände unserer Begegnung dar und berichtet, wie er die Chinesische Truhe kennengelernt hat, wie er sie anwendet und mit anderen Therapiemethoden verknüpft.
Bernhard Trenkle ist einer meiner Mentoren im Bereich Psychotherapie und genießt international einen prominenten Ruf als Hypnotherapeut. Er schätzt die Chinesische Truhe unter anderem aufgrund der wissenschaftlichen Bindung an die hypnotherapeutische Praxis. Da Ost und West unterschiedliche Sichtweisen und Schwerpunkte in der Forschung der Humanwissenschaften vertreten, zeigt Bernhard Trenkles Verständnis und Interpretation der Chinesischen Truhe seinen eigenen unverwechselbaren Stil. Dafür interessiere ich mich besonders, wie es auch umgekehrt der Fall ist. Dieses wechselseitige Interesse ist der Hauptgrund, warum ich ihn eingeladen habe, an diesem Buch mitzuwirken, und warum er meine Einladung mit Freude angenommen hat. Wie er sagt, ist die Verbreitung der Chinesischen Truhe außerhalb des chinesischsprachigen Raums »ein gutes Beispiel für die Begegnung und die Bereicherung unterschiedlicher Weltkulturen«.
Es ist über zehn Jahre her, dass die Chinesische Truhe erstmals veröffentlicht wurde. Als junge Therapietechnik wird sie sich noch weiterentwickeln und verfeinern. Ich wünsche mir zahlreiche Rückmeldungen und Anregungen von interessierten Lesern, damit diese Technik weiter perfektioniert werden kann.
Tianjun LIU
1Grundbegriffe
Die Chinesische Truhe wurde von Tianjun Liu, dem Erstautor dieses Buches, zum ersten Mal 2008 auf dem 5. Internationalen Psychotherapie-Kongress in Peking als »die Truhe leeren« oder »leere Truhe« vorgestellt. 2009 wurde die Technik in »Leere-Technik« umbenannt und 2012 in einer chinesischen Fachzeitschrift beschrieben. Tianjun Liu und seine Mitarbeiter haben seitdem im Klinikalltag weiter schrittweise an der Entwicklung und Verfeinerung der Methode gearbeitet und mehrere Fachartikel dazu veröffentlicht. Im Folgenden wird die Methode als Chinesische Truhe vorgestellt (Anm. d. Übers.).
1.1Definition
Die Chinesische Truhe findet ihre Wurzeln in der traditionellen chinesischen Medizin (TCM). Sie geht von der Vorstellung des »Shen«1 als Voraussetzung für alle Behandlungen aus und integriert Kerntechniken wie »Cunxiang« (vertiefende Imagination; vgl. Abschnitt 1.2.3) und »Ruhen/Meditieren« (vgl. Abschnitt 1.3.2) aus dem »Xiulian«2, dem mentalen Training des antiken China. Der Therapeut unterstützt den Klienten dabei bewusst, seine Imaginationsfähigkeit zu stärken. Die zu bewältigenden psychischen Störungen und psychosomatischen Beschwerden werden als Symbole konkretisiert und dann von einem extra dazu geschaffenen Träger aufgenommen.3 Im Anschluss wird der imaginierte Träger mitsamt dem Symbol wiederholt auf unterschiedliche imaginäre Entfernungen bewegt. Das Symbol und der Träger werden während der Bewegung in der Vorstellung quantitativ/qualitativ verändert oder auch völlig eliminiert und so die Beschwerden bzw. deren negative Einflüsse reduziert oder remittiert.
1.2Schlüsselbegriffe
1.2.1Leere(n) (
»Leere(n)« steht sowohl für das Ziel, ohne Wünsche, ohne Bedürfnisse, ohne Beschwerden zu sein, als auch für die Handlung (Bewegung ins Leere).
1.2.2Shen-Behandlung (
Der Begriff des »Shen« in der TCM unterscheidet sich von den Vorstellungen zu Bewusstsein und Psyche in der modernen Psychologie. In der chinesischen Medizin bilden Geist/Seele und Form eine Einheit. »Shen« stellt die Essenz aller Lebensaktivitäten dar, die fünf inneren Organe4 verfügen über »Shen« (siehe Kap. 4); die Unterscheidung zwischen Körper und Psyche spielt keine wesentliche Rolle. Ein weiser TCM-Arzt beginnt jede Behandlung mit der Behandlung von »Shen«, wir würden sagen, mit der Behandlung der Seele. Anders als in der westlichen Psychotherapie bedeutet dies, nicht nur die psychischen Beschwerden zu adressieren, sondern den Menschen als eine Einheit, ein Ganzes zu betrachten und entsprechend zu unterstützen.
1.2.3Cunxiang5 / Vertiefende Imagination (
Die »vertiefende Imagination« und die Meditation sind in Buddhismus und Daoismus des antiken China zwei Wege, psychische Vorgänge zu regulieren und sich körperlich und mental zu stärken.
Beim Cunxiang wird, ähnlich wie im Prozess der intensiven Imagination in der westlichen Psychologie, ein Gegenstand klar, konkret und lebhaft imaginiert. Beispielsweise wird das Bild der Mutter im nüchtern-wachen Zustand als Produkt der Vorstellungskraft im Kopf wahrgenommen (»Wahrnehmungsbild«), während das Bild der Mutter im Traum dem Erleben der vertieften Imagination entspricht, einem »Objektbild«. Das sogenannte »Objektbild« ist so lebendig und gegenwärtig, dass es beim Cunxiang als Realität wahrgenommen wird.
1.2.4In Ruhe (
Im intensiven meditativen Zustand, im Ruhen, hören alle bewussten kognitiven Aktivitäten auf. Das »Ruhen«6 kann hier ein leerer Bewusstseinszustand sein, der sich einstellt, wenn das Denken aufgehört hat. Es kann auch den Prozess bedeuten, in dem das Denken langsam aufhört. Denken ist eine Aktivität, aber nicht ausschließlich eine bewusste. Auch wenn das bewusste Denken aufhört, besteht das Bewusstsein weiterhin.
1.2.5Die therapeutische Beziehung (
Der gemeinsame Arbeitsgegenstand bei der Behandlung mit der Chinesischen Truhe ist die Entwicklung der Imagination von Symbol und Träger. Der Therapeut lädt den Klienten ein, zu imaginieren. Dabei werden Anliegen, Fragen, Schilderungen, Wünsche und Emotionen des Klienten ernst genommen, seine innere Welt findet Gehör; die Durchführung der Technik wird trotz der Standardisierung des Verfahrens individuell auf ihn abgestimmt. Die Arbeitsatmosphäre kann dabei seriös oder locker sein, sogar lustig, es kann auch gemeinsam gelacht werden. Es gibt dennoch eine eindeutige Arbeitsteilung und der Klient wird bei seiner Aufgabe klar angeleitet. Seine aktive Beteiligung regt, verbunden mit der Führung durch den Therapeuten, das Selbstwirksamkeitsgefühl an.
Bei der Anwendung der Chinesischen Truhe besteht zwischen dem Behandler und dem zu Behandelnden eine kooperative Beziehung. Dabei gibt der Therapeut die Anweisungen, der