Tuareg. Alberto Vazquez-Figueroa

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Tuareg - Alberto Vazquez-Figueroa Novelas

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schön er war, der wilde, ungebundene achab.In beackertem Boden, in der Nähe einer Wasserstelle oder unter der sorgsamen Pflege eines Bauern, der ihn tagtäglich bewässerte, wollte er nicht gedeihen. Er war wie der Geist der Tuareg: Ähnlich wie diese Menschen hatte der achab es fertiggebracht, die Jahrhunderte in der Stein- und Sandwüste zu überdauern, in einer Gegend, die von den meisten Menschen gemieden wurde.

      Der Regen durchtränkte Gacels Haar und befreite seinen Körper von einer Schorfschicht aus Schweiß und Schmutz, die Monate, vielleicht sogar Jahre alt sein mochte. Er half mit den Fingernägeln nach, und dann suchte er sich einen flachen, porösen Stein, mit dem er seine Haut abscheuerte, bis sie immer heller wurde. Das Regenwasser, das an ihm herabrann, war fast indigoblau, denn die nicht sehr beständige Färbung seiner Kleidung hatte im Lauf der Zeit jeden Quadratzentimeter seines Körpers imprägniert.

      Zwei lange Stunden stand Gacel so im Regen, fröstelnd, aber glücklich. Er mußte gegen die Versuchung ankämpfen, kehrtzumachen und nach Hause zu reiten, um den Regen zu nutzen. Er wollte Gerste pflanzen, die Ernte abwarten und sich im Kreis der Seinen jener wunderbaren Gabe erfreuen, die Allah ihm zu schicken geruht hatte. Vielleicht war der Regen ein Fingerzeig dafür, daß er daheimbleiben sollte, in seiner kleinen Welt. Vielleicht sollte er jene Beleidigung vergessen, von der ihn nicht einmal alles Wasser dieser dicken Regenwolke reinzuwaschen vermocht hätte. Aber Gacel war ein Targi, und sein eigenes Unglück wollte es, daß er wohl einer der letzten echten Tuareg des Flachlandes war. Nie würde er vergessen, daß man ihm einen Gast unter seinem eigenen Dach ermordet und einen zweiten mit Gewalt verschleppt hatte.

      Sobald die Wolke nach Süden weitergewandert war und die Nachmittagssonne seinen Körper und seine Kleidung getrocknet hatte, zog er sich wieder an, sattelte das Kamel und setzte seinen Weg fort. Zum ersten Mal verschmähte er Wasser und Regen, Leben und Hoffnung. Er wandte sich von etwas ab, das sein eigenes Herz und das seiner Lieben noch vor zwei Tagen mit unbändiger Freude erfüllt hätte.

      Bei Anbruch der Nacht suchte er sich eine kleine Düne, scharrte mit den Händen den noch feuchten Sand beiseite, bettete sich in die Kuhle und bedeckte sich fast gänzlich mit trockenem Sand, denn er wußte, wie kalt es kurz vor Tagesanbruch sein konnte. Dann würde der Wind die Wassertropfen, die noch auf den Steinen und dem dürren Gestrüpp glänzten, zu Rauhreif gefrieren lassen.

      In der Wüste konnte die Differenz zwischen Mittagshitze und Morgenkälte kurz vor Sonnenaufgang bis zu fünfzig Grad betragen. Aus eigener Erfahrung wußte Gacel, daß jene Kälte dem unvorsichtigen Reisenden in die Knochen kriechen und ihn krankmachen konnte, so daß die schmerzenden Gelenke seines Körpers tagelang steif blieben und sich weigerten, den Befehlen des Willens unverzüglich Folge zu leisten.

      Drei Jäger waren vor längerer Zeit in den Ausläufern des kargen Huaila-Gebirges erfroren aufgefunden worden. Gacel erinnerte sich noch an den Anblick ihrer Leichen. Die Männer hatten sich eng aneinandergekauert und waren so im Tode miteinander verschmolzen worden. Das hatte sich in jenem kalten Winter ereignet, als die Tuberkulose auch Gacels kleinen Sohn Bisrha hinweggerafft hatte. Die Gesichter der Toten schienen zu lächeln. Später, als die Sonne ihre Körper allmählich austrocknete, boten sie mit ihrer pergamentenen Haut und ihren gebleckten Zähnen einen makabren Anblick.

      Dies war ein grausames Land, denn hier konnte ein Mann innerhalb weniger Stunden an Hitze, aber auch an Kälte sterben. Manch ein Kamel hatte schon tagelang vergeblich nach Wasser gesucht, um dann eines Morgens nach einem Unwetter in einem reißenden Strom zu ersaufen. Ja, dies war ein grausames Land, aber Gacel konnte es sich nicht vorstellen, in einem anderen zu leben. Es wäre ihm nie eingefallen, den Durst, die Hitze und die Kälte in dieser grenzenlosen Weite gegen die Bequemlichkeiten einer engen Welt ohne Horizont einzutauschen. Jeden Tag dankte er Allah, das Gesicht nach Osten gen Mekka gewandt, für die Gnade, daß er dort leben durfte, wo er lebte, und daß er ein Mann aus dem gesegneten »Volk des Schleiers« war.

