Der Hund der Baskervilles. Sir Arthur Conan Doyle
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Читать онлайн книгу Der Hund der Baskervilles - Sir Arthur Conan Doyle страница 11
Sir Henry lächelte. »Ich kenne mich mit den britischen Lebensgewohnheiten noch nicht sehr gut aus, denn ich habe fast mein ganzes Leben in den Vereinigten Staaten und in Kanada verbracht. Aber ich hoffe doch, der Verlust eines Stiefels gehört nicht zum alltäglichen Gang der Dinge.«
»Sie haben einen Stiefel verloren?«
»Aber mein lieber Sir!« rief Dr Mortimer, »der ist doch lediglich verlegt worden. Sie werden ihn vorfinden, wenn Sie ins Hotel zurückkehren. Es hat doch keinen Sinn, Mr Holmes mit solchen Bagatellen zu behelligen!«
»Aber er wollte alles erfahren, was vom alltäglichen Gang der Dinge abweicht.«
»Ganz richtig«, sagte Holmes, »so belanglos der Vorfall auch erscheinen mag. Sie haben also einen Ihrer Stiefel verloren?«
»Oder verlegt, wie auch immer. Ich habe das Paar gestern Abend zum Putzen vor die Tür gestellt, und heute Morgen war nur noch einer da. Aus dem Schuhputzjungen war kein gescheites Wort herauszubringen. Am meisten ärgert mich dabei, dass ich die Stiefel erst gestern Abend am Strand gekauft habe. Ich hatte sie noch gar nicht getragen.«
»Wenn Sie sie noch nicht getragen haben, warum haben Sie sie dann zum Putzen hinausgestellt?«
»Es sind hellbraune Stiefel, die noch nie Schuhcreme gesehen haben. Deshalb habe ich sie hinausgestellt.«
»Sie sind also gestern gleich nach Ihrer Ankunft in London losgegangen und haben Schuhe gekauft?«
»Ich habe so einiges gekauft. Dr Mortimer hat mich begleitet. Wissen Sie, wenn ich da hinten in Dingsda den Landedelmann spielen soll, dann muss ich mich schon ein bisschen fein machen. Ich bin im fernen Westen etwas nachlässig geworden mit meiner Kleidung. Also habe ich unter anderem diese hellbraunen Stiefel gekauft – haben mich sechs Dollar gekostet –, und der eine wird mir gestohlen, noch bevor ich die Dinger einmal getragen habe.«
»Es scheint vollkommen sinnlos, einen einzelnen Stiefel zu stehlen«, meinte Sherlock Holmes. »Ich bin geneigt, Dr Mortimers Ansicht zu teilen, dass er sich bald wieder anfinden wird.«
»Und nun, Gentlemen«, sagte der Baronet entschieden, »habe ich wohl genug erzählt über das bisschen, was ich weiß. Es wird Zeit, dass Sie Ihr Versprechen halten und mir berichten, worum es hier eigentlich geht.«
»Ihr Wunsch ist nur allzu berechtigt«, antwortete Holmes. »Ich glaube, Dr Mortimer, das Beste ist, Sie erzählen ihm die Geschichte genau so, wie Sie sie uns erzählt haben.«
Auf diese Weise ermutigt, zog unser gelehrter Freund die Handschrift aus der Tasche und legte uns den Fall noch einmal genauso dar, wie er ihn am Tag zuvor geschildert hatte. Sir Henry Baskerville lauschte mit gespannter Aufmerksamkeit und ließ von Zeit zu Zeit einen überraschten Ausruf hören.
»Da habe ich mir mit der Erbschaft anscheinend gleich noch eine Rachegeschichte eingehandelt«, sagte er, als die lange Erzählung beendet war. »Natürlich habe ich schon in der Kinderstube von dem Höllenhund gehört. Es ist das Lieblingsmärchen der Familie, aber ich habe nicht im Traum daran gedacht, die Geschichte ernst zu nehmen. Doch der Tod meines Onkels – wissen Sie, in meinem Kopf wirbelt alles durcheinander, ich kann mir jetzt keine Meinung bilden. Sie scheinen sich ja selbst nicht ganz klar zu sein, ob das ein Fall für die Polizei oder für einen Geistlichen ist.«
»Richtig.«
»Und jetzt kommt noch die Sache mit dem Brief dazu. Ich vermute, er hat damit zu tun.«
»Ich würde sagen, der Brief zeigt uns, dass es jemanden gibt, der mehr als wir weiß über das, was auf dem Moor vorgeht«, sagte Dr Mortimer.
