Tuareg. Alberto Vazquez-Figueroa

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Tuareg - Alberto Vazquez-Figueroa Novelas

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ihren Frauen sogar, unverschleiert, mit nackten Armen und Beinen zwischen den Palmen herumzulaufen. Es kümmerte sie nicht, daß die Soldaten seit Jahren keine Frau gehabt hatten. Wenn sich einer der Kerle eine Frechheit herausnahm, griffen die Tuareg sofort zu ihrem scharfen Dolch oder zum Gewehr.

      Seitdem vor Jahren bei einer Auseinandersetzung zwei Tuaregkrieger und drei Soldaten umgekommen waren, zogen die »Söhne des Windes« es vor, einen Bogen um die Garnison zu machen. Doch nun kam jener einsame Reiter unbeirrt näher. Gerade überquerte er den Kamm der letzten Düne und hob sich deutlich mit seinen flatternden Gewändern vom Abendhimmel ab. Wenig später verschwand er zwischen den Palmen. Am nördlichen Brunnen hielt er an, kaum hundert Meter von den ersten Baracken entfernt.

      Malik hatte es nicht eilig. Er rutschte den Abhang der Düne hinab, ging quer durch das Lager und trat zu dem Targi, der gerade sein Mehari tränkte. Manche dieser Tiere konnten bis zu hundert Liter Wasser auf einmal zu sich nehmen.

      »Assalamu aleikum!« grüßte Malik. »Assalam!« erwiderte Gacel.

      »Ein schönes Kamel hast du da - und ein sehr durstiges.«

      »Wir kommen von weit her.« »Woher?« »Von Norden.«

      Sergeant Malik-el-Haideri haßte den Gesichtsschleier der Tuareg, denn er wollte immer wissen, mit wem er es zu tun hatte, und versuchte stets, vom Gesichtsausdruck anderer Menschen abzulesen, ob sie die Wahrheit sagten oder schwindelten. Bei den Tuareg war dies jedoch nie möglich, denn ihr Gesichtsschleier hatte nur einen schmalen Spalt für die Augen - und diese Augen kniffen sie außerdem beim Reden zusammen oder schlössen sie sogar ganz. Auch der Klang ihrer Stimme wurde durch den Schleier entstellt. Malik mußte sich deshalb mit der Antwort zufriedengeben, zumal er selbst gesehen hatte, daß der Targi von Norden her gekommen war. Wie hätte er auch ahnen können, daß Gacel in einem großen Bogen um die Oase herumgeritten und in Wirklichkeit aus Süden gekommen war?

      »Wohin willst du?«

      »Nach Süden.« Gacels Mehari hatte sich inzwischen zufrieden und mit prall gefülltem Bauch hingelegt. Er selbst machte sich daran, ein wenig Reisig für ein kleines Lagerfeuer zu sammeln.

      »Du kannst mit den Soldaten essen«, meinte Malik. Gacel schlug eine Decke zurück, und eine halbe Antilope kam zum Vorschein. Sie war mit geronnenem Blut überkrustet, aber das Fleisch war noch saftig. »Wenn du willst, kannst du mit mir essen - als Gegenleistung für dein Wasser.«

      Sergeant Malik spürte, wie ihm das Wasser im Mund zusammenlief. Seit zwei Wochen hatten seine Männer kein einziges Stück Wild erlegt, denn im Lauf der Jahre waren die wilden Tiere immer weiter in die Wüste zurückgedrängt worden, und unter den Soldaten gab es keinen einzigen echten Beduinen, der mit der Wüste und deren Bewohnern vertraut war.

      »Das Wasser gehört allen«, erwiderte Malik. »Aber deine Einladung nehme ich gerne an. Wo hast du die Antilope geschossen?«

      Gacel lächelte innerlich über die plumpe Falle. »Im Norden«, antwortete er.

      Als er genügend Zweige gesammelt hatte, setzte er sich auf die Decke. Er nahm Feuerstein und Lunte zur Hand, aber Malik hielt ihm eine Schachtel Streichhölzer hin.

      »Nimm die hier«, sagte er. »Damit geht es viel leichter.«

      Wenig später, als Gacel ihm die Streichhölzer zurückgeben wollte, wies er sie zurück: »Behalte sie! Im Lagerschuppen gibt es jede Menge davon.«

      Malik hatte sich Gacel gegenüber niedergelassen und schaute zu, wie dieser die Keulen der Antilope auf den Ladestock seines alten Gewehres spießte, um sie langsam über dem kleinen Feuer zu braten.

