Tuareg. Alberto Vazquez-Figueroa

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Tuareg - Alberto Vazquez-Figueroa Novelas

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eine einzige Oase geworden ist, erst wenn das Wasser in Strömen durch die seguias fließt und der Regen so reichlich auf unsere Köpfe fällt, wie wir es uns wünschen - erst dann werden sich die Sitten und Gebräuche der Tuareg ändern. Vorher nicht!«

      Mubarrak wirkte äußerlich ruhig, als er fragte: »Soll das heißen, daß du gekommen bist, um mich zu töten?«

      »Ja, deshalb bin ich hier.«

      Mubarrak nickte schweigend. Er hatte verstanden. Mit einem langen Blick umfaßte er alles, was ihn umgab. Er betrachtete die noch feuchte Erde und die winzigen Knospen der achab, die zwischen Steinen und Geröll zum Licht strebten.

      »Der Regen war schön«, sagte er schließlich.

      »Sehr schön.«

      »Bald wird die ganze Ebene blühen, aber einer von uns beiden wird es nicht mehr sehen.«

      »Daran hättest du denken müssen, bevor du die Fremdlinge zu meinem Zeltlager führtest.«

      Unter dem Schleier verzogen sich Mubarraks Lippen zu einem kleinen Lächeln.

      »Da hatte es noch nicht geregnet«, erwiderte er. Dann griff er nach seiner takuba und zog den geschmiedeten Stahl ganz langsam aus der Lederscheide. »Ich hoffe von ganzem Herzen, daß dein Tod keinen Krieg zwischen unseren Stämmen auslöst«, fuhr er fort.« Niemand außer uns selbst soll für unsere Fehler bezahlen.«

      »So sei es!« bestätigte Gacel. Er beugte sich vor und wartete auf den Angriff des anderen.

      Der ließ jedoch auf sich warten, denn sowohl Mubarrak als auch Gacel waren keine Krieger mehr, die mit Schwert und Lanze fochten, sondern Männer, die sich an Feuerwaffen gewöhnt hatten. Im Lauf der Zeit waren die langen takubas zur reinen Zierde verkümmert. Sie wurden nur noch bei Feiern, an Festtagen und anläßlich von unblutigen Schaukämpfen eingesetzt. Bei solchen Kämpfen ging es mehr um den äußeren Effekt als um die Absicht, den Gegner zu verwunden: Die Schwerthiebe prallten von ledernen Schutzschilden ab wurden geschickt pariert.

      Doch jetzt gab es keine Schilde und auch keine Zuschauer, die die Zweikämpfer bewunderten, welche aufeinander einschlugen, daß die Funken sprühten, zugleich jedoch darauf bedacht waren, sich gegenseitig nicht zu verletzen. Nein, diesmal standen sich zwei Feinde mit der Waffe in der Hand gegenüber, und jeder der beiden war entschlossen, den anderen zu töten, um nicht selbst getötet zu werden.

      Wie konnte ein Schlag ohne Schild pariert werden? Wie konnte man aufeinander losgehen oder einen Sprung rückwärts machen, ohne sich eine Blöße zu geben, wenn der Gegner einem keine Zeit ließ, auf die eigene Deckung zu achten?

      Die beiden Tuareg blickten sich in die Augen, jeder versuchte, die Absicht des anderen zu erraten. Langsam und vorsichtig umkreisten sie sich, während aus den khaimas Männer, Frauen und Kinder traten, um ihnen sprachlos vor Staunen zuzusehen. Es wollte ihnen nicht in den Kopf, daß es sich hier nicht um ein spielerisches Duell, sondern um einen Kampf auf Leben und Tod handelte.

      Schließlich wagte Mubarrak den ersten Ausfall, der eher wie eine schüchterne Frage wirkte, als wollte er herausfinden, ob es bei diesem Zweikampf wirklich um Sein oder Nichtsein ging.

      Die Erwiderung - sie zwang ihn, einen Satz rückwärts zu machen, um der wütenden Klinge seines Gegners um Haaresbreite zu entgehen - ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren. Gacel Sayah, amahar des gefürchteten Volkes vom Kel- Tagelmust, trachtete ihm nach dem Leben, daran war nicht zu zweifeln. In dem beidhändig geführten Schlag, den er soeben ausgeteilt hatte, hatte soviel Rachsucht und Haß gelegen, als wären jene beiden Unbekannten, denen er vor nicht allzulanger Zeit Schutz gewährt hatte, seine Lieblingssöhne gewesen und als hätte Mubar-rak-ben-Sad die beiden eigenhändig ermordet.

