Lockdown, Homeschooling und Social Distancing – der Zweitspracherwerb unter akut veränderten Bedingungen der COVID-19-Pandemie. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Lockdown, Homeschooling und Social Distancing – der Zweitspracherwerb unter akut veränderten Bedingungen der COVID-19-Pandemie - Группа авторов страница 9

Lockdown, Homeschooling und Social Distancing – der Zweitspracherwerb unter akut veränderten Bedingungen der COVID-19-Pandemie - Группа авторов

Скачать книгу

zur integrativen Sprachförderung (vgl. Fachportal IBM: VKL/VABO 2021).

      Falls Vorbereitungsklassen gebildet werden, so regelt die „Verordnung des Kultusministeriums zur Regelung der Stundentafeln für die Vorbereitungsklassen allgemein bildender Schulen” (zum 06.09.2017 aktuellste verfügbare Fassung der Gesamtausgabe) die Anzahl der Stunden genauer und gibt Vorgaben zu den zu unterrichtenden Fächern, wobei Deutsch und Demokratiebildung verpflichtend sind. Zur Koordination der Sprachförder- und Integrationsmaßnahmen erhält die Schule je gebildeter Vorbereitungsklasse eine Entlastungsstunde (vgl. Ministerium KJS 2017b: 7).

      Decker-Ernst (2017) stellte bereits auf der Grundlage von Daten aus Baden-Württemberg aus den Schuljahren 2009/2010 (angestrebte Vollerhebung) fest, dass in Baden-Württemberg die Anzahl separat geführter Vorbereitungsklassen (VKL-S) und integrativ geführter Vorbereitungsklassen (VKL-I) vergleichbar ist, zahlenmäßig mit einem leichten Überhang von VKL-S (vgl. Decker-Ernst 2017: 223f.). Dabei entspricht die Einteilung von Decker-Ernst in VKL-S den parallelen bis teilintegrativen Modellen von Massumi und von Dewitz und die VKL-I eher den integrativen Modellen (vgl. Decker-Ernst 2017: 283), wobei die Einteilung von Massumi und von Dewitz die Komplexität und Unterschiedlichkeit der Modelle deutlicher abbildet (vgl. Massumi/von Dewitz 2015: 45). Decker-Ernst stellte darüber hinaus fest, dass Schulleitungen teilweise erfinderisch sind, wenn es um die Zuteilung und den Einsatz von Ressourcen geht (vgl. Decker-Ernst 2017: 224f.). So ist es nicht ausgeschlossen, dass Vorbereitungsklassen auf dem Papier mit den entsprechenden Ressourcen in der Praxis integrativ geführt werden oder aber, dass für Sprachförderung gedachte Unterrichtsstunden anderweitig verwendet werden, beispielsweise für die Krankheitsvertretung.

      Laut Decker-Ernst entscheiden ein Drittel der von ihr befragten VKL-Lehrkräfte darüber hinaus selbst, welche Inhalte im Unterricht erarbeitet werden. Eine Vergleichbarkeit der Unterrichtsgrundlagen ist daher nicht gegeben (vgl. Decker-Ernst 2017: 239f.). Bezogen auf die Lehrkräfte erfasst Decker-Ernst ein hohes Engagement bei der Entwicklung curricularer Grundlagen, Unterrichtsmaterialien oder auch von Sprachstandserhebungsverfahren; viele Lehrkräfte zeigten ebenfalls die Bereitschaft zur Übernahme sozialpädagogischer Aufgaben (vgl. Decker-Ernst 2017: 281). Zugleich zeigen ihre Ergebnisse aber auch, dass nur wenige Lehrkräfte über eine spezifische Qualifikation als Lehrkräfte für Deutsch als Zweitsprache verfügen. Dieses Ergebnis erscheint besonders dann besorgniserregend, wenn keine übergreifenden Standards für Unterrichtsinhalte, Ziele und Kompetenzen für die VKL existieren, weil es die Qualität des Unterrichts in Frage stellt; Decker-Ernst weist zusätzlich darauf hin, dass Vernetzungsstrukturen und Weiterbildungen für Lehrkräfte fehlen (vgl. Decker-Ernst 2017: 281). Inzwischen ist in Baden-Württemberg nachgesteuert worden. Für die organisatorische Umsetzung sowie den Unterricht in VKL und VABO stehen unter „Orientierungsrahmen VKL“ und „VABO“ spezifische Hinweise, Erläuterungen und Materialien online zur Verfügung. Diese Materialien sind 2017 erarbeitet und 2019 überarbeitet und deutlich erweitert worden (vgl. Fachportal IBM: VKL/VABO 2021). Das Fachportal Integration – Bildung – Migration zeigt für Baden-Württemberg, dass auch der Aspekt der Fortbildungen und Veranstaltungen stärker berücksichtigt werden soll, allerdings ist die entsprechende Seite zu Veranstaltungen und Fortbildungen noch im Aufbau (vgl. Fachportal IBM: Fortbildungen 2021).

      An den Schulen, deren Lehrkräfte an unserer Erhebung teilgenommen haben, liegen unterschiedliche Ausgestaltungen der schulorganisatorischen Modelle vor; bei den für diesen Beitrag ausgewählten Schulen liegen verschiedene teilintegrative Modelle und ein eher paralleles Modell vor. Auch der von Decker-Ernst (2017) angemerkte unterschiedliche und kreative Umgang der Schulen mit den vorgegebenen Ressourcen sowie das hohe Engagement der Lehrkräfte mit gleichzeitig sehr unterschiedlichen Qualifizierungen wurde exemplarisch sichtbar.

      3 Sprachunterricht in der pandemiebedingten Krisensituation

      Die ausgewählten Interviews mit vier Lehrkräften, zwei davon unterrichten zurzeit in Vorbereitungsklassen an Grundschulen, zwei in Vorbereitungsklassen an weiterführenden Schulen, sind im Dezember 2020 und Anfang Januar 2021 entstanden. In einer der Grundschulen wird die VKL passend zum Schuljahr ein Jahr lang parallel geführt, in der anderen liegt ein teilintegratives Modell vor, in dem die Schüler*innen zwar in allen Fächern von der VKL-Lehrerin unterrichtet werden, im Bereich des Ganztagesangebots aber bereits frühzeitig integriert werden, indem sie z.B. am gemeinsamen Mittagessen und an Wahlangeboten am Nachmittag in altersbezogenen, klassenübergreifenden Gruppen teilnehmen. In der Sekundarstufe liegen teilintegrative Modelle vor, wobei an einer Schule der Sprachunterricht in Anlehnung an die Didaktik von Deutsch als Fremdsprache sehr systematisch nach Lehrgangsprinzip durchgeführt wird.

      Die Lehrkräfte blicken in den Interviews auf das Frühjahr 2020 zurück und planen für die kommende Schulschließung im Januar 2021. Zu allen Interviews wurden zunächst Inventarisierungen (vgl. Kruse 2015: 570f.) erstellt, um alle Kernstellen herauszufiltern, in denen die Beschulung während der Pandemie thematisiert wird. So wurde deutlich, welche Themen von allen Lehrkräften angesprochen werden und welche nur von einzelnen. Alle Lehrkräfte berichten über die Organisation des Unterrichts im Frühjahr 2020 während der ersten Schulschließungen, die Durchführung des Wechselunterrichts und Pläne für neue Schulschließungen, das Management der Schulen und die Funktion der Schulleitungen, die Herausforderungen, die sich aus der teils fehlenden, teils erst ganz neu aufgebauten digitalen Infrastruktur der Schulen ergeben, die Organisation der Kommunikation mit Kindern und Eltern. Thematisiert werden von einzelnen Lehrkräften auch die generellen Benachteiligungen der VKL und Auflösungen von VKL, was mit der pandemiebedingten Verschärfung des Lehrkräftemangels in Verbindung gebracht wird.

      Für den vorliegenden Beitrag wurden zu den Themen Unterricht per Materialpaket, DaZ-Unterricht digital und VKL als schwächstes Glied der Kette exemplarisch Kernstellen aus den Interviews ausgewählt und ggf. stark unterschiedliche Perspektiven kontrastiert. Diese Kernstellen wurden nach Kruse analysiert (vgl. Kruse 2015: 556). Im Vergleich wird sichtbar, wie die Lehrkräfte die bildungspolitischen Vorgaben unter Pandemiebedingungen umsetzen und wie sie verschiedene Ressourcen und Möglichkeiten, die vorhanden sind, nutzen. Wie die Lehrkräfte die ungewohnte Situation der geschlossenen Schulen oder Varianten von Wechselunterricht erleben, wie sie den Unterricht während dieser unterschiedlichen Phasen ausgestalten, auf welche Ressourcen sie dabei zurückgreifen und welche Rolle sie dabei den Schüler*innen zuschreiben, kontrastiert teilweise stark.

      3.1 Unterricht per Materialpaket

      Alle vier Lehrkräfte erzählen davon, dass und wie sie die Schüler*innen im Frühling 2020 mit Materialpaketen versorgten; zwei Lehrkräfte deponierten ihre Materialpakete in den Schulen und ließen sie dort auch wieder von den Eltern hinterlegen; zwei Lehrkräfte brachten die Materialpakete von Tür zu Tür. Eine Lehrkraft der Grundschule nutzte die Übergabe der Pakete zusätzlich, um Gespräche über die Lernprozesse der Kinder zu führen, was sehr zeitaufwändig war. Der Erfolg des Unterrichts mit Hilfe von Materialpaketen wird von den Lehrkräften sehr unterschiedlich bewertet. Eine Lehrkraft an der Sekundarschule war damit sehr unzufrieden: „UND (-) ich hab gewusst? so will ich NIE wieder unterrichten? […] mit koPIERpapier paketen;“ (Lehrkraft C (1:42:50:3–42:56:1)). Diese dezidiert aus einer subjektiven Perspektive formulierte Beurteilung kontrastiert mit der Perspektive der Grundschullehrkräfte, die den Unterricht mit Lernpaketen weniger negativ sehen. Rückblickend bewertet die eine Lehrkraft diesen Unterricht als „nicht wenig effekTI:V? also es war nicht so SCHLECHT;“ (Lehrkraft A (0:18:19:9–0:18:22:4). Der folgende Ausschnitt zeigt, dass die andere Grundschullehrkraft ebenfalls sehr zufrieden war. Wie sie über den Unterricht mit Lernpaketen spricht und wie sie diese Unterrichtsorganisation auch legitimiert, wird im Folgenden genauer analysiert. In ihre Vorbereitungsklasse gehen zurzeit 13 Kinder. In der Organisation des Unterrichts orientierte sie sich am Vorgehen ihrer Kolleg*innen und ließ die Materialpakete in der Regel an der Schule abholen und wieder hinterlegen. In einzelnen Fällen übergab sie die Materialpakete auch an der Tür. Die Tür-und-Angel-Situation nutzte sie nicht für lernprozessbezogene Gespräche. Im folgenden Ausschnitt

Скачать книгу