PLATON - Gesammelte Werke. Platon
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Betrachten wir nun abgesondert von jenem den ernsthaften Inhalt des Werkes, so erscheint schon die Untersuchung über die Natur der Sprache nicht mehr als das einzige, wiewohl sie allerdings am meisten und wunderbar genug ins Auge fällt. Denn da sonst die Gegenstände der Platonischen Untersuchung in mehreren Werken wiederkehren, und nachdem sie zuerst behandelt worden, späterhin noch einmal aus einem andern Gesichtspunkt angesehn oder sonst in ein helleres Licht gesetzt werden, bis sie als ganz ins klare gesetzt in das große alles umfassende Werk aufgenommen werden: so haben wir gar keine Spur, daß jemals dieser Faden, von dem man wahrlich nicht sagen kann, daß er hier zu Ende gesponnen worden, wieder sei angeknüpft worden; und hätte das Schicksal uns dieses eine Gespräch mißgönnt, so würde der Gegenstand gänzlich fehlen, und wir würden sagen müssen, Platon habe sich zu der Sprache verhalten als ein ächter Künstler, vortrefflich nämlich verstanden sie zu gebrauchen und auf eine eigentümliche Weise für sich auszubilden, gar nicht aber etwas darüber zu sagen. Was freilich auch jetzt noch, ungeachtet dieser Verlust uns nicht getroffen, Viele meinen, wir aber keinesweges. Denn sehen wir zu, wie er die Meinung des Hermogenes angreift, und statt eines auf Geratewohl zusammengerafften nur durch Verabredung bestätigten die Sprache darstellt als ein nach Anleitung einer inneren Notwendigkeit und als Abbild einer Idee gewordenes, von dem gebrauchenden Künstler zu beurteilendes und zu verbesserndes Kunstwerkzeug, und wie er die Zusammensetzung und Verwandtschaft der Töne vergleicht mit der Verwandtschaft und den zusammengesetzten Verhältnissen der Dinge, und beide als neben einander laufende und einander entsprechende Systeme ansehen will, die also gewiß in einem höheren Eins sind, und wie er in der physiologischen Qualität der Töne den Grund alles bedeutsamen in der Sprache nicht etwa als Nachahmung des hörbaren, sondern als Darstellung des Wesens der Dinge aufzusuchen befiehlt: so müssen wir gestehen, dies gehört zu dem tiefsinnigsten und größten, was jemals über die Sprache ist ausgesprochen worden.
Schwächer allerdings und auch nur als eine Ausrede dessen, der nicht völlige Rechenschaft zu geben weiß, erscheint dasjenige, was Sokrates gegen Kratylos von der Notwendigkeit neben dem natürlichen auch noch ein willkürliches nur durch Verabredung verständliches Element in der Sprache anzunehmen vorträgt; allein wohl nur deswegen erscheint es so, weil es schwerer ist zu verstehen, und als nur angedeutet einer Fortsetzung bedarf. Denn wenn man erwäget, daß dieser ganze Beweis davon ausgeht, daß in der Bezeichnung ein besseres und ein schlechteres gesetzt wird, und zwar nicht das Bessere in der einen und das Schlechtere in der andern Sprache, indem jede, von den ersten Sprachelementen an, ein durchaus eigentümliches ist, sondern beides in derselben durch Vergleich dessen was innerhalb einer jeden sich verändert, also in Beziehung auf ihr Werden und Fortschreiten: so sieht man, daß das willkürliche darin, nach den eigenen Grundsätzen des Platon über das Werden, als ein leerer Schein verschwinden muß, sobald man nur aus dem, was er über das Verhältnis der Sprache zur Erkenntnis sagt, in seinem Geiste weiter folgert; so jedoch, daß wir unentschieden lassen müssen, ob er dieses nur vorläufig so aufgestellt habe, um den Leser das weitere selbst finden zu lassen, oder ob er selbst es bis dahin nur so gesehen, wie denn allerdings das Aufgehen des positiven in dem natürlich notwendigen bei unbekannteren Gegenständen nicht so leicht gesehen wird. Und dieses möchte denn dasjenige sein, worin Platon, ohne daß ihm etwas seiner unwürdiges begegnet wäre, aus Schuld der Zeiten vielleicht nicht so weit gekommen ist, als wir ihm den Weg vorzeichnen könnten. Wie dem aber auch sei, soviel ist deutlich, und jeder Unbefangene muß es sehen, nur durch die Aufhebung des Gegensatzes zwischen der Meinung des Kratylos und der des Hermogenes sollte sich Platons Ansicht von der Sprache darstellen, aber die Art und Weise jener Aufhebung ist nur eben angedeutet, und Platon selbst scheint die Ausführung des Gegenstandes nach dieser Ansicht für etwas auf der einen Seite nicht mehr auf der anderen noch nicht mögliches gehalten zu haben.