      Gacel empfand jedoch keinen echten Haß. Er war nur darauf aus, die Gerechtigkeit wiederherzustellen, und es wäre ihm nicht edelmütig erschienen, einen anderen Targi zu hassen, nur weil er seine Arbeit verrichtet hatte, mochte diese Arbeit auch falsch und verächtlich sein. Außerdem wußte Gacel, daß Haß genau wie Angst, Unbesonnenheit, Liebe oder jedes andere tief empfundene Gefühl ein schlechter Begleiter für einen Mann der Wüste war. Um in diesem Land, das das Schicksal ihm zur Heimat bestimmt hatte, zu überleben, bedurfte es großer Ruhe und Gelassenheit. Hier brauchte man Kaltblütigkeit und Selbstbeherrschung. Diese Eigenschaften mußten stets stärker sein als jedes Gefühl, das einen Mann dazu verleiten konnte, Fehler zu machen, denn die meisten Fehler waren nicht wieder gutzumachen.

      Gacel fühlte sich in diesem Augenblick als Richter, vielleicht auch als Scharfrichter, aber weder der eine noch der andere hatte Veranlassung, sein Opferzu hassen. Die Wucht des doppelhändigen Schwerthiebes und der Ingrimm, mit dem er geführt worden war, stellten in Wirklichkeit nur eine Warnung dar. Er war eine klare Antwort auf eine unzweideutige Frage des Gegners gewesen. Wieder griff Gacel an, und dabei wurde ihm schlagartig bewußt, wie unangemessen sein langes Gewand, der voluminöse Turban und der breite Schleier für einen solchen Kampf waren. Die gandura wickelte sich um Arme und Beine, die nails mit ihrer dicken Sohle und den dünnen Riemen aus Antilopenleder rutschten auf dem von scharfkantigen Steinen übersäten Boden, und der litham hinderte ihn daran, die Lage deutlich zu überblicken und seine Lungen mit soviel Sauerstoff zu füllen, wie er ihn gerade jetzt benötigte.

      Mubarrak war jedoch genauso gekleidet, und folglich bewegte er sich ebenso unsicher.

      Die stählernen Klingen teilten die Luft, ihr böses Zischen erfüllte die Stille des Morgens. Eine zahnlose Alte schrie entsetzt auf und flehte die Umstehenden an, jemand möge doch diesen räudigen Schakal umbringen, der im Begriff sei, ihren Sohn zu ermorden.

      Mubarrak hob mit einer gebieterischen Geste den Arm. Niemand rührte sich. Der Ehrbegriff der »Söhne des Windes«, der sich so sehr von dem der Beduinen unterschied -diese waren »Söhne der Wolken« und lebten in einer Welt aus Niedrigkeit und Verrat -, dieser Ehrbegriff forderte, daß ein Kampf zwischen zwei Kriegern mit Würde und Edelmut ausgetragen wurde, mochte er auch für einen der beiden den Tod bringen.

      Gacel war auf unverzeihliche Weise beleidigt worden. Deshalb mußte er den Beleidiger töten. Er vergewisserte sich, daß er einen festen Stand hatte, holte tief Luft, stieß einen Schrei aus und stürzte vor. Seine Waffe zielte auf die Brust des Gegners, doch dieser schlug sie mit einem harten, trockenen Schlag seines eigenen Schwertes beiseite.

      Wieder standen sie sich reglos gegenüber und blickten sich an. Dann hob Gacel seine takuba hoch über den Kopf, als wäre sie ein großer Hammer. Mit beiden Händen führte er den Schlag von oben nach unten und drehte sich dabei einmal um die eigene Achse. Jeder Anfänger in der Kunst des Fechtens hätte diese Unvorsichtigkeit ausgenutzt, um ihn mit einem gerade geführten Stoß zu erledigen, doch Mubarrak begnügte sich damit, rasch auszuweichen und abzuwarten. Er verließ sich mehr auf seine Kraft als auf seine Geschicklichkeit. Er packte seine Waffe mit beiden Händen und führte einen seitlichen Schlag, der so wuchtig war, daß er die Taille eines stärkeren Mannes als Gacel durchtrennt hätte, doch Gacel stand nicht mehr an der Stelle, an der er soeben noch gestanden hatte. Schon brannte die Sonne heiß vom Himmel herab. Die beiden Kämpfer waren schweißüberströmt, ihre feuchten Hände umschlossen mit unsicherem Griff die metallenen Knäufe der Schwerter, die sie erneut gegeneinander erhoben. Sie betrachteten sich abschätzend, und dann gingen sie wie auf Kommando aufeinander los. Im letzten Augenblick wich Gacel jedoch zurück. Es kümmerte ihn nicht, daß die Spitze von Mubarraks Waffe den Stoff seiner gandura durchtrennte und die Haut seiner Brust ritzte. Blitzschnell stach er zu und durchbohrte den Bauch seines Gegners, so daß das Schwert am Rücken herausragte.

      Mubarrak hielt sich noch einige Augenblicke lang auf den Beinen, aber es waren Gacels Schwert und dessen stützender Arm, die ihn am Fallen hinderten. Als Gacel

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