Gesammelte Werke. Sinclair Lewis

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke - Sinclair Lewis страница 49

Автор:
Серия:
Издательство:
Gesammelte Werke - Sinclair Lewis

Скачать книгу

im Graben, aber sofort wurden sie wieder zurückgeworfen, als die Pferde weiterflogen. Sie schnappte nach Luft. Sie bemühte sich, tapfer zu sein, als sie die Wolldecke ums Kinn zog, aber es gelang ihr nicht.

      Rechts von ihnen schoß etwas vorbei, das wie eine dunkle Mauer aussah. »Den Schuppen kenn' ich!« brüllte er. Er zog an den Zügeln. Aus den Decken hervorlugend, sah sie, daß er sich auf die Unterlippe biß, während er immer wieder die galoppierenden Pferde aufzuhalten suchte, indem er an den Zügeln scharf riß und ruckte. Sie blieben stehen.

      »Dort ist ein Farmhaus. Nimm die Decke um und komm«, rief er.

      Aus dem Wagen zu steigen, war wie ein Sprung in eiskaltes Wasser; als sie aber auf dem Boden stand, lächelte sie ihm zu, mit dem kleinen und kindlichen, geröteten Gesicht über der Büffelhautdecke, die sie um die Schultern geworfen hatte. In einem Wirbel von Flocken, die an ihren Augen kratzten, als wäre das Dunkel wahnsinnig geworden, machte er die Schnallen des Geschirrs auf. Er drehte sich um und ging mühsam rückwärts, eine wuchtige verschwommene Gestalt, die Zügel haltend; Carola hängte sich an seinen Ärmel und ließ sich mitschleppen.

      Sie kamen zu einer plumpen Scheune, deren Außenwand direkt an der Straße stand. Sich entlang tappend, fand er ein Tor, führte sie in einen Hof, in den Schuppen. Drinnen war es warm. Die schlaffe Stille betäubte sie.

      Sorgfältig brachte er die Pferde unter.

      Ihre Zehen glühten vor Schmerz. »Laufen wir zum Haus«, sagte sie.

      »Unmöglich. Noch nicht. Wir würden vielleicht nie hinfinden. Zehn Fuß von hier könnten wir uns verirren. Setz dich nur dort in den Stall, ganz nahe zu den Pferden. Zum Haus wollen wir, wenn der Schneesturm nachläßt.«

      »Ich bin so steif! Ich kann nicht gehen!«

      Er trug sie in den Stall, nahm ihr Überschuhe und Schuhe ab und hörte auf, sich die roten Finger zu blasen, während er an ihren Schnürsenkeln herumarbeitete. Er rieb ihr die Füße und hüllte sie in die Büffelhautdecke und in Pferdedecken von dem Stapel auf der Futterkiste ein. Sie war verschlafen, ganz im Sturm verloren. Sie seufzte: »Du bist so stark und doch so geschickt und hast keine Angst vor Blut oder Schnee oder –«

      »Ich bin dran gewöhnt. Unangenehm war mir nur gestern abend, daß die Ätherdämpfe jeden Augenblick explodieren konnten.«

      »Das versteh' ich nicht.«

      »Ja, Dave, der verdammte Trottel, hat mir Äther geschickt statt Chloroform, wie ich ihm gesagt hatte, und du weißt, Ätherdämpfe sind kolossal leicht entzündbar, besonders wenn die Lampe direkt am Tisch ist. Aber ich hab' natürlich operieren müssen – die Wunde war ja ganz voller Schmutz vom Scheunenhof.«

      »Du hast die ganze Zeit gewußt, daß – Du und ich, wir beide hätten in die Luft fliegen können? Das hast du gewußt, während du operiert hast?«

      »Freilich. Du nicht? Na, was ist denn schon dabei?«

      Fünfzehntes Kapitel

       Inhaltsverzeichnis

      1

      Kennicott freute sich sehr über Carolas Weihnachtsgeschenke; sie bekam von ihm eine Brillantnadel. Aber es wollte ihr nicht gelingen, sich einzureden, daß er viel Interesse für die Zeremonien des Weihnachtsmorgens zeige, für den Baum, den sie geschmückt, die drei Strümpfe, die sie aufgehängt hatte, für die Bändchen und Goldsiegel und versteckten Briefe. Er sagte nur:

      »Nett, wie du die Dinger da rangemacht hast. Was meinst du, sollen wir am Nachmittag zu Jack Elder gehen und 'ne kleine Gesellschaft machen?«

