Wege, Lichtung, Horizont: Konstellationen des 'Essayistischen' in María Zambranos Claros del bosque und Octavio Paz' El mono gramático. Veit Lindner

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Wege, Lichtung, Horizont: Konstellationen des 'Essayistischen' in María Zambranos Claros del bosque und Octavio Paz' El mono gramático - Veit Lindner Orbis Romanicus

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      Wie sich zeigt, ist ,der Essay‘ als apologetischer Diskurs selbst der Apologie bedürftig; vielleicht ist dies ein Grund dafür, dass seine Verteidigung gegen die Anfeindungen der Wissenschaft oft ihrerseits essayistisch ausfällt. Verteidigen jedenfalls muss sich ,der Essay‘ nicht nur gegen den Vorwurf einer eitlen ,peinture du moi‘; er ist auch schon immer Ziel der Kritik vonseiten des Vernunftmächtigen. Schon unter den Gelehrten seiner Zeit stand er unter Anklage fehlender Wissenschaftlichkeit und Methode. Ein knappes Jahrhundert später ist es dann Nicolas Malebranche, der in seiner Recherche de la vérité (1675) die gängigen Vorwürfe gegen Montaigne pointiert formuliert: Er habe mit den Essais eine Sprache geschaffen, die Vernunftpositionen unterlaufe.223 Ohne an dieser Stelle auf die lange Reihe von Kritikern einzugehen: Der Vorwurf bleibt bestehen, sodass Adorno in seiner berühmten Apologie des Essays (Der Essay als Form) von 1958 noch dagegen mobil macht: Dem Positivismus nach solle, so Adorno, jede Darstellung des Ausdrucks eine Objektivität gefährden, die „nach Abzug des Subjekts herausspränge“. Die Reinheit der Sache selbst hoffe man durch ihre Indifferenz gegenüber dem Ausdruck gewährleisten zu können. Damit läuft der szientifische Geist jedoch Gefahr, zum „stur dogmatischen [sic]“ zu verkommen, schreibt Adorno, um dann noch einmal mächtig gegen die Verächter des Essays auszuholen: „Das unverantwortlich geschluderte Wort wähnt, die Verantwortlichkeit in der Sache zu belegen, und die Reflexion über Geistiges wird zum Privileg des Geistlosen.“224

      Adorno plädiert keineswegs für eine Wiederzusammenführung von Wissenschaft und Kunst. Im Verlauf einer Entmythologisierung seien die beiden auseinandergedriftet; eine Einheit sei weder wiederherstellbar noch erwünscht. Dennoch sei der Gegensatz auch nicht zu hypostasieren: Wer jegliche Vermischung ablehne, sorge für eine „nach Sparten organisierte Kultur“, die den Verzicht auf „die ganze Wahrheit“ in sich berge: „Die Ideale des Reinlichen und Säuberlichen, die dem Betrieb einer veritablen, auf Ewigkeitswerte geeichten Philosophie, einer hieb- und stichfesten, lückenlos durchorganisierten Wissenschaft und einer begriffslos anschaulichen Kunst gemein sind, tragen die Spur repressiver Ordnung.“225

      In der Paraphrase jener berühmten Apologie des Essays wird ein Aspekt essayistischer Haltung deutlich, der auch die beiden Texte von Zambrano und Paz stark prägt: ein Plädoyer für den Gebrauch sämtlicher Sinnesvermögen des Menschen, um dem ,repressiv Systemhaften‘ zu entkommen. Denn bei aller Skepsis geht es der Essayistin/dem Essayisten um die Erkenntnis einer ,ganzen Wahrheit‘; um ein Wissen, das nur unter Einbezug sinnlicher Kapazitäten einer ,imaginatio‘ erlangt werden könne. Beide Texte sprechen aus der Position einer Machtlosigkeit, da sie herrschende Diskurse unterlaufen; nicht indem sie sie angreifen, sondern indem sie sie erweitern und durch den Rückbezug auf die Dichtung mit ihrem ,anderen‘ konfrontieren.

