Rheinfall. Daniel Badraun

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Rheinfall - Daniel Badraun

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      «Eine Heilige!»

      Sie schmunzelt. «Andere Möglichkeiten?»

      «Mägi?»

      «Ich bitte dich, da war ich siebzehn, zündete am Abend Räucherstäbchen an und machte Musik zusammen mit Mike, der eigentlich Michael hiess!»

      «Aber Margrittli? Ich meine, das ist wie …»

      «Sag schon, ich lebe schliesslich schon eine Weile mit diesem Namen!»

      «Das ist wie … eine Blumenwiese, Landwirtschaft.»

      «Meine Eltern sind …, das heisst waren Weinbauern. Sonst noch etwas, Alfred?»

      In dem Moment wird die Tür des «Adria» aufgerissen und ein junger Mann mit zerzausten Haaren betritt das Lokal. Ganz kurz nur bleibt er stehen und schaut sich um. Dann winkt er Freddy aufgeregt zu.

      «Du entschuldigst mich?» Ohne eine Antwort abzuwarten, hastet Freddy hinter dem jungen Mann aus dem Lokal.

      «Ich entschuldige gar nichts, Freddy!», flüstert sie und lächelt.

      Margrittli hat ihren Tee ausgetrunken, ohne dass Freddy zurückgekommen wäre. So winkt sie Giancarlo zu sich, bezahlt ihren Tee, bezahlt auch den Kaffee für Freddy, «das wird dich noch teuer zu stehen kommen!», zieht ihre Jeansjacke an und taucht in die Gasse ein.

      Sie geht nach links, nach rechts und auch geradeaus. Hinter einer Hausecke bleibt sie stehen und blickt auf den Platz hinaus.

      Da stehen sie. Freddy und sein Begleiter. Freddy zeigt auf ein Plakat, schüttelt den Kopf. Der junge Mann neben ihm tippt mit dem Finger darauf, immer wieder auf das gleiche Foto.

      «Euch muss ich wohl auf die Sprünge helfen!» Sie zieht ein Haarband aus ihrer Tasche, ordnet mit wenigen Handgriffen ihre Frisur neu, wie dies nur Frauen können, kommt zwischen den Häusern hervor, eine Frau, die zufällig über einen Platz geht, auf dem Weg nach Hause, dann stehen bleibt, einen Bekannten sieht, diesem zuwinkt und ihre Schritte beschleunigt.

      Freddy sieht sie kommen, stösst seinen Begleiter an, sagt: «Kein Wort, Felix, hörst du?» Er schaut Margrittli entgegen.

      Sie geht auf die beiden zu, lächelt Freddy an. «Das nächste Mal lasse ich dich sitzen und du bezahlst!»

      Freddy ringt nach Luft, japst eine Entschuldigung, da wendet sie sich bereits Felix zu. «Muss ja wahnsinnig wichtig sein, eure Verabredung, dass Freddy mich vergisst!»

      «Vielleicht erzähle ich es dir bei Gelegenheit. Übrigens, ich bin Felix. Kannst du mir einen Gefallen tun?» Er schaut sie neugierig an.

      «Muss ich auch dich einladen?»

      Freddy schweigt.

      Felix zeigt auf das Plakat. «Kannst du dich bitte hier hinstellen, ja, hier neben dieses Bild.»

      «Wie komme ich dazu?» Sie schaut flüchtig auf das Plakat, Stadttheater, eine Dame in Blautönen, überschrieben mit: «Marguerite Duval liest in Schaffhausen».

      «Bitte!» Felix zeigt mit dem Kinn auf Freddy. «Ich möchte ihm etwas beweisen. Es ist eine Art Wette!»

      «Na gut!» Sie macht zwei Schritte auf das Plakat zu, «wenn ich dir helfen kann zu gewinnen …» Sie dreht sich um. «Na? Was ist?»

