Der Hund der Baskervilles. Sir Arthur Conan Doyle
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Читать онлайн книгу Der Hund der Baskervilles - Sir Arthur Conan Doyle страница 4
»Um den Ursprung des Hundes der Baskervilles ranken sich mancherlei Legenden, aber da ich in direkter Linie von Hugo Baskerville abstamme und die Historie von meinem Vater gehört habe, dem sie wiederum von seinem Vater überliefert worden ist, schreibe ich sie hier nieder in der festen Überzeugung, dass sich alles genau so zugetragen hat, wie ich es hier berichten werde. Ich will und wünsche, dass Ihr, meine Söhne, in dem festen Glauben leben sollt, dass jene höhere Gerechtigkeit, die uns für unsere Sünden straft, dieselben auch in überreicher Gnade vergeben kann und dass kein Fluch so mächtig ist, dass er nicht durch Gebet und tätige Reue überwunden werden kann. Möget Ihr aus dieser Geschichte lernen, nicht die Früchte der Vergangenheit zu fürchten, sondern in der Zukunft Umsicht walten zu lassen, auf dass jene verruchten Leidenschaften, die unserem Geschlecht so schweres Leid zugefügt haben, niemals wieder zu unserem Schaden entfesselt werden mögen.
Wisset also, dass in der Zeit der Großen Rebellion (deren Geschichte, aufgezeichnet von dem gelehrten Lord Clarendon, ich Euch recht angelegentlich zur Lektüre empfehle) der Herrensitz der Baskervilles im Besitz von Hugo desselben Namens war, und dieser war unleugbar ein wilder, lasterhafter und gottloser Mann. Dies hätten seine Nachbarn ihm wohl noch verzeihen mögen, sintemalen in den hiesigen Landstrichen Heilige niemals haben gedeihen wollen; aber ihm waren Wollust und Grausamkeit in solchem Maße zu eigen, dass sein Name im ganzen Westen Englands sprichwörtlich wurde. Nun begab es sich, dass dieser Hugo zur Tochter eines Freibauern, dessen Land an den Besitz der Baskervilles grenzte, in Liebe entbrannte (sofern man eine so schändliche Leidenschaft wie die seine mit einem so edlen Wort benennen darf). Aber die junge Maid, die züchtig und ehrbar war, verstand es, seine Nähe zu meiden, denn sie kannte und fürchtete seinen schlimmen Ruf. Es begab sich aber, dass jener Hugo an einem Sankt-Michaelis-Tag, als er wusste, dass ihr Vater und ihre Brüder fort waren, zusammen mit fünf oder sechs seiner ruchlosen, frevelhaften Gesellen in das Haus des Freibauern eindrang und das Mädchen entführte. Sie schleppten die Maid zum Herrenhaus und schlossen sie in einem Zimmer im obersten Stockwerk ein, und darauf setzten Hugo und seine Kumpane sich zu einem üppigen Zechgelage, wie sie es allnächtlich zu tun pflegten. Dem armen Mädchen dort oben mochten wohl die Sinne geschwunden sein, als sie das Singen und Grölen und das entsetzliche Fluchen hörte, das von unten heraufscholl, denn man sagt, dass solche Worte, wie Hugo Baskerville sie im Weinrausch ausstieß, jedem, der sie in den Mund nahm, sogleich das Tor zur Hölle geöffnet hätten. Zuletzt tat sie in ihrer Verzweiflung etwas, was auch der tapferste und gewandteste Mann kaum gewagt hätte – sie benutzte das Efeugestrüpp, das die Südwand des Herrenhauses bedeckte (und das sie noch immer bedeckt), und kletterte daran hinunter, von ihrem Gefängnis oben unter dem Dach bis auf den festen Erdboden, und dann floh sie quer über das Moor zu ihrem Vaterhaus. Es lagen aber drei Wegstunden zwischen dem Herrenhaus und dem Hof ihres Vaters.
Kurz darauf verließ Hugo seine Gäste, um seiner Gefangenen Speise und Trank – und vielleicht auch Schlimmeres – zu bringen, da fand er den Käfig leer und den Vogel entflohen. Und nun schien es, als würde der Teufel in ihn fahren, denn er stürzte die Treppen hinunter in den Speisesaal und sprang mit einem wilden Satz auf den großen Tisch, dass die Flaschen und Platten nur so tanzten, und er schrie den Tafelnden zu, noch in selbiger Nacht wolle er sich mit Leib und Seele dem Bösen verschreiben, wenn er nur die Dirne bekommen könnte. Und während seine Saufkumpane noch voller Entsetzen auf den Rasenden starrten, rief einer von ihnen, der noch verruchter war als die anderen, oder vielleicht auch nur noch betrunkener, man solle die Hunde auf sie hetzen. Da rannte Hugo aus dem Haus und schrie seinen Stallknechten zu, sie sollten sein Pferd satteln und die Meute aus dem Zwinger lassen. Er warf den Hunden ein Halstuch des Mädchens hin und ließ sie die Fährte aufnehmen, und dann ging die wilde Jagd wie der Sturmwind über das vom Mondlicht erhellte Moor.
