PLATON - Gesammelte Werke. Platon
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Und hieraus erklärt sich auch bald, warum, ungeachtet der unmittelbare Gegenstand nur so unvollständig behandelt werden konnte, der »Kratylos« dennoch ein eignes Ganze geworden ist, und ein gerade so gebildetes. Nämlich das Verhältnis der Sprache zur Erkenntnis, worauf es vorzüglich ankam, beruht offenbar ganz auf der im »Theaitetos« vorgetragenen Lehre vom Unterschied der Erkenntnis und der richtigen Vorstellung. Denn die Sprache, wie sie wirklich gegeben ist, steht hier ganz auf derselben Linie mit der Vorstellung, ja ist eigentlich ganz eins und dasselbe mit ihr; eben so sind die Wörter Zeichen und Abbild der Dinge, eben so ist ein genauer und undeutlicher, reiner und unreiner, heller und dunkler Abdruck in ihnen möglich, eben so ist dem Irrtum in beiden sein Gebiet ausgespürt durch verwechselte Beziehung, ja sogar darin, daß auf die Zahlen als auf ein besonderes Objekt aufmerksam gemacht wird, stimmen beide überein. Dennoch wird Jeder der sich erinnert, welche Stelle dieser Unterschied im »Theaitetos« einnimmt, gestehen, daß das Wesentliche des »Kratylos« keinesweges als eine Abschweifung in jenes Gespräch konnte aufgenommen werden. Um so weniger auch darum, weil Platon eigentlich, um das zu sagen worauf es ihm ankam, auch das Resultat des »Menon« bedurfte, welches wir hier auch vorausgesetzt finden, daß nämlich die Erkenntnis eigentlich nicht durch Übertragung aus Einem in den Andern übergehe, sondern finden und lernen für Jeden dasselbe sei, nämlich Erinnern. Eben so knüpft sich das festzusetzende Verhältnis zwischen Sprache und Erkenntnis auch besonders noch an die Polemik gegen das wunderbare alles verwirrende Läugnen des Irrtums auf dem Gebiet der Vorstellung, welche Polemik wir im »Theaitetos« begonnen und im »Euthydemos« fortgesetzt finden. Nehmen wir nun den Reiz hinzu, den feindseligen Antisthenes mit einem vollen Maße Spottes zu überschütten; so sehen wir gleichsam den »Kratylos« aus dem »Theaitetos« und »Euthydemos« sich als ein eignes Ganze herausbilden, und durch seinen Charakter sowohl als durch das was sich dem unmittelbaren Gegenstande anhängt, seine Stelle in dieser Reihe Platonischer Werke sich sichern; denn er ist eben so wenig als der »Euthydemos« einer persönlichen Polemik allein gewidmet. Auch enthält er nicht nur Nachträge und Erläuterungen zu diesem und dem »Theaitetos« – wie zum Beispiel bald anfangs die bestimmt wiederholte Erklärung gegen den Protagoras von einem Punkt aus, wo er ihm, um das Gespräch weiter zu bringen, im »Theaitetos« selbst noch einen Ausweg gebahnt hatte, und gleich darauf die Art, wie er das eigentümliche Wesen der im »Euthydemos« dargestellten Sophistik beschreibt, und weiterhin, wo der im »Theaitetos« auch fallen gelassene Unterschied zwischen einem Ganzen und einem Gesamten aus dem Gegensatz des qualitativen und quantitativen erklärt wird, und mehr dergleichen Einzelheiten. Eben so wenig kann man sagen unser Gespräch lege nur die Einheit des theoretischen und praktischen eben so dar, wie wir sie durch den »Theaitetos« und »Gorgias« und ihr Verhältnis zu einander gefunden haben – wiewohl auch dies geschieht teils durch einzelne Andeutungen in dem etymologischen Teile, die sehr bestimmt an den »Gorgias« erinnern, teils durch die Art, wie auch hier zuletzt die Realität des Schönen und Guten an die des Wissens sich anschließt. Sondern außer allem diesem führt der »Kratylos« auch auf dieselbe Weise, wie es der Charakter dieser Reihe mit sich bringt, die wissenschaftlichen Zwecke des Platon weiter. Vorzüglich zweierlei ist hieher zu rechnen. Zuerst die Lehre von dem Verhältnis der Bilder zu den Urbildern, wobei in der Tat die Sprache und ihr Verhältnis zu den Dingen nur als Beispiel zu betrachten ist, wodurch aber Platon eigentlich eine Ansicht der Lehre von den Ideen und ihrem Verhältnis zur erscheinenden Welt zuerst aufgestellt hat, welche unmittelbar vorbereitend ist auf den »Sophistes«. Zweitens wird, so wie im »Euthydemos« die königliche Kunst aufgestellt ist, deren Gegenstand nur das Gute schlechthin sein kann, als das um seiner selbst willen seiende in der Identität des Gebrauchs und der Hervorbringung, alle andern einseitig nur hervorbringenden oder gebrauchenden Künste aber lediglich ihre Organe sind und ihre Untergebenen: so wird hier auf der andern Seite vorgestellt die Dialektik als die Kunst, deren Gegenstand das Wahre schlechthin ist in der Identität des Erkennens und Darstellens, alles andere hiehergehörige aber, und vorzüglich die Vorstellung und