      Vor dem Einschlafen verlangte es ihn nach Laila, und beim Erwachen stellte er fest, daß sich der straffe Frauenkörper, den er im Traum an sich gedrückt hatte, in Sand verwandelt hatte - Sand, der ihm durch die Finger rieselte.

      Der Wind klagte leise. Es war die Stunde des Jägers. Gacel blickte zu den Sternen auf. Sie verrieten ihm, wie lange es noch dauern würde, bis das Licht des Tages sie am Firmament erlöschen ließe. Er rief in die Finsternis hinaus, und sein Mehari, das kauend seinen Hunger an den von Tau benetzten, struppigen Büschen stillte, antwortete ihm leise. Gacel sattelte es und setzte ohne anzuhalten seinen Weg fort, bis er am frühen Nachmittag fünf dunkle Flecken entdeckte, die sich am Horizont über der mit Steinen bedeckten Ebene abhoben. Es war das kleine Zeltlager von Mubarrak-ben-Sad, dem amahar vom »Volk der Lanze«, der die Soldaten zu Gacels khaima geführt hatte.

      Gacel verrichtete seine Gebete und setzte sich dann auf einen glatten Stein, um den Sonnenuntergang zu betrachten. Er hing düsteren Gedanken nach, denn er ahnte, daß die letzte friedliche Nacht seines Lebens vor ihm lag. Im Morgengrauen würde er die elgebira des Krieges, der Rache und des Hasses öffnen müssen. Kein Mensch vermochte jemals vorauszusagen, wieviel Tod und Gewalt sie enthielt.

      Er versuchte, die Beweggründe zu verstehen, die Mubarrak dazu verleitet hatten, mit der heiligsten Tuareg-Tradition zu brechen, aber es gelang ihm nicht. Mubarrak war ein Führer durch die Wüste und ohne Zweifel ein guter, aber als Targi durfte er sich nur dazu hergeben, Karawanen zu führen, Wild aufzuspüren oder ein paar Franzosen auf einer ihrer seltsamen Expeditionen zu begleiten, wenn sie nach Spuren aus der Zeit seiner Vorfahren suchten...

      Als Mubarrak-ben-Sad an jenem Morgen die Augen aufschlug, lief ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Seit längerem schon überfiel ihn das Grauen im Schlaf, aber jetzt suchte es ihn sogar im wachen Zustand heim. Instinktiv wandte er sein Gesicht dem Eingang der seriba zu, als ahnte er, daß er dort den Menschen erblicken würde, vor dem er sich so sehr fürchtete. Und tatsächlich: Keine dreißig Schritte entfernt stand, auf den Knauf seiner langen, in die Erde gerammten takuba gestützt, Gacel Sayah, der edle amahar vom Kel-Tagelmust. Er war gekommen, um Rechenschaft zu fordern.

      Mubarrak ergriff seinerseits sein Schwert und trat aufrecht, würdevoll und ohne Hast vor. Fünf Schritte von Gacel entfernt blieb er stehen.

      »Assalamu aleikum!« grüßte er mit der von den Tuareg bevorzugten Formel. .

      Er erhielt keine Antwort und hatte eigentlich auch keine erwartet. Auf die Frage:

      »Warum hast du das getan?« hingegen war er innerlich vorbereitet.

      »Der Oberst in der Garnison von Adoras hat mich gezwungen.«

      »Niemand kann einen Targi zu etwas zwingen, das er nicht will...«

      »Ich arbeite schon seit drei Jahren für sie. Ich stehe offiziell als Führer im Dienst

      der Regierung und konnte mich nicht weigern.«

      »Aber du hattest wie ich geschworen, nie für die Franzosen zu arbeiten!«

      »Die Franzosen sind fort. Jetzt sind wir ein freies Land.«

      Innerhalb von wenigen Tagen hatten Gacel zwei verschiedene Menschen dasselbe gesagt. Plötzlich erinnerte er sich, daß weder die Soldaten noch der Offizier die Uniformen der verhaßten Kolonialmacht getragen hatten. Unter ihnen war kein Europäer gewesen, und keiner hatte mit dem für die Franzosen typischen harten Akzent gesprochen. An ihrem Lastwagen hatte auch die sonst unvermeidliche blauweiß- rote Fahne gefehlt.

      »Die Franzosen haben immer unsere Traditionen geachtet«, murmelte Gacel schließlich, als spräche er zu sich selbst. »Warum sollten sie jetzt nicht mehr respektiert werden, wo wir angeblich frei sind?«

      Mubarrak zuckte mit den Achseln.

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