Der Hund der Baskervilles. Sir Arthur Conan Doyle
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Читать онлайн книгу Der Hund der Baskervilles - Sir Arthur Conan Doyle страница 8
»Sie betrachten die Sache auf eine leichtfertige Art, Mr Holmes, als Sie es vielleicht tun würden, wenn Sie persönlich betroffen wären. Wenn ich Sie richtig verstehe, gehen Sie davon aus, dass der junge Mann in Devonshire genauso sicher ist wie in London. In fünfzig Minuten wird er hier sein. Was raten Sie mir also?«
»Ich rate Ihnen, Sir, eine Droschke zu rufen, Ihren Spaniel an die Leine zu nehmen, der unten an unserer Haustür kratzt, und zum Bahnhof Waterloo zu fahren, um Sir Henry Baskerville abzuholen.«
»Und dann?«
»Dann erzählen Sie ihm kein einziges Wort von der Sache, bis ich mir darüber klar geworden bin.«
»Wie lange wird das dauern?«
»Vierundzwanzig Stunden. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, Dr Mortimer, wenn Sie mich morgen früh gegen zehn Uhr aufsuchen würden. Und es wäre hilfreich für meine weiteren Pläne, wenn Sie Sir Henry Baskerville mitbringen würden.«
»Das werde ich gern tun, Mr Holmes.« Er notierte den Termin und eilte in seiner sonderbar kurzsichtigen, zerstreuten Art zur Tür. Als er schon auf dem Treppenabsatz war, rief Holmes ihn noch einmal zurück.
»Nur noch eine Frage, Dr Mortimer. Sie sagten, in der Zeit vor Sir Charles Baskervilles Tod hätten mehrere Leute diese Geistererscheinung im Moor gesehen?«
»Ja, drei Männer.«
»Und danach?«
»Danach ist mir nichts mehr zu Ohren gekommen.«
»Danke sehr. Guten Morgen.«
Holmes kehrte zu seinem Sessel zurück. Sein Blick verriet innere Befriedigung, was bei ihm immer bedeutete, dass er eine Aufgabe gefunden hatte, die seiner würdig war.
»Sie wollen ausgehen, Watson?«
»Ja, es sei denn, Sie brauchen mich.«
»Nein, alter Freund, ich brauche Sie erst, wenn es zur Sache geht. Dieser Fall ist prachtvoll, er hat einige wirklich einzigartige Aspekte. Wenn Sie bei Bradley’s vorbeikommen, bitten Sie ihn doch, ein Pfund seines stärksten Shag-Tabaks heraufzuschicken. Vielen Dank. Es wäre mir auch lieb, wenn Sie es einrichten könnten, nicht vor dem Abend wieder zurück zu sein. Dann werde ich gern mit Ihnen dieses höchst interessante Problem diskutieren, das uns heute vorgelegt worden ist.«
Ich wusste, dass mein Freund Zurückgezogenheit und Einsamkeit brauchte in jenen Stunden höchster geistiger Konzentration, wo er jedes kleinste Beweisteilchen prüfte, Hypothesen aufstellte und gegeneinander abwog und sich allmählich klar wurde, welche Punkte wesentlich und welche unwesentlich waren. Ich verbrachte den Tag also in meinem Klub und kehrte erst abends in die Baker Street zurück. Es war beinahe neun Uhr, als ich wieder in unser Wohnzimmer trat.
Als ich in der Tür stand, war mein erster Gedanke, dass Feuer ausgebrochen sein musste, denn das Zimmer war so voller Qualm, dass selbst das Licht der Tischlampe nur nebelhaft zu erkennen war. Mein Schreck verflog jedoch rasch, denn als ich eintrat, merkte ich, dass es lediglich der beißende Rauch von starkem Grobtabak war, der mir die Kehle zuschnürte und mich husten ließ. Im Tabaknebel erkannte ich schemenhaft die Gestalt von Holmes, der in seinen Hausmantel gekleidet im Sessel lehnte, die schwarze Tonpfeife im Mund. Um ihn herum lagen mehrere Papierrollen verstreut.
»Erkältet, Watson?« fragte er.
