PLATON - Gesammelte Werke. Platon

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PLATON - Gesammelte Werke - Platon

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sieht, welche diesem Gespräch, für sich betrachtet und wie es gewöhnlich genommen wird, anhängen, und auf die Sophistereien, deren man es, uneingeweiht in den Zusammenhang, beschuldiget, der mag vielleicht eine ausführlichere Einleitung in das Verständnis desselben wünschen, als hier anzutreffen ist. Allein Vieles wird schon durch den Ort deutlich, den wir dem »Theaitetos« anweisen, und durch die unmittelbare Zurückführung auf das beim »Gorgias« gesagte. Denn wer sich nur ins Gedächtnis ruft, was dort als der beiden gemeinschaftliche Endzweck aufgestellt worden, und wie der »Gorgias« denselben mehr auf der praktischen, der »Theaitetos« mehr auf der theoretischen Seite zu verfolgen bestimmt ist, dem muß die Verwirrung sich schon sehr auflösen, und er muß eine Ahndung bekommen von dem wirklichen Gehalte des Gespräches, in welchem sonst auf den ersten Anblick jedes das andere aufzuheben, und ohnerachtet von der Erkenntnis die Rede ist, nichts übrig zu bleiben scheint, als Unwissenheit: so daß sich ihm zugleich das verschlossene Werk öffnen und die Richtigkeit jenes Zusammenhanges und jener ganzen Ansicht bestätigen muß. Ihr zu Folge nämlich muß der Hauptzweck des »Theaitetos« sein zu zeigen, daß keine Wissenschaft kann gefunden werden, wenn man nicht das Wahre und das Sein von dem Wahrgenommenen und dem Wahrnehmbaren oder Erscheinenden gänzlich trennen will. Nur daß hier, weil überall die Wissenschaften noch nicht so streng gesondert und einzeln bestimmt waren als die Künste, vielmehr an dieses Geschäft nur Platon selbst die erste Hand legte, nicht wie beim »Gorgias« von dem ganzen System wie dort der Künste so hier der Wissenschaften die Rede ist, sondern von dem gemeinschaftlichen Elemente derselben, der Erkenntnis im strengsten Sinne. Aber nicht nur dieses, sondern es lag auch wie in der Gesinnung so in der Absicht des Platon, bemerklich zu machen, daß beide Ausführungen ihrer Natur nach Gegenstücke zu einander sind, daß das Suchen des Guten in der Lust, und das Suchen der reinen Erkenntnis in der sinnlichen Wahrnehmung in einer und derselben Denkart gegründet sind, nämlich in der, welche der »Gorgias« ausführlicher darstellt. Daher auch zeitig gezeigt wird, und Niemanden verwundern sollte, wie dieses hieher kommt, welchen Einfluß die geprüfte Lehre auch auf die Ideen des Guten und Schönen und auf ihre Behandlung haben muß, daß für den Anhänger derselben auch die Erkenntnis selbst sich nur auf die Lust zurückbeziehen kann, und daß, so wie der, welcher nur die Lust sucht, auf eine dem inneren Gefühl selbst widersprechende Zerstörung jeder Gemeinschaft hinarbeite, so auch wer statt des Wissens sich mit den sinnlichen Eindrücken begnügt, keine Gemeinschaft finden könne weder der Menschen unter einander, noch der Menschen mit den Göttern, sondern in den engen Grenzen seines persönlichen Bewußtseins eingeschlossen und abgesondert bleibe.

      Dieses Hinweisen jedoch auf den Zusammenhang des Theoretischen und Praktischen, und so auch des »Theaitetos« und »Gorgias« findet sich zerstreut fast in allen Teilen des Gesprächs. Jene Darstellung hingegen, daß die Erkenntnis nicht dürfe in dem sinnlichen Gebiet gesucht werden, daß wie die Lust nur im Übergange von einem entgegengesetzten zum andern entstehe, so auch die Wahrnehmung ein nicht festzuhaltendes sei, und wer das Wissen auf sie beschränken wolle, auch nicht einmal zu einem Gegenstande gelange, bildet in ihrer Fortschreitung den Gliederbau des Ganzen. Daher das Gespräch damit anfängt, zu zeigen, daß die Protagoreische Abläugnung eines gemeinschaftlichen Richtmaßes der Erkenntnis, und der Herakleitische Satz von dem Flusse aller Dinge, und dem anstatt alles Seins allein übrig bleibenden Werden, wie auch der hier zuerst und zunächst geprüfte, welcher die Wahrnehmung und sie allein als Erkenntnis aufstellt, jeder auf den andern zurückführen, und alle Ein System bilden. Sokrates zeigt dieses, indem er den Sätzen selbst aufhilft, und sie gegenseitig durch einander besser unterstützt, als ihre Urheber selbst getan hatten, welche zum Teil vielleicht sich selbst und den Zusammenhang ihrer Denkart minder vollkommen verstanden. Erst nachdem auf diese Art der Platonische Sokrates die Protagoreische Lehre gegen seine eignen vorläufigen Einwürfe so gut es ging befestiget, und sie anders und verbundener dargestellt, fährt das Gespräch damit fort, jene Sätze ernsthaft anzugreifen und zu zeigen, daß das ganze System, wiefern es doch Erkenntnis sein und gelehrt werden will, in sich selbst zusammenstürze und sein Ziel niemals erreichen könne. So wird zuerst der Satz des Protagoras von zwei Seiten angegriffen, welche das Gespräch selbst um allen Mißverstand zu verhüten für siegreich erklärt. Zuerst von Seiten des Widerspruches, der darin liegt, die Meinung zum Richter der Erkenntnis zu machen. Denn so lange nun andere Menschen noch eine Erkenntnis über die Meinung setzen, vernichtet jener Satz sich selbst, indem das Zählen derer, denen etwas wahr erscheint, nun das Maß der Gewißheit wird, und die herrschende Meinung selbst sich auflehnt gegen jenen Wert der Meinung. Dann wird gezeigt, wenn auch für den jedesmaligen Zustand gelten solle, daß was Jedem scheint ihm auch sei, es doch nicht gelten könne für das Nützliche, und für Alles was in die Zukunft gehöre. Sollte etwa Jemand in dieser Schlußart einen Widerspruch finden gegen die Weise, wie sonst schon Platon die Zukunft behandelt hat, indem er zeigte, die Erkenntnis des künftigen sei keine besondere, sondern wer sich in jeder Sache auf das Gegenwärtige verstehe, der allein müsse auch die Zukunft beurteilen können, der würde sich doch im Irrtum befinden. Denn zuerst stellt sich Platon hier in den Gesichtspunkt derer, denen die Zukunft ein Besonderes ist, und dann kann doch die ganze Schlußfolge, auf welche Platon hindeuten will, nur gezogen werden, wenn man jenes Ältere auch hinzunimmt. Weil nämlich notwendig nur was der Arzt meint über das künftige Fieber, das wahre ist: so ist auch jenem zufolge nur was der Arzt meint über den gegenwärtigen Gesundheitszustand, das Wahre, und also die Erkenntnis desselben unterschieden von der bloßen Wahrnehmung. Eine Folgerung, die Platon selbst wohl etwas bestimmter würde gezogen haben, wäre er nicht fortgerissen worden vom Gedränge der sich häufenden Untersuchungen und Andeutungen, welche doch alle für dieses Gespräch bestimmt waren, wie er denn überhaupt hier viele Folgerungen dem Leser selbst überläßt.