      Felix stösst einen bewundernden Pfiff aus, Freddy lässt sich von Felix’ Begeisterung anstecken. Geht zwei Schritte zur Seite, hält den Kopf schief, lächelt dann zufrieden.

      «Was habe ich dir gesagt? Diese Ähnlichkeit!» Felix boxt Freddy in die Seite. «Das Geschäft ist perfekt!»

      «Darf ich fragen, ob ich mit den Geschäften der beiden Herren etwas zu tun habe?» Margrittli hat ihr Haarband wieder abgenommen und wartet, bis sich die Begeisterung etwas legt. «Und wenn ja, müsstet ihr mich nicht fragen, ob ich mitmachen will?»

      «Hör zu!» Freddy kratzt sich hinter dem Ohr. «Wenn du dabei bist, schaut für uns alle eine hübsche Summe heraus.»

      «Ich kenne euch nicht. Wie soll ich euch vertrauen? Und worum geht es überhaupt?»

      «Margrittli, es ist ein Spiel!» Freddy schaut sie flehend an.

      Sie dreht sich einmal um die eigene Achse. «Na gut! Aber es wird nicht billig.»

      Margrittli, Freddy und Felix sitzen vor dem Restaurant Falken in breiten Korbsesseln.

      «Es ist alles ganz einfach», erklärt Freddy und nimmt ein paar Bierteller in die Hand.

      «Warum macht ihr es nicht selber, wenn es so einfach ist?» Sie schaut ihn spöttisch an.

      «Es ist eine Frage der Gene.» Felix fischt sich eine Zigarette aus seinem Päckchen. «Wir zwei gehen nicht gut als Frauen durch.»

      «Ihr braucht also eine Frau?» Sie zieht die Augenbrauen hoch,

      Freddy grinst.

      «Brauchen ist vielleicht das falsche Wort.» Felix nimmt langsam ein Streichholz aus der Schachtel. «Es ist so: Wir haben einen Freund, der in der Klemme steckt, dem würden wir gerne einen Gefallen tun.»

      «Dann braucht euer Freund eine Frau?»

      «Es geht eigentlich um die Freundin unseres Freundes.» Endlich brennt die Zigarette. Felix betrachtet nachdenklich die glühende Spitze. «Die Freundin unseres Freundes hat eine anstrengende Zeit hinter sich und eine noch anstrengendere Zeit vor sich. Sie würde sich zwischendurch gerne ausruhen, doch dazu ist sie zu prominent.»

      «Und da haben wir uns gedacht, du könntest, weil du ihr doch so ähnlich siehst …» Freddy sieht Margrittli fragend an.

      «Was soll ich können, lieber Freddy?»

      «Die Frau ist echt im Stress. Sie muss von Medienauftritt zu Medienauftritt. Sie kommt kaum zur Ruhe. Und du siehst ihr zum Verwechseln ähnlich. Wir haben uns gedacht, du könntest sie vielleicht entlasten.»

      «Als Doppelgängerin sozusagen?»

      «Genau, das ist die richtige Bezeichnung.» Felix drückt die Zigarette aus.

      «Und was schaut dabei für mich heraus?»

      Freddy legt einen Briefumschlag auf den Tisch.

      Margrittli steckt ihn ein. «Ihr werdet von mir hören.»

      «Nein, wir werden uns melden, wenn es losgeht. Gib uns deine Handynummer.»

      «Ich habe kein Handy», Margrittli lacht, «ich bin ein freier Mensch.»

      DREI

      Es ist Nacht. Langsam geht Margrittli den Hang hinauf. Rechts die dunklen Umrisse von liegenden Kühen. Dahinter der Waldrand. Sie schaut sich um und verschwindet zwischen den Bäumen. Der Weg ist schmal und in der Dunkelheit kaum zu erkennen. Immer wieder bleibt sie stehen, um zu verschnaufen. Einmal hört sie den klagenden Ruf eines Käuzchens.

      Felix

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