»Nein, es ist bloß diese verpestete Luft.«
»Verpestet! Aber jetzt, wo Sie es sagen, finde ich auch, dass sie ein wenig dick ist.«
»Dick? Sie ist zum Schneiden!«
»Dann machen Sie doch ein Fenster auf! Sie haben den ganzen Tag in Ihrem Klub verbracht, wie ich sehe.«
»Mein lieber Holmes!«
»Habe ich recht?«
»Gewiss, aber wie …?«
Er lachte über mein verblüfftes Gesicht.
»Sie haben manchmal so eine köstliche Arglosigkeit an sich, Watson, dass es mir ein wahres Vergnügen ist, meine bescheidenen Fähigkeiten auf Ihre Kosten auszuspielen. Ein Gentleman geht an einem unfreundlichen, regnerischen Tag aus. Am Abend kehrt er zurück wie aus dem Ei gepellt; Hut und Stiefel in tadellosem Glanz. Also hat er den ganzen Tag unter Dach verbracht. Enge Freunde besitzt er nicht. Wo kann er also gewesen sein? Ist das nicht offensichtlich?«
»Nun ja, ziemlich offensichtlich.«
»Die Welt ist voller offensichtlicher Dinge, auf die kein Mensch je achtet. Wo, glauben Sie, bin ich gewesen?«
»Ebenfalls den ganzen Tag zu Hause.«
»Im Gegenteil, ich war in Devonshire.«
»In Gedanken?«
»Ganz recht. Mein Körper blieb hier in diesem Lehnstuhl und hat, wie ich leider feststellen muss, während meiner Abwesenheit zwei große Kannen Kaffee und eine unglaubliche Menge Tabak konsumiert. Als Sie weg waren, habe ich mir von Stanford’s topographische Karten von diesem Teil des Moores besorgen lassen, und mein Geist schwebte den ganzen Tag darüber. Ich schmeichle mir, mich jetzt dort gut auszukennen.«
»Es sind wohl großmaßstäbige Karten?«
»Ja, ein sehr großer Maßstab.« Er rollte ein Blatt auf und breitete es auf seinen Knien aus. »Dies ist die Region, die uns interessiert. Hier in der Mitte, das ist Baskerville Hall.«
»Mit dem Wald drumherum?«
»Ja. Die Eibenallee, obwohl sie auf der Karte nicht eingezeichnet ist, dürfte in dieser Richtung verlaufen. Sehen Sie: Rechts davon erstreckt sich das Moor. Diese kleine Ansammlung von Häusern ist das Dörfchen Grimpen, wo unser Freund Dr Mortimer sein Hauptquartier hat. Im Umkreis von fünf Meilen gibt es, wie Sie sehen, nur ein paar verstreute Gehöfte. Dies ist Lafter Hall, das Gutshaus, das Dr Mortimer erwähnt hat. Und hier ist ein Haus eingezeichnet, das wohl der Wohnsitz dieses Naturkundlers ist – Stapleton, wenn ich mich recht erinnere. Hier sind noch zwei Moorbauerngehöfte, High Tor und Foulmire. In einer Entfernung von vierzehn Meilen liegt das große Zuchthaus von Princetown. Zwischen diesen vereinzelten Gehöften und Dörfern erstreckt sich das öde, einsame Moor. Dies also ist der Schauplatz, auf dem sich die Tragödie abgespielt hat und auf dem sie vielleicht noch einmal aufgeführt werden soll.«
»Es scheint eine recht einsame, schaurige Gegend zu sein.«
»Ja, sie ist eines schaurigen Verbrechens würdig. Sollte der Teufel tatsächlich das Verlangen haben, sich in menschliche Angelegenheiten einzumischen …«
»Sie neigen also selbst zu einer übernatürlichen Erklärung?«
»Des Teufels Werkzeuge können von Fleisch und Blut sein, nicht wahr? Wir stehen zunächst vor zwei Fragen: Erstens, ob überhaupt ein Verbrechen begangen worden ist, und zweitens, wenn ja, worin bestand das Verbrechen, und wie wurde es ausgeführt? Natürlich, wenn Dr Mortimers Mutmaßung stimmt und wir es mit Mächten zu tun haben, die außerhalb der geltenden Naturgesetze agieren, sind wir mit unseren Ermittlungen am Ende. Aber bevor wir auf diese Hypothese zurückgreifen, müssen wir erst alle anderen sorgfältig prüfen. Ich denke, wir