      Besonders stark hatte María Zambrano unter den Machtdispositiven zu leiden: zunächst als Verteidigerin der unterlegenen politischen Sache, anschließend aufgrund ihres philosophischen Stils, der sich der Mystik annähert. Wie Zambrano in den Claros del bosque andeutet, hatte sie selbst damit zu kämpfen, von einem Teil des akademischen Establishments als ,Mystikerin‘ oder ,Poetin‘ nicht für voll genommen zu werden.226 Schließlich musste sich Zambrano auch des allgegenwärtigen ,Machismo‘ erwehren, wie Octavio Paz in seiner Hommage an die Philosophin schreibt. So sei die Lehrtätigkeit Zambranos an der Casa de España (später Colegio de México) vor allem am Widerstand ihrer männlichen Kollegen gescheitert, die es ablehnten, mit einer Frau zusammenzuarbeiten: „¡una mujer profesora de filosofía!“227 Daraufhin sei sie ohne Vorbereitung kurzerhand in die Provinzstadt Morelia geschickt worden, wo sie sich einsam und verlassen in einem Umfeld gefühlt habe, das ihren geistigen Anliegen eher fernstand. Dieser Art von Problemen war Octavio Paz als renommierter Diplomat und bereits früh anerkannter Dichter nicht ausgesetzt. El mono gramático ist dennoch ein Werk, das die „Exklusionsmechanismen der diskursiven Logik“228 unterläuft. Der bloßen Einordnung als ,Prosagedicht‘ entgeht die tiefe und sehr persönliche Reflexion über den Vorgang des Dichtens und Schreibens. Sie entzieht sich jeglicher Macht, die versucht ist, mittels einer wissenschaftlichen Metasprache über den Text zu verfügen, und das Poem aus ihrem Sprachspiel ausschließt. Sein Konzept einer kritischen und historischen Poesie oder einer ,pasión crítica‘ steht daher unter dem Zeichen einer Apologie der Dichtung, die seit Platon unter dem Verdacht steht, der Vernunft entgegengesetzt zu sein. Sowohl Zambrano als auch Paz sehen sie jedoch als Instrument jenes unmittelbaren Weltverständnisses, wie es dem Laien im ,Buch der Natur‘ zur Verfügung steht. Dabei konfrontieren sie jedoch auch die Dichtung mit dem wissenschaftlichen Diskurs. Nicht die Erhöhung des ,Buchs der Natur‘ ist ihr Projekt, sondern die Problematisierung des Dechiffrierens aller Bücher. Denn Zambranos Lichtung ist genauso wie Paz’ Tempelruine unter diesem Gesichtspunkt vor allem eine Metapher für mangelhafte Lesbarkeit.

      „Das komplizierte Ineinander von Dichterischem und Wissenschaftlichem im Essay“, schreibt Gerhard Haas, „hat immer wieder herausgefordert, sein Verhältnis zu diesen beiden Erkenntnis- und Aussageweisen näher zu bestimmen.“229 Beide Texte akzentuieren in der Metathematik die Interrelation von Philosophie und Mystik/Dichtung, die bei Paz als Verknüpfung von Text und Bild zusätzlich auf intermedialer Ebene gedacht und umgesetzt ist. Damit geraten die Texte zum Untersuchungsfeld für das Essayistische selbst, das sich auf seine Konstitutionsmechanismen hin prüft. In der Apologie ganzheitlicher Erkenntnisvermögen lässt sich das ,Essayistische‘, wie Müller-Funk schreibt, als „Absetzbewegung von den vertrauten Formen und Figuren des rationalen Denkens bestimmen: Definition, Eindeutigkeit, Kausalität, Verständlichkeit durch explizite Erklärung, die Wirksamkeit des Kausalgesetzes, Fußnoten, linearer Aufbau, eine strenge und tendenziell statische Distanz von Subjekt und Objekt, Einhaltung der Regeln der ,Disziplin‘.“230 Das ,Essayistische‘ schafft einen Raum, wo Diskurse atmen können, denen die szientifische Aussagepraxis ihre Sprache entzieht. Weil das ,Essayistische‘ sich jedoch dabei selbst infrage stellt, delegitimiert es Wissenschaft nicht, sondern unterhält einen kritischen Dialog mit ihr durch den Einbezug von Imagination und Phantasie, von Erfahrung und Sinnlichkeit.231

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