      »Suchst du im Süden Arbeit?«

      »Nein, ich suche eine Karawane.«

      »Um diese Zeit kommen hier keine Karawanen durch. Die letzte hat vor einem Monat bei uns haltgemacht.«

      »Meine Karawane wartet auf mich«, war die rätselhafte Antwort. Und da der Sergeant ihn verständnislos anstarrte, fügte Gacel im selben Tonfall hinzu: »Sie wartet schon seit fünfzig Jahren auf mich.«

      Jetzt schien Malik zu begreifen. Er betrachtete den Targi eingehender. »Die Große Karawane!« rief er schließlich aus. »Suchst du etwa nach der sagenumwobenen Großen Karawane? Du bist verrückt!«

      »Es ist keine Sage. Mein Onkel war mit dabei. Außerdem bin ich nicht verrückt!

      Mein Vetter Suleiman, der für einen Hungerlohn Ziegelsteine schleppt - der ist verrückt!«

      »Viele haben schon nach der Karawane gesucht, aber kein einziger ist lebend zurückgekehrt.«

      Gacel wies mit einer Kopfbewegung auf die mit Steinen bedeckten Gräber, die zwischen den spärlichen Palmen hindurch am anderen Ende der Oase zu erkennen waren. »Sie sind bestimmt nicht toter als die dort drüben, aber wenn sie die Karawane gefunden hätten, wären sie steinreich geworden.«

      »Das >Land der Leere< kennt keine Gnade, dort gibt es kein Wasser und keine einzige Pflanze, von der sich dein Kamel ernähren könnte. Nirgends findest du Schatten oder einen Orientierungspunkt, an den du dich halten könntest. Es ist die Hölle!«

      »Das weiß ich«, bestätigte der Targi. »Ich war schon zweimal dort.«

      »Du warst im >Land der Leere<?« fragte Malik ungläubig.

      »Ja, zweimal.«

      Der Sergeant brauchte Gacels Gesicht nicht zu sehen, um zu begreifen, daß er die Wahrheit gesagt hatte. Maliks Interesse war erwacht, denn er lebte schon lange genug in der Sahara, um vor einem Mann Hochachtung zu empfinden, der sich ins »Land der Leere« begeben hatte und heil zurückgekehrt war. Solche Männer konnte man zwischen Marokko und Ägypten an den Fingern einer einzigen Hand abzählen. Nicht einmal Mubarrak-ben-Sad, der der Garnison offiziell als Führer in der Wüste diente und der als einer der besten Kenner dieses von Geröll und Sand bedeckten Landes galt, konnte sich einer solchen Leistung rühmen.

      »Aber ich kenne einen, der es geschafft hat«, hatte Mu-barrak dem Sergeanten irgendwann einmal während einer ausgedehnten Expedition zum Huaila-Massiv versichert. »Ich kenne einen amahar vom Kel-Tagelmust, der war dort und ist sogar wieder zurückgekehrt...«

      »Was fühlt man, wenn man mittendrin ist?« wollte Malik wissen.

      Gacel warf ihm einen langen Blick zu, dann antwortete er achselzuckend: »Nichts.

      Man muß alle Gefühle draußen lassen. Auch alle Ideen und Vorstellungen muß man draußen lassen. Es kommt darauf an, wie ein Stein zu leben, und man darf keine einzige überflüssige Bewegung machen, die den Wasserverbrauch erhöht.

      Sogar nachts muß man sich so langsam bewegen wie ein Chamäleon. Nur wenn es dir gelingt, dich gegen Hitze und Durst unempfindlich zu machen, hast du eine winzige Überlebenschance. Aber vor allem muß man die Todesangst überwinden und ruhig bleiben.«

      »Warum hast du das getan? Warst du auf der Suche nach der Großen Karawane?«

      »Nein, ich suchte in mir nach den Spuren meiner Vorfahren. Sie haben das >Land der Leere< besiegt.«

      Malik schüttelte abwehrend den Kopf. »Niemand besiegt das >Land der Leere<«, sagte er voller Überzeugung. »Der Beweis dafür ist, daß alle deine Vorfahren tot sind, aber das >Land der Leere<

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