Eine kurze Geschichte des systemischen Denkens. Wolfram Lutterer
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Damit ergibt sich ein weiterer Missklang in unserer kleinen Ahnenreihe: Die Dekonstruktion von Wertideen, wie Nietzsche sie entwickelt, könnte zunächst einmal eine wertvolle Facette in der Reflexion unserer Wertvorstellungen darstellen. Sie führt bei ihm jedoch zu einer autokratischen Vorstellungswelt, fernab jeglicher konstruktivistisch-reflexiver Anteile. Letztlich singt er bloß ein Lob der Stärke und bejubelt die Unterwerfung der Schwächeren durch die Stärkeren im Sinne von »Raubvogel« und »Lamm«.53 In diesem Zusammenhang steht auch seine Vorstellung des sogenannten »Übermenschen«.
Ironischerweise war Nietzsche selbst, der später psychisch schwer erkrankte, nahezu zeit seines Lebens kränklich gewesen. Es war der Schwache, der vom Starken träumte. Nietzsche steht mit seiner Philosophie am relativen Anfang und somit stellvertretend für eine ganze Reihe von Irritationen, die in der Folgezeit ausgelöst wurden.
Aus einer systemischen Perspektive liest sich Nietzsches Philosophie schlussendlich als entschiedener Gegenentwurf hierzu: Es geht um den Einzelnen gegen die anderen, die »Schwachen«. Es geht um Selbsterhöhung, nicht um Interaktion. Kooperation und wechselseitige Hilfe sind allenfalls ein Zeichen der Schwäche, wenn nicht gar der Heimtücke. Entwickelt Nietzsche damit wenigstens Ansätze einer konstruktivistischen Philosophie? Wohl eher nicht.
Damit endet dieser kurze Weg durch die Neuzeit. Nur fünf Autoren standen stellvertretend für viele. Sie stehen allerdings paradigmatisch für relevante, sich teilweise befruchtende, teilweise sich widersprechende Strömungen unserer Geistesgeschichte. Wenn man so will, so setzt sich hier nur jener Streit fort, der bereits in der Antike anhob: Was ist Wahrheit? Gibt es überhaupt Wahrheit? Was ist Erkenntnis? Es zeigt sich aber auch, dass konstruktivistische und systemische Denkweisen so langsam an Fahrt aufnehmen. Die Neuzeit bereitet zudem den intellektuellen Boden für eine grundlegende Revision wissenschaftlichen Denkens, die mit Beginn des 20. Jahrhunderts erfolgt.
*Ryle, Der Begriff des Geistes, S. 13 ff. Besonders anschaulich beschreibt Gregory Bateson diese Form des Kategorienfehlers. Solche Denk- oder Sprechweisen entsprächen derjenigen, »die Speisekarte anstelle der Mahlzeit zu essen« (Ökologie des Geistes, S. 363).
*Soweit Manfred Geier, Eine Revolution der Denkart, in: Pörksen: Schlüsselwerke des Konstruktivismus, S. 31. Geier referiert hierbei nicht nur ausführlich Kant als Konstruktivisten, sondern reflektiert insbesondere dessen Verhältnis zu Vico. (Man beachte im Übrigen die teils divergierende »Ahnenreihe« in Pörksens Schlüsselwerken.)
*Hierzu später ausführlicher bei Gregory Batesons Theorie der Kommunikation.
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