PLATON - Gesammelte Werke. Platon
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(390) Sokrates: Eben so wirst du auch dafür halten, daß unser Gesetzgeber, der hiesige wie der unter den Barbaren, so lange er nur die Idee des Wortes, wie sie jedem insbesondere zukommt, wiedergibt, in was für Silben es auch sei, alsdann der hiesige kein schlechterer Gesetzgeber ist, als einer irgendwo anders?
Hermogenes: Freilich.
Sokrates: Wer wird nun aber erkennen, ob das gehörige Bild der Weberlade in irgend einem Holze liegt? Der sie gemacht hat, der Tischer, oder der sie gebrauchen soll, der Weber?
Hermogenes: Wohl eher, o Sokrates, der sie gebrauchen soll.
Sokrates: Wer ist es nun der des Kitharenmachers Werk gebrauchen soll, und ist er nicht auch der, welcher am besten bei der Verfertigung die Aufsicht führen, und die verfertigten auch am besten beurteilen würde, ob sie gut gearbeitet sind oder nicht?
Hermogenes: Gewiß.
Sokrates: Aber wer?
Hermogenes: Der Kitharenspieler.
Sokrates: Und wer das Werk des Schiffbauers?
Hermogenes: Der Steuermann.
Sokrates: Wer aber könnte am besten über dieses Geschäft des Gesetzgebers die Aufsicht führen und seine Arbeit beurteilen, hier sowohl als unter den Barbaren? Nicht der, der sie auch gebrauchen soll?
Hermogenes: Ja.
Sokrates: Ist das nun nicht der, welcher zu fragen versteht?
Hermogenes: Allerdings.
Sokrates: Und derselbe doch auch zu antworten?
Hermogenes: Ja.
Sokrates: Und der zu fragen und zu antworten versteht, nennst du den anders als Dialektiker?
Hermogenes: Nein, sondern so.
Sokrates: Des Zimmermanns Geschäft also wäre ein Steuerruder zu machen unter Aufsicht des Steuermannes, wenn das Ruder gut werden soll.
Hermogenes: Richtig.
Sokrates: Des Gesetzgebers aber, wie es scheint, auch Wörter, wobei er zum Aufseher hätte einen dialektischen Mann, wenn er die Wörter gut bilden soll.
Hermogenes: Offenbar.
Sokrates: Also mag es doch wohl nichts so geringes sein, wie du glaubst, Hermogenes, Worte zu bilden und Benennungen festzusetzen, auch nicht schlechter Leute Sache oder des ersten besten; sondern Kratylos hat Recht, wenn er sagt, die Benennungen kämen den Dingen von Natur zu, und nicht jeder sei ein Meister im Wortbilden, sondern nur der, welcher auf die einem jeden von Natur eigene Benennung achtend, ihre Art und Eigenschaft in die Buchstaben und Silben hineinzulegen versteht.
Hermogenes: Ich weiß freilich nicht, Sokrates, wie ich dem, was du sagst, widersprechen soll. Es mag aber wohl nicht leicht sein, auf diese Art so schnell überzeugt zu werden, (391) allein ich glaube, so würde ich leichter überzeugt werden, wenn du mir zeigtest, worin denn jene natürliche Richtigkeit der Benennungen bestehen soll.
Sokrates: Ich du guter Hermogenes, weiß ja von gar keiner, sondern du hast vergessen was ich nur eben noch sagte, daß ich es nicht wüßte, aber es wohl mit dir untersuchen wollte. Nun aber ist durch unsere Untersuchung dir und mir soviel schon klar gegen das vorige, daß das Wort von Natur eine gewisse Richtigkeit hat, und daß nicht Jeder versteht es irgend einem Dinge gehörig beizulegen. Oder nicht?
Hermogenes: Gewiß.
Sokrates: Also nächstdem müssen wir untersuchen, wenn du es zu wissen begehrst, was nun eigentlich die Richtigkeit desselben sei.
Hermogenes: Freilich begehre ich es zu wissen.
Sokrates: So überlege denn!
Hermogenes: Wie soll ich es überlegen?
Sokrates: Die richtigste Überlegung, Freund, ist die man mit den Sachverständigen anstellt, denen man Geld dafür zahlt, und noch Dank dazu weiß. Dies sind aber die Sophisten, denen auch dein Bruder Kallias soviel Geld eingebracht, daß er nun wohl für weise gilt. Da du nun nicht im Besitz des väterlichen Vermögens bist, so mußt du deinem Bruder schön tun, und ihn bitten, daß er dich lehre, was hierin richtig ist, wie er es vom Protagoras gelernt hat.
Hermogenes: Ungereimt wäre doch wohl die Bitte von mir, Sokrates, wenn ich die Wahrheit des Protagoras im allgemeinen gar nicht annehme, doch aber mit dem, was in Folge dieser Wahrheit gesagt wird, zufrieden sein wollte, als wäre es etwas wert.
Sokrates: Also wenn dir das wieder nicht gefällt, so müßten wir es vom Homeros lernen und von den andern Dichtern.
Hermogenes: Und was sagt denn Homeros von der Richtigkeit der Benennungen, o Sokrates, und wo?
Sokrates: An gar vielen Orten, vorzüglich aber und am schönsten da wo er an denselbigen Dingen unterscheidet, welche Namen die Menschen ihnen beilegen und welche die Götter. Oder meinst du nicht, daß er an diesen Stellen vortreffliche und wunderbare Dinge sagt von der Richtigkeit der Wörter? Denn offenbar werden doch die Götter wohl vollkommen richtig mit den Wörtern benennen, die es von Natur sind. Oder meinst du nicht?
Hermogenes: Soviel weiß ich ja wenigstens, daß wenn sie etwas benennen, sie es auch richtig benennen. Aber was meinst du nur eigentlich?
Sokrates: Weißt du nicht, daß er von dem Fluß bei Troja, welcher einen Zweikampf mit dem Hephaistos hatte, sagt: Xanthos im Kreis der Götter genannt, von Menschen Skamandros?
Hermogenes: Das weiß ich; und was dann?
(392) Sokrates: Glaubst du nicht, daß das etwas hochwichtiges sein muß, zu verstehen, wie so es richtiger ist, jenen Fluß Xanthos zu nennen als Skamandros? Oder wenn du lieber willst, wegen jenes Vogels von dem er sagt, er werde Chalkis von Göttern genannt, und Nachtaar unter den Menschen, hältst du es für eine geringfügige Einsicht wie viel richtiger es ist daß dieser Vogel Chalkis heiße als Nachtaar? Oder Batieia und das Mal der sprunggeübten Myrine, und viel Anderes bei diesem Dichter und andern? Doch dergleichen ist vielleicht zu groß, als daß ich und du es herausbringen sollten; von Skamandrios und Astyanax aber welche Namen beide, wie er sagt, der Sohn des Hektor gehabt, mag es menschenmöglicher sein wie mich dünkt und leichter aufs reine zu bringen, wie er es wohl mit ihrer Richtigkeit meint. Du kennst doch wohl die Verse worin das steht was ich meine?
Hermogenes: Allerdings.
Sokrates: Von welchem Namen also meinst du, daß Homeros geglaubt, er sei dem Kinde richtiger beigelegt worden, Astyanax oder Skamandrios?
Hermogenes: