Der Hund der Baskervilles. Sir Arthur Conan Doyle

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Der Hund der Baskervilles - Sir Arthur Conan Doyle

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sein Gehrock wirkte ein wenig schmuddelig und seine Beinkleider waren etwas abgetragen. Trotz seiner Jugend war sein langer Rücken bereits gebeugt, so dass er beim Gehen den Kopf leicht vorgestreckt hielt, was den Eindruck wohlwollender Neugier erweckte. Als er eintrat, fiel sein Blick sogleich auf den Stock, den Holmes noch in der Hand hielt, und er trat mit einem freudigen Ausruf auf ihn zu.

      »Da bin ich aber froh!« rief er. »Ich war nicht sicher, ob ich ihn hier oder bei der Schiffsagentur stehen gelassen hatte. Nicht um alles in der Welt möchte ich diesen Stock missen!«

      »Ein Geschenk, wie ich sehe«, bemerkte Holmes.

      »Ja, Sir.«

      »Vom Charing Cross Hospital?«

      »Von ein paar Freunden dort anlässlich meiner Hochzeit.«

      »O je, wie dumm!« rief Holmes kopfschüttelnd.

      Dr Mortimer blinzelte in gelindem Erstaunen durch seine Brillengläser.

      »Wieso dumm?«

      »Ach, nur weil Sie damit unsere netten kleinen Deduktionen zunichtegemacht haben. Anlässlich Ihrer Hochzeit, sagten Sie?«

      »Ja, Sir. Ich habe geheiratet, deshalb musste ich meine Arbeit am Charing Cross aufgeben und damit auch alle Hoffnungen auf eine Konsultationspraxis. Ich war ja genötigt, einen eigenen Hausstand zu begründen.«

      »Na also, dann lagen wir ja doch nicht so falsch«, meinte Holmes. »Aber nun, Dr James Mortimer …«

      »Mister, Sir, ich bin kein Doktor – nur ein schlichtes Mitglied des Royal College of Surgeons, M. R. C. S.«

      »Und offensichtlich ein Mann von scharfem Verstand.«

      »Ein Amateur auf dem Gebiet der Wissenschaft, Mr Holmes, ein Dilettant, der an der Küste dieses weiten, unbekannten Ozeans Muscheln aufliest. Ich nehme doch an, dass ich mit Mr Sherlock Holmes spreche und nicht …?«

      »Ganz recht, dies hier ist mein Freund Dr Watson.«

      »Es freut mich, Sie kennenzulernen, Sir. Ich kenne Ihren Namen in Verbindung mit dem Ihres Freundes. Sie interessieren mich außerordentlich, Mr Holmes. Ich hatte weder einen so ausgeprägt dolichocephalen Schädel noch eine so starke Entwicklung des Supraorbitalschilds erwartet. Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich einmal mit dem Finger über Ihre Schädelnaht fahre? Ein Gipsmodell Ihres Schädels, Sir, wäre die Zierde jedes anthropologischen Museums, solange das Original nicht zur Verfügung steht. Jede Art von Übertreibung liegt mir fern, aber ich muss sagen, Ihren Schädel würde ich nur allzu gern besitzen.«

      Sherlock Holmes lud unseren kuriosen Besucher mit einer Handbewegung zum Sitzen ein.

      »Sie sind auf Ihrem Gebiet ein ebenso großer Enthusiast wie ich auf meinem«, sagte er. »Ich sehe an Ihrem Zeigefinger, dass Sie Ihre Zigaretten selbst drehen. Bitte haben sie keine Hemmungen, sich eine anzuzünden.«

      Mortimer holte Tabak und Zigarettenpapier aus seiner Rocktasche und rollte beides mit erstaunlicher Geschicklichkeit zusammen, wobei die Bewegungen seiner langen, agilen Finger an die rastlosen Fühler eines Insekts erinnerten.

      Holmes schwieg, aber die raschen forschenden Blicke, die er auf unseren seltsamen Gast warf, verrieten mir, dass sein Interesse geweckt war.

      »Ich nehme an, Sir«, sagte er schließlich, »dass es nicht lediglich die Absicht war, meinen Schädel in Augenschein zu nehmen, was mir die Ehre Ihres Besuches gestern Abend und am heutigen Vormittag beschert hat?«

      »Nein, Sir, nein – obwohl ich mich glücklich schätze, diese Gelegenheit wahrnehmen zu dürfen. Ich bin zu Ihnen gekommen, Mr Holmes, weil mir bewusst ist, dass ich kein sonderlich lebenspraktischer Mensch bin, und weil ich mich ganz unvermutet vor ein ungewöhnliches und sehr ernstes Problem gestellt sehe. Und da ich weiß, dass Sie in solchen Fällen der zweitbeste Experte in Europa sind –«

      »So? Darf ich fragen, wer die Ehre hat, der beste zu sein?« fragte Holmes mit einer gewissen Schärfe.

      »Auf einen Mann von streng wissenschaftlicher Denkart wird Monsieur Bertillons Methode stets höchst überzeugend wirken.«

      »Täten Sie dann nicht besser daran, ihn um Rat zu fragen?«

      »Ich habe gesagt, Sir, für einen Mann von streng wissenschaftlicher Denkart. Aber als Mann der Praxis stehen Sie nach allgemeiner Anschauung unerreicht da. Ich will doch hoffen, Sir, dass ich nicht unabsichtlich …«

      »Nicht der Rede wert«, antwortete Holmes. »Ich glaube, Dr Mortimer, es wäre gut, wenn Sie mir jetzt ohne weitere Umschweife klar und deutlich vortrügen, welcher Art das Problem ist, bei dem Sie meinen Beistand wünschen.«

      2. Kapitel

      Der Fluch der Baskervilles

      Ich habe ein Manuskript mitgebracht«, sagte Dr James Mortimer.

      »Das sah ich bereits, als Sie ins Zimmer traten«, antwortete Holmes.

      »Es ist eine alte Handschrift.«

      »Frühes achtzehntes Jahrhundert, vorausgesetzt, es ist keine Fälschung.«

      »Wie kommen Sie darauf, Sir?«

      »Ein Streifen davon war die ganze Zeit sichtbar, so dass ich die Schrift betrachten konnte, während wir miteinander sprachen. Das wäre ein armseliger Experte, der eine Handschrift nicht auf ein Jahrzehnt genau datieren kann. Vielleicht haben Sie meine kleine Monographie zu diesem Thema gelesen. Ich schätze das Alter des Dokuments auf etwa 1730.«

      »Das genaue Datum ist 1742.« Dr Mortimer zog das Manuskript aus seiner Brusttasche. »Dieses Familiendokument ist mir von Sir Charles Baskerville anvertraut worden, dessen plötzlicher tragischer Tod vor rund drei Monaten in der Grafschaft Devonshire so großes Aufsehen erregt hat. Ich darf wohl sagen, dass ich nicht nur sein ärztlicher Berater war, sondern auch sein persönlicher Freund. Er war ein energischer Mann, Sir, scharfsinnig, praktisch veranlagt und ebenso wenig anfällig für irgendwelche phantastischen Hirngespinste wie ich selbst. Trotzdem hat er dieses Schriftstück sehr ernst genommen, und so war er innerlich auf jenen Tod vorbereitet, der ihn schließlich ereilt hat.«

      Holmes nahm das Manuskript in die Hand und strich es auf seinem Knie glatt.

      »Sie werden bemerken, Watson, dass die lange und die kurze Form des ›S‹ abwechselnd gebraucht werden. Dies ist einer der Indikatoren, die es mir ermöglichten, die Handschrift zu datieren.«

      Ich blickte ihm über die Schulter und betrachtete das vergilbte Papier und die verblasste Schrift. Am Kopf des Blattes stand »Baskerville Hall« und am Schluss in großen krausen Ziffern »1742«.

      »Es scheint eine Art Bericht zu sein.«

      »Ja, es ist die Aufzeichnung einer Familienlegende, die im Geschlecht der Baskervilles überliefert ist.«

      »Aber wenn ich Sie recht verstehe, ist Ihr Anliegen von einer mehr gegenwärtigen, praktischen Natur?«

      »Nur allzu gegenwärtig, allerdings. Eine höchst reale und dringliche Angelegenheit, in der binnen vierundzwanzig Stunden eine Entscheidung fallen muss. Aber dieses Dokument ist

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