»Und überdies«, ergänzte Holmes, »dass dieser Jemand Ihnen nicht übel will, da er Sie vor einer Gefahr warnt.«
»Oder dass jemand mich aus der Gegend vergraulen will, weil er andere, eigene Interessen verfolgt.«
»Sicher, das ist auch möglich. Ich bin Ihnen zu großem Dank verpflichtet, Dr Mortimer. Sie haben mir einen Fall präsentiert, der mehrere interessante Lösungsansätze bietet. Aber zunächst müssen wir eine praktische Frage entscheiden, Sir Henry, nämlich ob es für Sie ratsam ist oder nicht, nach Baskerville Hall zu gehen.«
»Warum denn nicht?«
»Es scheint mit Gefahr verbunden.«
»Meinen Sie, Gefahr durch das Familiengespenst oder Gefahr seitens menschlicher Wesen?«
»Genau das müssen wir herausfinden.«
»Wie dem auch sein mag – meine Antwort steht fest. Kein Teufel der Hölle und kein Mensch auf Erden, Mr Holmes, wird mich daran hindern, das Haus meiner Väter in Besitz zu nehmen. Das ist mein letztes Wort, dabei bleibt es.« Seine dunklen Brauen verfinsterten sich, und eine dunkle Röte flog über sein Gesicht, als er das sagte. Das feurige Temperament der Baskervilles war im letzten Spross der Familie augenscheinlich nicht erloschen. »Aber ich muss auch sagen«, fuhr er fort, »dass ich kaum Zeit hatte, das alles zu verdauen, was Sie mir erzählt haben. Es ist ein bisschen viel verlangt, das zu begreifen und auf der Stelle zu entscheiden. Ich hätte jetzt gern eine ruhige Stunde für mich allein, um darüber nachzudenken. Passen Sie auf, Mr Holmes – es ist jetzt halb zwölf, und ich werde schnurstracks in mein Hotel gehen. Haben Sie nicht Lust, Sie und Ihr Freund Dr Watson, gegen zwei Uhr zum Lunch zu kommen? Dann kann ich Ihnen besser sagen, was ich von der ganzen Geschichte halte.«
»Passt Ihnen das, Watson?«
»Ausgezeichnet.«
»Gut, dann zählen Sie auf uns. Soll ich eine Droschke rufen lassen?«
»Ich möchte lieber zu Fuß gehen. Diese Geschichte hat mich doch etwas aufgewühlt.«
»Dann würde ich mich Ihnen gern anschließen«, sagte sein Begleiter.
»Wir sehen uns also um zwei Uhr. Au revoir, und ich wünsche einen angenehmen Spaziergang.«
Wir hörten, wie unsere Besucher die Treppe hinabstiegen und wie die Haustür sich hinter ihnen schloss. Schlagartig verwandelte sich Holmes, der stille Denker, in einen Mann der Tat.
»Hut und Stiefel, Watson, schnell! Wir haben keine Minute zu verlieren!« Er stürzte, noch im Hausmantel, in sein Schlafzimmer und tauchte kurze Zeit später im Gehrock wieder auf. Wir eilten die Treppe hinab auf die Straße. Dr Mortimer und Baskerville waren noch in Sichtweite. Sie gingen, vielleicht zweihundert Meter von uns entfernt, die Straße hinunter in Richtung Oxford Street.
»Soll ich loslaufen und sagen, dass sie auf uns warten sollen?«
»Auf gar keinen Fall, mein guter Watson! Ihre Gesellschaft genügt mir vollkommen, falls Sie mit der meinen ebenfalls zufrieden sind. Unsere neuen Bekannten tun ganz recht daran, zu Fuß zu gehen. Es ist ein sehr angenehmer Vormittag für einen Spaziergang.«
Er beschleunigte seine Schritte, bis wir die Distanz zu ihnen auf die Hälfte verringert hatten. Im Abstand von etwa hundert Metern folgten wir ihnen die Oxford Street entlang und dann die Regent Street hinunter. Einmal blieben sie stehen und blickten in ein Schaufenster, woraufhin Holmes das Gleiche tat. Einen Augenblick später ließ er einen leisen, zufriedenen Ausruf hören. Ich folgte seinem scharfen Blick und sah, wie eine Droschke mit einem Fahrgast, die auf der gegenüberliegenden Straßenseite gehalten hatte, sich langsam in Bewegung setzte.
»Das