Allein je mehr diese Sache nur angelegt, gar nicht zu Ende gebracht erscheint, um so weniger eignet sie sich nach der Weise des Platon dazu, der Gegenstand eines eigenen Werkes zu sein; sondern eher würde sie nur irgendwo beispielsweise, etwa wie die Redekunst im »Phaidros«, angeregt worden sein. Daher muß nun Grund und Absicht des Werkes in noch andern Beziehungen gesucht werden, und Nachfrage angestellt, ob nicht in unserm Werke noch irgend etwas anderes sich findet, was hierüber Nachweisung geben könnte; und das zeigt sich dem Aufmerksamen bald. Denn wenn auch gleich die Darstellung der Natur der Sprache nicht zum Abschluß gedeiht: so wird doch als unmittelbare Folgerung aus den ersten Grundlinien derselben soviel deutlich ausgesprochen, das Verhältnis der Sprache zur Erkenntnis sei ein solches, daß erstere auf keine Weise, auch nicht wenn man ihren göttlichen Ursprung für einen Augenblick annehmen wollte, als Quelle der letzteren, und zwar weder der ursprünglichen, des Erfindens, noch der abgeleiteten, des Erlernens, könne angesehen werden; sondern wenn ein abhängiges Verhältnis statt finden solle, eher die Sprache nur als ein Produkt der Erkenntnis und als durch sie bedingt zu betrachten sei. Beachten wir nun zugleich dieses, wie in dem ironischen Teil die Etymologie gebraucht wird, um aus der Sprache die Herakliteische Lehre zu rechtfertigen, so daß Sokrates auch ernsthaft zugibt, diese Tendenz lasse sich nachweisen in der Sprache; ferner wie durch das Ganze hindurch eine fortgesetzte Polemik gegen jene Lehre sich erstreckt, mit welcher das Gespräch auch schließt, wie es mit dem Annehmen eines bleibenden und für sich bestehenden anfing: so haben wir unstreitig den Punkt gefunden, welcher hinreichendes Licht über das Ganze verbreiten kann, indem er uns einen solchen Zusammenhang desselben mit den vorhergehenden Gesprächen eröffnet, daß durch denselbigen Blick die Absicht des Werkes deutlich und auch der Platz bestimmt wird, den es in der Reihe der Platonischen Produktionen einzunehmen hat. Jene Warnung nämlich, daß die Sprache für sich nicht könne zur Erkenntnis führen, auch nicht aus ihr entschieden werden, welche von zwei entgegengesetzten Ansichten die wahre sei oder die falsche, ist offenbar polemisch, und setzt voraus, daß ein solches Verfahren irgendwo angewendet worden; und diese Polemik gehört wesentlich in jene Reihe von Bestrebungen, die Realität des Wissens und seine Ewigkeit und Unpersönlichkeit zu begründen, worin wir den Platon während dieser zweiten Periode begriffen sehen. Wo wir dieses Verfahren aufzusuchen haben, auch das scheint keine schwere Frage. So wie neben der wahren Philosophie auch unter den Schülern des Sokrates auf der einen Seite die bloße Empirie von einer niedern Denkungsart ausgehend bald wieder überhand nahm, und hiegegen Platon vorzüglich polemisiert im »Gorgias« und »Theaitetos«, indem er zeigt, daß die Idee des Guten nicht abstrahiert sei von dem Gefühl des Angenehmen, und die Erkenntnis nicht abstamme von der sinnlichen Wahrnehmung oder auch der richtigen Vorstellung: so nahm auch auf der andern Seite unter ihnen wieder überhand das gehaltlose Spiel mit den ebenfalls durch Gesinnungslosigkeit ausgeleerten Formen der Philosophie, welches kaum einen andern Gegenstand behält, an den es sich heften kann, als die Sprache. Auch diese Ausartung kann von den beiden Gegensätzen, welche Platon immer im Auge hat, nur dem einen, der Ionischen Lehre zufallen; sie muß aber im Zusammenhange mit dieser gedacht auf eine zwiefache Weise erscheinen. Einmal nämlich, in wiefern diese Lehre skeptisch ist gegen das Wissen als ein Bestehendes, und in sofern mißbrauchte sie die Formen der Sprache, um alles in unauflöslicher Verwirrung und in unstetem Schwanken darzustellen, welches eben dasjenige ist was Platon uns im »Euthydemos« in seiner Nichtigkeit vorhält, und was der in der megarischen und eretrischen Schule wieder auflebenden Sophistik zur Last fällt. Dann aber auch, in wiefern diese Lehre selbst dogmatisch sein will, und daher nicht übel tat, wenn sie es konnte, zu zeigen, daß auch die Sprache, wenn sie gleich die Gegenstände festzuhalten scheine, doch in diesem Geschäfte des Benennens selbst durch die Art ihres Verfahrens den unaufhörlichen Fluß aller Dinge anerkenne. Allein hiebei scheint uns fast die Geschichte zu verlassen. Denn daß die Sprache als Begründungsmittel oder Kanon der Erkenntnis auf gewisse Weise gebraucht worden, zeigt sich uns nicht eher als in der überwiegenden grammatischen Tendenz der stoischen Schule; und diese einzige Spur sollte man fast glauben nicht verfolgen zu dürfen. Allein wenn man, damit wir uns nicht tiefer ins Einzelne und in verborgenen Anzeichen verlieren, nur bedenkt, wie vieles die Naturlehre der Stoiker aus dem Herakleitos