Maß- und Formänderungen infolge von Wärmebehandlung von Stählen. Karl Heeß
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Da in der Regel sowohl Änderungen in den Maßen als auch in Bezug auf Form, Richtung, Ort und Lauf auftreten, müssen die zugehörigen kennzeichnenden Größen ermittelt werden. Kriterien für die Beschreibung des Verzugs sind in DIN EN ISO 1101 zusammengefasst. Die Ermittlung der Geometrieelemente erfolgt durch geeignete Messvorschriften, die stark geometrieabhängig sind. Für die Innenbohrung von zylindrischen Ringen kann eine entsprechende Messvorschrift beispielsweise lauten:
Messe Kreise in verschiedenen Höhen. Ermittle einen mittleren Innenradius durch das Einpassen eines mittleren Zylinders unter Minimierung der Summe der Abweichungsquadrate zwischen Messung und dem Standardgeometrieelement Zylinder. Wiederhole diese Prozedur vor und nach der Wärmebehandlung. Die Differenz der Zylinderradien nach und vor der Wärmebehandlung ist dann die Änderung des Maßes „Innenradius“. Als Form kann in diesem Beispiel die Zylinderform herangezogen werden, dessen Toleranzzone durch zwei koaxiale Zylinder vom Abstand t begrenzt wird. Die Formänderung ergibt sich entsprechend aus der Differenz der Werte der Messungen nach und vor der Wärmebehandlung.
Bei der Ermittlung der Formabweichungen anhand der Kriterien nach DIN EN ISO 1101 ist zu beachten, dass die eigentliche Gestalt des Elementes nicht berücksichtigt wird. Dies kann zu Fehlinterpretationen des Verzugsverhaltens aus der Differenz der Formänderungen vor und nach der Wärmebehandlung führen, wenn der Verzug durch signifikante Änderungen der Gestalt bestimmt wird. Weiterführende Konzepte zur Analysen der Gestaltsänderung unter Berücksichtigung der Form und Richtung liegen vor /bspw. Sur08, Lüb12/.
1.2 Entstehung von Maß- und Formänderungen1
Als Ursache von Maß- und Formänderungen sind heute zwei Ursachen bekannt, die sich durch die Begriffe
Volumenänderungen und
Verformungen
Ursachen für Maß- und Formänderungen
charakterisieren lassen (Bild 1.1). In den folgenden beiden Abschnitten werden die zugehörigen Zusammenhänge diskutiert.
1.2.1 Volumenänderungen
Volumenänderungen resultieren prinzipiell aus Dichte- und/oder Masseänderungen. Letzterer Fall tritt bei jeder thermochemischen Behandlung auf, da in deren Verlauf zusätzliche Atome in den oberflächennahen Bereich eingebracht werden. Natürlich tragen auch ungewollte Veränderungen wie bspw. eine Randschichtoxidation oder eine Entkohlung zu diesem Effekt bei. Diese gewollten oder ungewollten Randschichtmodifikationen führen neben der Masseänderung in der Regel auch zu Dichteänderungen.
Die Dichte wird aber auch durch Phasenumwandlungen und Ausscheidungsprozesse nachhaltig beeinflusst, die ihrerseits von der (lokalen) chemischen Zusammensetzung und dem prozessabhängigen Temperatur-Zeit-Pfad bestimmt werden. Weiterhin können Spannungen das Umwandlungsverhalten nachhaltig beeinflussen (bspw. /Ahr00/).
Bild 1.2 zeigt die Abhängigkeit der reziproken Dichte – dem spezifischen Volumen – vom Kohlenstoffgehalt /Lem59/. Diese Darstellung von Lement basiert auf röntgenographischen Messungen der Gitterkonstanten und enthält im Original eine Vielzahl weiterer Abschätzungen. An dieser Stelle wurde die Zahl der dargestellten Phasen bewusst begrenzt. So benötigt der Austenit das geringste Volumen pro Masseneinheit, er weist die höchste Dichte auf. Phasengemische aus Ferrit und Zementit und der Martensit benötigen mehr Volumen. Mit wachsendem Kohlenstoffgehalt steigt das spezifische Volumen für alle genannten Phasen näherungsweise linear an. Die Differenz zwischen den Geraden für Ferrit + Zementit und Martensit vergrößert sich dabei deutlich mit wachsendem C-Gehalt. Entsprechendes gilt für die Volumenänderung eines Bauteiles nach der martensitischen Härtung, das im Ausgangszustand aus Ferrit und Zementit bestand. Mit Hilfe von Bild 1.2 oder unter Verwendung der in /Lem59/ angegebenen Formeln können die resultierenden Volumenänderungen abgeschätzt werden.
Der Einfluss des Gefügezustands auf das spezifische Volumen von Kohlenstoffstählen /Lem59/
Die Ursache für dieses Verhalten ist in der Atomanordnung im jeweiligen Elementargitter zu sehen. So sind die vier Atome/Elementarzelle im kubisch-flächenzentrierten Gitter des Austenits entsprechend dichter gepackt als die zwei Atome/Elementarzelle im kubisch-raumzentrierten Gitter.
1.2.1.1 Volumenänderungen durch Umwandlungen
Die im Detail ablaufenden Vorgänge bei der Erwärmung und Abkühlung können mit diesen Überlegungen natürlich nicht erfasst werden. Dafür ist der Einsatz eines Dilatometers hilfreich. Bild 1.3 zeigt einen vollständigen Wärmebehandlungszyklus für eine Probe aus 20MnCr5, die im Ausgangszustand FP-geglüht war. Die Umwandlung in Austenit zeigt die aus der Verringerung des spezifischen Volumens zu erwartende Verkürzung, während die Umwandlung zu Martensit mit einer Volumenvergrößerung einhergeht resultierende Längenänderung am Ende des Zyklus ist vergleichsweise gering, aber positiv und entspricht damit den in Bild 1.2 aufgezeigten Verhältnissen bei einem Kohlenstoffgehalt von 0,2 %.
Die Rückumwandlung von Austenit zu Martensit bringt drastisch größere Maßänderungen mit sich. Beispielhaft ist die Volumenänderung in Form einer Längenänderung in der in Bild 1.3 dargestellten Dilatometerkurve für einen 20MnCr5 zu sehen. Wertet man diese Kurve bei 50 °C aus, so stellt man in diesem Beispiel eine Längenzunahme von 0,9 % des martensitischen Gefüges verglichen zum ferritisch-perlitischen Ausgangszustand fest. Erkennbar sind auch die unterschiedlichen thermischen Ausdehnungskoeffizienten von Ferrit-Perlit und Austenit.
Längenänderungen beim Blindhärten des 20MnCr5 /Lüb12/
1.2.1.2 Volumenänderungen durch Ausscheidungen
Ausscheidungen verursachen kleinere Maßänderungen, die aber im Dilatometer noch gut nachweisbar sind. Bild 1.4 zeigt dies am Beispiel der Carbidausscheidungen beim ersten Anlassen des Stahls X155CrVMo12-1. Die Abweichung vom linearen Ausdehnungsverhalten bei ca. 260 °C ist auf diesen Vorgang zurückzuführen. Weiterhin sind die Bildung von kubischem Martensit und die erneute Martensitbildung am Ende der Abkühlung von Anlasstemperatur erkennbar.
Längenänderungen beim ersten Anlassen des X155CrVMo12–1 nach einer Austenitisierung bei 1050 °C und Ölabschreckung /Lüb12/
1.2.2 Verformungen
Zur Verzugsentstehung beitragende Verformungen lassen sich