Die Zechkumpane standen eine Weile starr vor Verblüffung; sie vermochten kaum zu begreifen, was sich da in solcher Hast abgespielt hatte. Aber dann dämmerte in ihren umnebelten Hirnen eine Ahnung auf, was sich dort auf dem Moor wohl begeben würde. Alles geriet in Aufruhr, die einen riefen nach ihren Pistolen, die anderen nach ihren Pferden, und wieder andere nach mehr Wein. Endlich kehrte ein wenig Vernunft in ihre wirren Köpfe ein, und die ganze Gesellschaft, dreizehn an der Zahl, sprang auf ihre Pferde und nahm die Verfolgung auf. Der Mond schien hell vom Himmel, und Seite an Seite sprengten sie in die Richtung, die das Mädchen genommen haben musste, um ihr väterliches Haus zu erreichen.
Sie hatten eine oder zwei Meilen zurückgelegt, da begegneten sie einem Schafhirten, der nachts im Moor Wache hielt, und sie schrien ihm zu, ob er nicht die wilde Jagd gesehen hätte. Der Mann aber, so berichtet die Legende, war so von Angst geschüttelt, dass er kaum reden konnte. Endlich aber sagte er, er habe die Unglückliche tatsächlich gesehen, und auch die Meute auf ihrer Spur. ›Aber ich habe noch mehr gesehen‹, sagte er. ›Hugo Baskerville sprengte auf seiner schwarzen Stute an mir vorüber, und hinter ihm lief lautlos ein Hund – ein solcher Höllenhund, wie Gott ihn mir niemals auf die Fersen hetzen wolle!‹
Die bezechten Junker bedachten den Schäfer mit Flüchen und galoppierten weiter. Aber nach kurzer Zeit überlief es sie kalt, denn vom Moor her hörten sie ein galoppierendes Pferd näher kommen, und die schwarze Stute raste, mit weißem Schaum bedeckt, an ihnen vorüber – mit schleifendem Zügel und leerem Sattel. Da drängten die Zechbrüder sich eng aneinander, denn Furcht überkam sie. Aber sie ritten weiter, obwohl jeder Einzelne von ihnen, wäre er allein gewesen, nur allzu gern sein Pferd herumgeworfen hätte. Sie trabten langsam voran, und schließlich fanden sie die Meute. Die Hunde, die doch bekannt waren für ihre edle Rasse und ihre Tapferkeit, drängten sich am Rande eines Tales, eines goyal, wie wir es hier in Exmoor nennen, winselnd aneinander. Einige schlichen sich seitlich fort, andere starrten mit gesträubten Haaren und stieren Augen in das Tal hinein, das vor ihnen lag.
Die Reiter hatten angehalten, und die Herren waren, wie Ihr Euch denken könnt, jetzt viel nüchterner als bei ihrem Aufbruch. Die meisten wollten um keinen Preis weiterreiten, nur drei von ihnen, die Kühnsten oder die Betrunkensten, wagten sich in das Tal hinein. Dieses öffnete sich zu einer breiten Senke, in der zwei von jenen Steinriesen standen und auch heute noch stehen, die in uralten Zeiten von einem längst vergessenen Volk errichtet worden sind. Das Mondlicht fiel hell auf den grasigen Talgrund, und in der Mitte lag das unglückliche Mädchen, das dort vor Angst und Erschöpfung tot hingesunken war. Doch es war nicht der Anblick ihres Leichnams, und auch nicht der Anblick des toten Hugo Baskerville, der daneben lag, was den drei draufgängerischen Wüstlingen die Haare zu Berge stehen ließ, sondern es war das grausige Wesen, das über Hugos Leichnam stand und ihm die Kehle zerfleischte – eine riesige schwarze Bestie in Gestalt eines Hundes, aber viel größer als jeder Hund, den je eines Sterblichen Auge erblickt hatte. Vor ihren entsetzten Augen riss das Tier dem Hugo Baskerville die Gurgel heraus, und als es seine glühenden Augen und triefenden Lefzen den Reitern zuwandte, kreischten sie vor Angst laut auf und flohen schreiend über das Moor, als gälte es ihr Leben. Man sagt, einer von ihnen sei noch in derselben Nacht vor Entsetzen ob dieses Anblicks gestorben, und die beiden anderen blieben für den Rest ihrer Tage gebrochene Männer.
Dies, meine Söhne, ist die Geschichte vom Ursprung des Hundes, der der Legende nach unsere Familie seither so schwer heimgesucht hat. Ich habe sie hier niedergeschrieben im Wissen, dass Bekanntes uns weniger Grauen einflößt als dunkle Gerüchte oder Andeutungen. Es lässt sich freilich nicht leugnen, dass einige unserer Vorfahren ein unseliges Ende gefunden haben und eines plötzlichen, gewaltsamen oder mysteriösen Todes gestorben sind. Dennoch wollen wir auf die unendliche Güte der Vorsehung vertrauen, welche Unschuldige nicht auf ewig und nicht über das dritte oder vierte Glied hinaus bestraft, wie es in der Heiligen Schrift steht. Ich empfehle Euch der Gnade der Vorsehung, meine Söhne, aber ich gebe Euch auch den Rat, Vorsicht walten zu lassen und dem Moor fern zu bleiben in jenen finsteren Stunden, da die Macht des Bösen dort ihr Unwesen treibt.
(Dies schrieb Hugo Baskerville für seine Söhne Rodger und