die Sprache nur ihr Organ. Diese Parallele nun zieht sichtlich das Band zwischen jenen scheinbar entgegengesetzten enger zusammen, und eine Stufe höher gestellt erblicken wir schon deutlicher auf dem Gipfel den Philosophen als die Einheit des Dialektikers und des Staatsmannes. Ja in dieser Beziehung ist auch noch auf eine besondere Art der »Kratylos« in Verbindung gesetzt mit dem »Gorgias« durch die wunderliche und dunkle, gewiß aber nur aus unserer Ansicht des Ganzen verständliche, Analogie, welche hier aufgestellt ist zwischen Gesetz und Sprache, indem wiederholt gesagt wird, die Sprache sei da durch ein Gesetz, so daß Gesetzgeber und Wortbildner fast als Eins angesehen werden. Herbeigeführt ist dies dadurch, daß, wie Hermogenes sagt, die Sprache sei nur als ein Werk der Willkür und der Verabredung anzusehen, Verabredung aber, auch stillschweigende, und Gesetz mehr in einander laufen bei den Hellenen als bei uns, eben so die Sophisten und die Aristippische Schule auch die sittlichen Begriffe für ein Werk der Willkür, und nur von außen durch die Anordnungen des Gesetzgebers und eben vermittelst der Sprache hineingebrachtes erklärten; Platon hingegen in dem sittlichen Urteil wie in der Sprache dieselbe innere Notwendigkeit findet, welche aber auch in beiden auf gleiche Art nur durch den Wissenden allein kann rein und vollkommen dargestellt werden. Und geht man dieser Andeutung nach: so eröffnet sich auch für das, was von dem willkürlichen Element in den Werken des Gesetzgebers gesagt wird, eine weitere Anwendung. Was nun den etymologischen größtenteils ironischen Teil betrifft, wiewohl sich hier ebenfalls, wenn auch nicht in den Etymologien, wenigstens doch in den Erklärungen derselben, manches ernsthaft gemeinte zerstreut findet: so würde man wie mild und treu, oder wie unbarmherzig und übertrieben die spottende Nachbildung ist, am besten beurteilen können, wenn uns die erwähnten Schriften des Antisthenes, besonders die vom Gebrauch der Wörter übrig geblieben wären, wo wir auch wahrscheinlich den Euthyphron wieder finden und Aufschluß über ihn erhalten würden. Denn wenn er nicht eine Person aus einem verspotteten Gespräch ist, so ist gar nicht abzusehen, wie er hieher kommt. Was aber das vorzüglichste ist, wir würden dann besser sehen können, was für andere Beziehungen hier noch mögen versteckt liegen. Denn gewiß ist auch hier nicht alles auf den Einen gerichtet, der der Gegenstand des Spottes ist, sondern wie wir es auch bei dem »Euthydemos« gesehen haben, auch Selbstverteidigung wird manches sein. Dies ist hier um so einleuchtender, da die Art, wie Platon die Sprache spielend gebraucht, Tadler genug mag gefunden haben, unter denen zumal, welche manches von diesem Spiel nicht sehr verschiedenes ernsthaft gebrauchten zu Beweisen ihrer Meinungen. Auch von dieser Seite muß es natürlich sein, hier das Spiel recht auf die Spitze getrieben zu sehen, und gleichsam das letzte epideiktische dieser Art in unserem Gespräch zu finden, worin wunderliche Erklärungen, die anderwärts her genommen sind durch noch wunderlichere eigene überboten werden. Dieser etymologische Teil ist nun das Kreuz des Übersetzers geworden, und es hat ihm lange zu schaffen gemacht, einen Ausweg zu finden. Überall die griechischen Wörter hineinzubringen, schien unerträglich, und besser, den einmal deutsch redenden Sokrates deutsches deutsch ableiten zu lassen. Dagegen war dies mit den Eigennamen nicht möglich zu machen, sondern hier mußte die Ursprache beibehalten werden, und indem nun beide Verfahrungsarten neben einander stehen, wird der Leser wenigstens Gelegenheit haben sich zu freuen, daß nicht irgend eine ausschließend durch das Ganze hindurchgeht. Wie nun aber hier in Masse heraustritt was sonst nur einzeln vorkommt: so tritt dagegen, man kann es nicht läugnen, die Kunst der dialogischen Komposition etwas zurück; und wenn man den »Kratylos« mit dem »Euthydemos« vergleicht, dem er in so mancher Hinsicht am nächsten steht, so schlingt sich weit schöner in letzterem der Spott und der Ernst durcheinander. Hier hingegen scheint Platon fast ermüdet zu sein von der Fülle des philologischen Scherzes, so hart und abgebrochen sind im letzten Teile des Gespräches die Übergänge; bald kehrt er nach kurzen Abschweifungen zu dem vorigen zurück, mehr als ob es ein neues wäre, als mit Beziehung auf das schon gesagte; bald bringt er wirklich neues vor, aber völlig unvorbereitet hart an das vorige gesetzt, auf eine Art von welcher man, wenn man bei dergleichen Stellen allein stehen bleibt, fast zweifeln möchte, ob sie platonisch wäre. Von da an