Maß- und Formänderungen infolge von Wärmebehandlung von Stählen. Karl Heeß

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Maß- und Formänderungen infolge von Wärmebehandlung von Stählen - Karl Heeß

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eine absolut homogene chemische Zusammensetzung auf,

       es liegt ein homogenes Gefüge mit homogener Korngrößenverteilung vor,

       es beinhaltet keinerlei Texturen und

       die Vorbearbeitung kann einen völlig eigenspannungsfreien Rohling liefern.

      Weiterhin muss angenommen werden, dass die Wärmebehandlung unter idealisierten Bedingungen durchgeführt werden kann. Diese beinhalten:

       gleichmäßige Erwärmung am Bauteil,

       langsamste Erwärmgeschwindigkeit,

       ideale Chargierung mit ausreichend großen Abständen zwischen den Bau-teilen und

       minimal mögliche Abkühlgeschwindigkeit mit

       ideal homogenen Wärmeübergangsverhältnissen.

      Selbst diese perfekte Fertigung würde zu Maßänderungen führen, wenn durch die Wärmebehandlung eine Veränderung der Mikrostruktur bewirkt wird! Bloße Maßänderungen entstehen dann bereits ohne jede plastische Deformation und völlig unvermeidbar durch die Abhängigkeit des spezifischen Volumens vom Gefügezustand (Bild 1.2). Aus diesem Bild /Lem59/ ist bspw. zu entnehmen, dass ein martensitisch gehärtetes Bauteil aus einem Stahl mit 0,4 % Kohlenstoff durch eine Normalglühung mit sehr langsamer Abkühlung, die unter diesen Bedingungen zu einem ferritisch/perlitischen Gefüge führt, eine unvermeidbare Volumenreduzierung erfährt. Dieses Beispiel mag praktisch nicht relevant sein, aber es zeigt klar den Zusammenhang zwischen unvermeidbaren Maßänderungen und Phasenumwandlung unter den eingangs formulierten idealisierten Bedingungen.

      Eine von Wyss erstellte Systematisierung der unvermeidbaren Maß- und Formänderungen bezeichnet diesen Fall mit „Tendenz I“ (Bild 1.8). In dieser Darstellung /Wys72/ kennzeichnen die gestrichelten Linien die Ursprungskontur und die durchgezogenen mögliche Umrisse nach der Wärmebehandlung. Die Tendenz I zeichnet sich durch reine Maßänderungen ohne Formänderungen aus, die aber anisotrop sein können. Sie sind von folgenden Größen abhängig:

       chemische Zusammensetzung (speziell Kohlenstoff)

       Ausgangsgefüge

       Austenitisierbedingungen

       Art der Umwandlung

       Grad der Umwandlung (anteilig, vollständig)

      Bild 1.8:

      Systematik der unvermeidbaren Maß- und Formänderungen /Wys72/

      1.3.2 Maß- und Formänderungen durch thermische Spannungen

      Im nächsten Schritt des Gedankenexperiments wird die Forderung nach beliebig langsamer Abkühlung fallen gelassen, um sich den realen Verhältnissen bei einem Härteprozess anzunähern. Im ersten Schritt soll aber von einem umwandlungsfreien Prozess ausgegangen werden.

