PLATON - Gesammelte Werke. Platon
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KRATYLOS
HERMOGENES • KRATYLOS • SOKRATES
(383) Hermogenes: Willst du also, daß wir auch den Sokrates zu unserer Unterredung hinzuziehen?
Kratylos: Wenn du meinst.
Hermogenes: Kratylos hier, o Sokrates, behauptet, jegliches Ding habe seine von Natur ihm zukommende richtige Benennung, und nicht das sei ein Name, wie Einige unter sich ausgemacht haben etwas zu nennen, indem sie es mit einem Teil ihrer besonderen Sprache anrufen; sondern es gebe eine natürliche Richtigkeit der Wörter, für Hellenen und Barbaren insgesamt die nämliche. Ich frage ihn also, ob denn Kratylos in Wahrheit sein Namen ist, und er gesteht zu, ihm gehöre dieser Namen. – Und dem Sokrates? fragte ich weiter. – Sokrates, antwortet er. – Haben nun nicht auch alle andern Menschen jeder wirklich den Namen wie wir jeden rufen? – Wenigstens der deinige, sagte er, ist nicht Hermogenes, und wenn dich auch alle Menschen so rufen. – Allein wie ich ihn nun weiter frage, und gar zu gern wissen will was er eigentlich (384) meinet, erklärt er sich gar nicht deutlich, und zieht mich noch auf, wobei er sich das Ansehn gibt als hielte er etwas bei sich zurück was er darüber wüßte, und wodurch er mich wenn er es nur heraussagen wollte auch zum Zugeständnis bringen könnte, und zu derselben Meinung wie er. Wenn du also irgendwie den Spruch des Kratylos auszulegen weißt, möchte ich es gern hören. Oder vielmehr, wie du selbst meinst, daß es mit der Richtigkeit der Benennungen stehe, das möchte ich noch lieber erfahren, wenn es dir gelegen ist.
Sokrates: Es ist ein altes Sprüchwort, Sohn des Hipponikos, daß das Schöne schwierig ist, zu lernen wie es sich verhält; und so ist auch dies von den Wörtern kein kleines Lehrstück. Hätte ich nun schon bei dem Prodikos seinen Vortrag für Fünfzig Drachmen gehört, den man, wie er behauptet, nur zu hören braucht um hierüber vollständig unterrichtet zu sein, dann sollte dir nichts im Wege stehen sogleich das Wahre über die Richtigkeit der Benennungen zu erfahren. Nun aber habe ich ihn nicht gehört, sondern nur den für Eine Drachme, also weiß ich nicht, wie es sich eigentlich mit dieser Sache verhält. Gemeinschaftlich jedoch mit dir und dem Kratylos sie zu untersuchen bin ich gern bereit. Daß er aber läugnet Hermogenes sei in Wahrheit dein Namen, damit merke ich beinahe daß er spöttelt. Denn er meint wohl gar du möchtest gern reich werden aber gar nicht wie vom Hermes abstammend, verfehltest du es immer. Allein, wie ich eben sagte, es ist schwer dergleichen zu wissen, gemeinschaftlich aber müssen wir es vornehmen und zusehen, ob es sich so wie du meinst verhält, oder wie Kratylos.
Hermogenes: Ich meines Teils, Sokrates, habe schon oft mit diesem und vielen Andern darüber gesprochen, und kann mich nicht überzeugen, daß es eine andere Richtigkeit der Worte gibt, als die sich auf Vertrag und Übereinkunft gründet. Denn mich dünkt, welchen Namen jemand einem Dinge beilegt, der ist auch der rechte, und wenn man wieder einen andern an die Stelle setzt und jenen nicht mehr gebraucht, so ist der letzte nicht minder richtig als der zuerst beigelegte, wie wir unsern Knechten andere Namen geben. Denn kein Name keines Dinges gehört ihm von Natur, sondern durch Anordnung und Gewohnheit derer, welche die Wörter zur Gewohnheit machen und gebrauchen. Ob es sich aber anderswie verhält, bin ich sehr bereit es zu lernen und zu hören nicht nur vom Kratylos, sondern auch von jedem Andern.
Sokrates: Vielleicht ist doch etwas in dem was du sagst, Hermogenes. Laß uns nur zusehen. Wie jemand festsetzt jedes zu nennen, das ist denn auch eines jeden Dinges Namen?
Hermogenes: So dünkt mich.
(385) Sokrates: Nenne es nun ein Einzelner so, oder auch der Staat?
Hermogenes: Das behaupte ich.
Sokrates: Wie nun, wenn ich irgend ein Ding benenne, wie was wir jetzt Mensch nennen, wenn ich das Pferd rufe, und was jetzt Pferd, Mensch: dann wird dasselbe Ding öffentlich und allgemein Mensch heißen, bei mir besonders aber Pferd, und das andere wiederum bei mir besonders Mensch, öffentlich aber Pferd. Meinst du es so?
Hermogenes: So dünkt es mich.
Sokrates: Wohlan sage mir dies. Nennst du etwas wahr reden, und etwas falsch?
Hermogenes: O ja.
Sokrates: Also wäre auch eine Rede wahr und eine andere falsch?
Hermogenes: Freilich.
Sokrates: Und nicht wahr, die von den Dingen aussagt was sie sind ist wahr, die aber, was sie nicht sind, ist falsch?
Hermogenes: Ja.
Sokrates: Also findet dieses doch Statt, durch eine Rede aussagen was ist, und auch was nicht ist?
Hermogenes: Allerdings.
Sokrates: Die wahre Rede aber, ist die zwar ganz wahr, ihre Teile aber nicht wahr?
Hermogenes: Nein, sondern auch ihre Teile.
Sokrates: Und sind etwa nur die größeren Teile wahr, die kleineren aber nicht? oder alle?
Hermogenes: Alle, denke ich doch.
Sokrates: Und kannst du wohl einen kleineren Teil einer Rede sagen als ein Wort?
Hermogenes: Nein, dies ist das kleinste.
Sokrates: Also auch das Wort in einer wahren Rede wird gesagt?
Hermogenes: Ja.
Sokrates: Und ist dann ein wahres, wie du behauptest?
Hermogenes: Ja.
Sokrates: Und ist der Teil einer falschen Rede nicht falsch?
Hermogenes: Das behaupte ich.
Sokrates: Also kann man falsche Worte und wahre sagen, wenn auch solche Sätze und Reden.
Hermogenes: Wie anders!
Sokrates: Und soll noch, was Jeder als eines Dinges Namen angibt, auch eines jeden Namen sein?
Hermogenes: Ja.
Sokrates: Etwa auch so viele Namen Einer sagt daß ein Ding habe, so viele hat es auch, und dann, wann er es sagt?
Hermogenes: Ich wenigstens, Sokrates, weiß von keiner andern Richtigkeit der Benennungen als von dieser, daß ich