      Auf ähnliche Art wird hiernächst auch der Herakleitische Satz, der schon immer in der Darstellung des Protagoreischen mit enthalten war, für sich besonders so angegriffen, daß gezeigt wird, in seiner Schärfe genommen könne ihm zufolge weder zum Subjekt ein Prädikat, noch zum Prädikat ein Subjekt gefunden und gefügt werden, weil eben während des Findens und Fügens keines mehr dasselbige ist, und auf diese Art, was irgend einer Erkenntnis oder Aussage nur ähnlich ist, zerstört wird. Auch von hier aus führt eine unmittelbare, wiewohl verschwiegene Folgerung ganz nahe an das Platonische Ziel, die nämlich, daß zu diesem Nichtfesthaltenkönnen auch das Subjekt ein Nichtfestzuhaltendes ist, in welchem Sinne für die unmittelbaren Veränderungen des Körpers auch Platon das bloße und untrügliche Wahrnehmen schon zugegeben hatte. Nach diesem wird endlich auch noch der dem Theaitetos unmittelbar zugeschriebene Ausdruck des nämlichen Gedankens besonders widerlegt, und hiebei am meisten auf dasjenige hingedeutet, wodurch und worin die wahre Erkenntnis allein zu finden ist; indem nämlich Sokrates zeigt, wie das Wahrnehmen selbst gehörig betrachtet auf eine dem Wesen und der Entstehung nach gänzlich davon verschiedene Tätigkeit hindeute, und wie, wenn man nur davon anfange, den Gedanken des Seins festzuhalten, alsdann sich zeige, daß das Wahrnehmen nicht einmal zum Sein gelange, und die Wahrheit also notwendig außerhalb desselben müsse gesucht werden.

      Hiedurch nun ist das Gespräch in Beziehung auf die bisher geprüften Sätze so weit fortgeführt, als bei seiner indirekten Beschaffenheit nur möglich war, und nimmt nun eine andere Wendung, um das zuletzt gefundene näher zu betrachten. So jedoch, daß auch hier, was eben notwendig zur indirekten Darstellung gehört, von den Ideen abstrahiert, und auch das Sein und die aufgefundene unmittelbare Tätigkeit der Seele auf das sinnliche Gebiet und auf das Einzelne und Besondere zurückgespielt wird; denn nur in diesem Sinne ist im folgenden überall von der Vorstellung die Rede. Es wird nämlich der neue Satz aufgestellt in Beziehung auf die Frage nach der Erkenntnis, daß sie richtige Vorstellung sei, und zugesehen, ob sie wohl auf diesem näher bestimmten Gebiete liegen könne. Diese Untersuchung erzeugt zuerst einen mühsamen Versuch, das Gebiet der falschen Vorstellung, und mit und aus diesem zugleich das des Wissens zu bestimmen; ein Versuch, den Sokrates doch am Ende für unbefriedigend erklärt, weil doch die falsche Vorstellung zuletzt auf einem unbegreiflichen Verkennen der Erkenntnis beruhe, woraus er schließt, diese müsse vor jener gefunden werden. Auch hieraus erwächst eine sehr entscheidende, nur ebenfalls nicht ausdrücklich gezogene Folgerung, daß die reine Erkenntnis gar nicht auf demselben Gebiet liegen könne mit dem Irrtum, und es in Beziehung auf sie kein Wahr und Falsch gebe, sondern nur ein Haben oder Nichthaben. Nach diesem Versuch nun wird jener Satz selbst sehr kurz

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