      1.3.2.1 Spannungsentwicklung und Eigenspannungszustand

      Grundsätzlich gilt dann, dass bei jedem Abschreckprozess zwangsläufig die Oberfläche zunächst schneller abkühlt als die innen liegenden Bereiche. Dadurch versucht der randnahe Bereich zu kontrahieren. Diesem Bestreben stellt sich aber der noch warme Kern entgegen. Entsprechend kommt es zunächst zur Ausbildung von Zugspannungen am Rand und kompensierenden Druckspannungen im Kern (Bild 1.9, /Ros66/). Mit fortschreitender Abkühlung wächst die Temperaturdifferenz zwischen Rand und Kern an, bis sie ein Maximum erreicht. Zu diesem Zeitpunkt (Punkt W in Bild 1.9) haben sich maximale Zugspannungen eingestellt. Im weiteren Verlauf gehen diese kontinuierlich zurück. Bei rein elastischem Verhalten würde nach Temperaturausgleich ein eigenspannungsfreier Zylinder resultieren (Kurve a). In der Realität wird aber bei einem Abschreckprozess die (temperaturabhängige) Warmstreckgrenze des Werkstoffs in der Regel überschritten und die resultierenden plastischen Deformationen (schraffierte Bereiche) verschieben die Spannungen im oberflächennahen Bereich in Richtung Druck. Am Ende resultiert ein typischer Abschreck-Eigenspannungs-Zustand: Druckeigenspannungen im Randbereich und Zugeigenspannungen im Kern.

      Bild 1.9:

      Entstehung von Wärmeeigenspannungen /Ros66/

      1.3.2.2 Maß- und Formänderungen

      Aus diesen Ausführungen wird deutlich, dass die Ursache für die Maßänderungen in diesem Fall letztendlich in den lokalen Überschreitungen der Warmstreckgrenze und den damit verbundenen plastischen Verformungen zu finden ist. Vor Beginn der Arbeiten des Sonderforschungsbereichs Distortion Engineering (SFB 570) im Jahre 2001 ging man davon aus, dass die zugehörigen Maß- und Formänderungen durch die Regel von Ameen beschrieben werden können. Diese besagt, dass beim Vorliegen von reinen Wärmespannungen während des Abschreckens alle Werkstücke Maß- und Formänderungen erfahren, welche ihre Gestalt der Kugelform näher bringen /Ame40/. Ergo verkürzt sich die größere Abmessung und die kleinere vergrößert sich. Die Systematisierung nach Wyss bezeichnet diesen Fall mit Tendenz II (Bild 1.8). Bild 1.10 zeigt dies eindrucksvoll am Beispiel eines ehemals Vierkantknüppel-Ballastkörpers aus 100CrMn6 nach einigen hundert Härtezyklen mit Salzbadabschreckung.

      Bild 1.10:

      Ursprünglich Vierkant-Ballastkörper aus 100CrMn6 nach mehreren hundert Salzbadabschreckungen /Lüb12/

      Die aus reinen Wärmespannungen resultierenden Maßänderungen steigen mit wachsenden Spannungen und sinkender Streckgrenze an. Entsprechend gelten folgende Aussagen /Cha73/, die sinngemäß auch auf den Erwärmvorgang übertragen werden können:

      Es ergeben sich ansteigende Maßänderungen mit

       wachsender Abschrecktemperatur,

       wachsender Abschreckgeschwindigkeit,

       sinkender Wärmeleitfähigkeit,

       wachsender Wärmeausdehnung,

       sinkender Warmfestigkeit und

       wachsenden Abmessungen.

      1.3.2.3 Einfluss der Biot-Zahl auf die Maßänderungen

      Ein Studium noch älterer Veröffentlichungen zu diesem Thema, wie es von Berns durchgeführt wurde /Ber04/, zeigt aber, dass diese Regel nicht in der oben formulierten Allgemeinheit gültig ist. So wurde bereits 1927 von Portevin und Sourdillon festgestellt, dass schlanke Stahlzylinder (∅ 25 × 125 mm), die von einer Temperatur unterhalb von Ac1 in Wasser abgeschreckt wurden, nur bei Abschrecktemperaturen oberhalb eines bestimmten Mindestwertes eine Reduzierung der Länge erfahren und damit der Regel von Ameen entsprechen. Für kleinere Abschrecktemperaturen und für die langsamere Ölabschreckung ergab sich hingegen eine Verlängerung der Zylinder (Bild 1.11, /Por27/). Diese beiden Aspekte sind gleichbedeutend mit einem geringeren Temperaturgradienten während der Abkühlung. Eine Steigerung der Festigkeit der Zylinder durch eine Erhöhung des Kohlenstoffgehaltes

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