      Sie mußte an die Weihnachtseinfälle ihres Vaters denken, an die heilig gewordene alte Stoffpuppe an der Baumspitze, an die vielen billigen Geschenke, den Punsch und die Lieder, an die gerösteten Kastanien am Kamin und an die feierliche Ernsthaftigkeit, mit welcher der Richter die gekritzelten Briefchen der Kinder öffnete und die Wünsche nach Schlittenfahrten und nach Erklärungen über die Existenz des Weihnachtsmannes zur Kenntnis nahm. Sie mußte daran denken, wie er einen langen Schriftsatz vorlas, in dem er sich anklagte, sentimental zu sein, sich gegen den Frieden und die Würde des Staates Minnesota zu vergehen. Sie erinnerte sich, wie seine dünnen Beine vor ihrem Schlitten hin und her gegangen waren.

      Sie murmelte unruhig: »Ich muß rasch hinauf, mir die Schuhe anziehen – in den Pumps ist es so kalt.« In der nicht sehr romantischen Einsamkeit des versperrten Badezimmers saß sie auf dem schlüpfrigen Rand der Badewanne und weinte.

      2

      Kennicott hatte fünf Steckenpferde: die Medizin, Kapitalanlagen in Grundstücken, Carola, Automobilfahren und Jagen. In welcher Reihenfolge er diesen Steckenpferden seine Liebe zuwandte, läßt sich nicht mit Gewißheit sagen. So aufrichtig seine Begeisterung für medizinische Dinge auch war – seine Bewunderung für diesen großstädtischen Chirurgen, seine Verachtung für jenen, der Landärzte hinterlistig dazu überredete, ihre chirurgischen Fälle in die Stadt zu bringen, sein Unwille über Unlauterkeiten in Honorarfragen, der Stolz auf seinen neuen X-Strahlenapparat – alles das beglückte ihn nicht so wie das Automobilfahren.

      Er pflegte seinen zwei Jahre alten Buick auch im Winter, wenn der Wagen im Garageschuppen hinter dem Haus stand. Er füllte die Schmierbüchsen auf, lackierte den Kotflügel und holte unter dem Vordersitz Überreste von Handschuhen, Dichtungsringe, zerdrückte Karten, Staub und ölige Lappen hervor. An Wintermittagen stapfte er hinaus und starrte den Wagen höchst klug und weise an. Das Automobilfahren war für ihn ein Glaube, an dem nicht gezweifelt werden durfte, eine hochkirchliche Kultangelegenheit mit elektrischen Funken statt Kerzen und Kolbenringen, die so heilig waren wie Altargefäße.

      Das Jagen war gleichfalls eine Andachtsübung, voll metaphysischer Begriffe, die Carola unklar waren. Den ganzen Winter über las er Sportkataloge und gedachte bedeutsamer Schüsse in der Vergangenheit: »Weißt du noch, wie ich damals die zwei Enten von ziemlich weit heruntergeholt hab', grade bei Sonnenuntergang?« Mindestens einmal im Monat zog er seine Lieblingsflinte aus ihrem verschmierten Flanellfutteral hervor; er ölte das Züngel und verbrachte Augenblicke schweigsamer Ekstase, indem er auf die Decke zielte.

      Er bewahrte noch immer die Geräte zum Patronenadjustieren auf, mit denen er als Junge gespielt hatte; wenn Carola in einem Anfall von Hausfrauenwahnsinn allerlei aus dem Haus geschafft haben wollte, ärgerlich wurde und fragte: »Warum gibst du denn das nicht fort?« verteidigte er seine Geräte ernst und würdevoll: »Ja, man kann doch nie wissen; vielleicht braucht man sie einmal wieder.«

      Sie wurde rot. Ob er an das Kind dachte, das sie haben würden, sobald sie, wie er sich ausdrückte, »sicher wären, sich eins leisten zu können?«

      In rätselhaftem Kummer, in unklarer Traurigkeit schlüpfte sie davon, halb, aber auch nur halb überzeugt, daß es fürchterlich und widernatürlich sei, dieses Verschieben der Erfüllung ihrer Muttersehnsucht, dieses Zugeständnis an seinen Eigensinn und seinen vorsichtigen Wunsch nach Wohlhabenheit.

      Aber es wäre schlimmer, wenn er wie Sam Clark wäre – immer wieder Kinder haben wollte, überlegte sie, und dann: Wenn Will der Prinz wäre, würde ich das Kind dann nicht verlangen?

      Kennicotts Landgeschäfte waren sowohl Vermögensverbesserung wie Lieblingsspiel.

Скачать книгу