Der Hund der Baskervilles. Sir Arthur Conan Doyle
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Читать онлайн книгу Der Hund der Baskervilles - Sir Arthur Conan Doyle страница 9
»Natürlich, ich habe im Laufe des Tages ständig darüber nachgedacht.«
»Und was halten Sie davon?«
»Es ist alles sehr verwirrend.«
»Der Fall ist sicherlich von recht speziellem Charakter. Er zeichnet sich durch einige Besonderheiten aus. Diese Veränderung der Fußspuren zum Beispiel. Wie erklären Sie sich das?«
»Mortimer sagte, der Mann sei das letzte Stück der Allee auf Zehenspitzen gegangen.«
»Er hat nur wiederholt, was irgendein Dummkopf bei der gerichtlichen Untersuchung gesagt hat. Weshalb sollte jemand auf Zehenspitzen durch eine Allee gehen?«
»Was dann?«
»Er ist gerannt, Watson – verzweifelt gerannt, in Todesangst gerannt, bis sein Herz versagte und er tot zusammengebrochen ist.«
»Aber wovor ist er geflohen?«
»Genau das ist unser Problem. Gewisse Anzeichen sprechen dafür, dass der Mann bereits außer sich war vor Angst, bevor er die Flucht ergriff.«
»Woraus schließen Sie das?«
»Ich gehe davon aus, dass das, was ihn in solchen Schrecken versetzte, über das Moor auf ihn zukam. Wenn dies der Fall war – und alle Wahrscheinlichkeit spricht dafür –, muss er vor Angst von Sinnen gewesen sein, denn statt zum Haus zu laufen, ist er in der anderen Richtung davongelaufen. Wenn die Aussage des Zigeuners stimmt, rannte er, um Hilfe schreiend, gerade in diejenige Richtung, wo Hilfe am allerwenigsten zu erwarten war. Die andere Frage ist: Auf wen hat er in jener Nacht gewartet, und warum hat er in der Eibenallee gewartet statt in seinem Haus?«
»Sie meinen, er hat jemanden erwartet?«
»Der Mann war nicht mehr jung und außerdem kränklich. Seine Abendspaziergänge sind plausibel, aber an jenem Abend war es feuchtkalt und der Boden war nass. Ist es normal, dass er fünf oder zehn Minuten an einer Stelle gestanden hat, wie Dr Mortimer mit mehr praktischem Verstand, als ich ihm zugetraut hätte, aus der abgestreiften Zigarrenasche geschlossen hat?«
»Aber er machte regelmäßig seinen Abendspaziergang.«
»Ich halte es für unwahrscheinlich, dass er regelmäßig an der Moorpforte gewartet hat. Im Gegenteil, wir wissen, dass er das Moor mied. An jenem Abend hat er aber dort gestanden und gewartet. Es war der Abend vor seiner Abreise nach London. Die Sache nimmt Gestalt an, Watson. Wir beginnen, Zusammenhänge zu sehen. Darf ich Sie bitten, mir meine Violine zu reichen? Wir wollen alles weitere Nachdenken auf morgen Vormittag verschieben, wenn Dr Mortimer und Sir Henry Baskerville hier sind.«
4. KAPITEL
Sir Henry Baskerville
Unser Frühstückstisch war zeitig abgeräumt worden, und Holmes erwartete, in seinen Hausmantel gekleidet, den verabredeten Besuch. Unsere Gäste kamen pünktlich. Die Uhr hatte gerade zehn geschlagen, als Dr Mortimer zu uns heraufgeführt wurde, gefolgt von dem jungen Baronet. Er war ein mittelgroßer, lebhafter, dunkeläugiger Mann von etwa dreißig Jahren, stämmig gebaut, mit kräftigen schwarzen Augenbrauen und markanten, energischen Gesichtszügen. Er trug einen rostroten Tweedanzug und hatte den wettergegerbten Teint eines Mannes, der sich überwiegend unter freiem Himmel aufhält, aber in seinem festen Blick und der ruhigen Sicherheit seines Auftretens lag ein gewisses Etwas, das den Gentleman verriet.
»Dies ist Sir Henry Baskerville«, sagte Dr Mortimer.
