Последние дни наших отцов. Жоэль Диккер
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Wenn ich, nachdem diese Veränderung stattgefunden hat, zurückgehe und überprüfe, wie sich das willkürlich induzierte Trauma bzw. der Prozess verhält, entdecke ich, dass es – falls es ursprünglich nicht zu schlimm war – nicht mehr da ist. In diesem gesamten Prozess beachte ich niemals die Dysfunktion selbst, bis ich nicht den unwillkürlichen Mechanismus aufgeweckt habe. Das, was dann noch korrigiert werden muss, ist normalerweise so geringfügig, dass es praktisch gar nicht existiert. Man muss sich kaum anstrengen, um es zu korrigieren.
Nun, was für eine Veränderung ist das, die in diesem unwillkürlichen Mechanismus geschieht? Wie lange dauert es, bis sie stattfindet? Eine gute Illustration liefert hier das bekannte Treppen-Bild von Escher. Führt es treppauf oder treppab? Beobachtet es, bis ihr seht, wie sich die Stufen bewegen. In einer Nanosekunde verändern sie sich in eurer Wahrnehmung und werden von hinaufführenden zu hinunterführenden Stufen. Das ist die Veränderung, von der Eiseley spricht, die unendliche Vielfalt an Mustern, von einem Funktionszustand zum andern, in dem unwillkürlichen Mechanismus, mit dem ihr arbeitet. So lang dauert es. Das ist der Zeitraum, den die Veränderung braucht. Unser Job als Behandler ist es, uns still von innen heraus einzustimmen, um dieses Geschehen zu begreifen. Unser Verständnis entsteht aus etwas heraus, das wir spüren, wenn auch nicht erklären können. Was wir, weil es für uns wahrnehmbar ist, fühlen, ist eine Folge. Und doch können wir beobachten, dass in dieser Nanosekunde tatsächlich etwas geschieht. Wir können beobachten, welches Muster zuvor da war und welches danach, und sind – weil wir die Details der physiologischen Bewegung eines jeden Teils dieses unwillkürlichen Mechanismus nicht nur in den kraniosakralen Achsen, sondern im gesamten System studiert haben – mit unserem intelligenten Verstehen in der Lage, dies für klinische Zwecke nutzbar zu machen.
EIN UNIVERSELLES DESIGN
Es gibt in diesem Kraniosakralen Mechanismus und in der gesamten Anatomie und Physiologie des ganzen Körpers auch den Aspekt der Universalität. Ungefähr zehntausend Generationen oder drei Millionen Jahre hat es gedauert, um den menschlichen Körper zu dem zu machen, was er heute ist. Grundsätzlich ist er so gestaltet, dass er als willkürlicher und unwillkürlicher Mechanismus funktioniert. Der einzige Grund, warum wir heute hier sitzen, ist, dass wir das Produkt von x Menschengenerationen sind, die es geschafft haben, zu überleben. Daher sind die Mechanismen in uns allesamt solche, die von der Natur zum Überleben bestimmt wurden.
Mit anderen Worten: Der fundamentale Leitgedanke in den Heilkünsten (ich habe absichtlich nicht gesagt ‚im osteopathischen Berufsstand‘ , weil es hier um etwas geht, was die Angehörigen aller Heilkünste verstehen sollten), der fundamentale Leitgedanke also ist, dass der Körper vom Kopf bis zu den Füßen einen wunderschönen Mechanismus darstellt und, obgleich aus vielen Teilen bestehend, als umfassende Einheit, als universelle Funktionseinheit gestaltet wurde. Je klarer wir verstehen, wie er in uns selbst als ein ganzheitlicher Mechanismus funktioniert – und damit meine ich sowohl den willkürlichen als auch den unwillkürlichen Teil –, desto präziser kann unsere Diagnose werden und desto fähiger sicherlich auch unsere Behandlung.
Gestern sprach man im Fachbereich über die architektonischen Grundlagen der Knochen des Neurokraniums. Wir alle haben Ossa temporalia, ein Os occipitale und sphenoidale, wir alle haben zwei Ossa parietalia und funktionell gesehen auch zwei Ossa frontalia. Es ist egal, wem sie gehören: In jedem von uns sind sie in der Hinsicht gleich, dass sie ein anatomisches Funktionsprinzip darstellen. Es gibt bei uns Angehörigen der Heilkunst eine automatische Tendenz, jemanden anzuschauen und zu sagen: „Aha, der hat eine Dysfunktion. Ich kann sehen, dass sein Gesicht schief ist, und das bedeutet, dass er ein Problem hat.“ Unser erster Gedanke sollte aber stattdessen sein: „Wie dient das Design dieses Schädelbereichs der Funktion in diesem bestimmten Menschen? Was ist sein Gesundheitsmuster, was ist seine Grundlage, um innerhalb dieses physischen Mechanismus zu funktionieren?“
Das Gleiche gilt für einen Arm. Wenn jemand mit einem Tennisarm in die Praxis kommt, haben wir es mit einer Extremität zu tun, in deren Mechanismus eine Dysfunktion produziert wurde. Unser erster Gedanke sollte sein, wie dieser Mechanismus aussehen würde, wenn er ohne dieses Dysfunktionsmuster hereingekommen wäre. Wie sollten die Muskeln sein? Was sind die Funktionsgrundlagen dieser Muskeln in diesem Arm, diesem Unterarm, diesem Handgelenk und dieser Schulter? Wie sind sie für den gesunden Zustand in dieser bestimmten Person gestaltet? Dann können wir, wenn wir den Arm anfassen, verstehen, wie er innerhalb dieser speziellen Schwierigkeit, mit der der Patient gekommen ist, funktioniert.
Unser eigentliches Ziel bei diesem Kurs ist deshalb nicht das Erlernen von Pathologien in den Körperbereichen, die wir besprechen und mit unseren Händen berühren. Wir wollen vielmehr begreifen lernen, was die zugrunde liegenden Gesetze für diesen Mechanismus sind. Wofür ist dieses oder jenes Ding im Patienten da? Die Frage lautet nicht: Was machen sie jetzt gerade? Was sie jetzt gerade machen, ist lediglich der diagnostische Hinweis darauf, dass da vielleicht ein Problem besteht. Die Frage ist: Wofür sind diese Mechanismen im Patienten da? Dabei spreche ich nicht nur über den Kraniosakralen Mechanismus, obwohl dies das Thema dieses Kurses ist. Die Grundprinzipien der Anatomie und Physiologie des Kraniosakralen Mechanismus sind identisch mit den Prinzipien eines jeden anderen Körpersystems – ob Bewegungsapparat, Verdauungs-system, Herz-Kreislauf- oder Atemsystem.
Wir müssen uns also fragen: Wie manifestiert sich dieses universelle System, wie arbeitet es im Patienten? Dieses universelle System hat in jedem Einzelnen einen individuellen Namen, es hat in jedem Patienten