»Ja, der bin ich«, sagte dieser, »und was wirklich merkwürdig ist, Mr Sherlock Holmes: Hätte mein Freund hier mir nicht vorgeschlagen, heute bei Ihnen vorzusprechen, dann hätte ich Sie aus eigenem Antrieb aufgesucht. Ich habe gehört, dass Sie gut darin sind, kleine Rätsel zu lösen, und ich bin heute Morgen vor eins gestellt worden, das meinen Verstand übersteigt.«
»Bitte nehmen Sie Platz, Sir Henry. Verstehe ich recht, dass Ihnen seit Ihrer Ankunft in London etwas Seltsames widerfahren ist?«
»Nichts von großer Bedeutung, Mr Holmes. Wahrscheinlich nur ein dummer Scherz. Es ist dieser Brief hier – falls man das einen Brief nennen kann. Ich erhielt ihn heute morgen.«
Er legte einen Umschlag auf den Tisch, und wir beugten uns alle darüber. Es war ein gewöhnlicher grauer Briefumschlag minderer Qualität. Die in ungelenken Buchstaben geschriebene Adresse lautete »Sir Henry Baskerville, Northumberland Hotel«, und der Poststempel »Charing Cross« trug das Datum des Vortages.
»Wem war bekannt, dass Sie im Northumberland Hotel logieren würden?« fragte Holmes mit einem scharfen Blick auf unseren Besucher.
»Kein Mensch kann das gewusst haben. Ich habe mich erst dafür entschieden, nachdem ich Dr Mortimer getroffen hatte.«
»Aber zweifellos wohnte Dr Mortimer bereits dort?«
»Nein, ich habe bei einem Bekannten übernachtet«, sagte der Arzt. »Es gab keinerlei Hinweis, dass wir dieses Hotel wählen würden.«
»Hm! Jemand scheint ungemeines Interesse an Ihrem Tun und Lassen zu haben.« Holmes entnahm dem Umschlag einen halben Bogen Schreibpapier, der zweimal zusammengefaltet war, breitete ihn auseinander und legte ihn auf den Tisch. Quer über die Mitte des Blattes waren mehrere gedruckte Wörter zu einem Satz zusammengeklebt: »Wenn Sie Wert legen auf Ihr Leben oder Ihren Verstand, bleiben Sie dem Moor fern.« Nur das Wort »Moor« war mit Tinte geschrieben.
»Na«, sagte Sir Henry Baskerville, »vielleicht können Sie mir sagen, Mr Holmes, was zum Donnerwetter das heißen soll und wer dieser Mensch ist, der seine Nase in meine Angelegenheiten steckt.«
»Was halten Sie davon, Dr Mortimer? Sie müssen jedenfalls zugeben, dass es sich hier um nichts Übernatürliches handelt.«
»Ganz recht, Sir, aber die Botschaft könnte sehr wohl von jemandem stammen, der überzeugt ist, dass in dieser Sache Übernatürliches im Spiel ist.«
»Was für eine Sache?« fragte Sir Henry scharf. »Mir scheint, Gentlemen, Sie sind alle über meine Angelegenheiten besser informiert als ich selbst.«
»Sie sollen gleich alles erfahren, Sir Henry. Das verspreche ich Ihnen«, sagte Holmes. »Aber wenn Sie gestatten, wollen wir unsere Aufmerksamkeit zunächst diesem hochinteressanten Dokument widmen. Es muss gestern Abend zusammengebastelt und zur Post gegeben worden sein. Haben wir die Times von gestern noch hier, Watson?«
»Sie liegt dort in der Ecke.«
»Dürfte ich Sie bitten – das innere Blatt bitte, mit den Leitartikeln.« Mit raschem Blick überflog er die Spalten. »Hier ist ein famoser Artikel zum Thema Freihandel. Erlauben Sie mir, Ihnen einen Auszug daraus vorzulesen:
›Wenn Sie sich verleiten lassen zu glauben, Ihr spezieller Wirtschaftszweig oder Ihr spezieller Handelszweig werde durch die Aussicht auf Schutzzölle gefördert, so sagt einem allein der gesunde Menschenverstand, dass solche Maßnahmen dem Wohlstand unseres Gemeinwesens auf lange Sicht gefährlich werden, weil sie den Fernhandel behindern, den Wert unserer Import- und Exportgeschäfte mindern und in der Folge die allgemeinen Lebensbedingungen, auf die wir in diesem Lande so großen Wert legen, nicht so bleiben können, wie sie