Stressfrei glücklich sein. Alain Sutter
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Zu guter Letzt kommt die Essenz
Hinweis Dieses Buch ist kein Ratgeber, denn:
»Kein Mensch ist klug genug, dass er anderen vorschreiben kann, wie sie zu leben haben.«
Alexander S. Neill (Gründer der Summerhillschule)
Einleitung
Dass gerade ich ein Sachbuch mit einem Inhalt, der nicht unbedingt dem Klischee eines ehemaligen Fußballers entspricht, und nicht eine Biografie schreibe, ist wohl wieder einmal typisch für mich. Aber ich finde es weder besonders spannend noch wichtig, Episoden aus meiner eigenen Geschichte zu erzählen. Viel interessanter und lehrreicher sind für mich die Schlüsse, die ich aus meinen Erlebnissen gezogen habe.
Der Prozess während des Schreibens hat mir fortlaufend neue Erkenntnisse geschenkt, die den Inhalt dieses Buches immer wieder verändert haben. Ich wollte schon 2008 ein Buch auf den Markt bringen, doch in letzter Sekunde stoppte ich das Projekt, denn ich hatte einfach das Gefühl, dass der Inhalt noch nicht stimmig war. Heute bin ich froh über meine Entscheidung, nicht etwa weil ich glaube, dass der Inhalt nun der Wahrheit letzter Schluss ist, sondern weil ich während dieser fünf Jahre der Weiterentwicklung ganz viel dazugelernt habe. Immer wieder ließ ich mir den Inhalt durch den Kopf gehen und hatte so die Möglichkeit, Neues zu erfahren – was zur Folge hatte, dass ich dann natürlich auch die Schlussfolgerungen der früheren Geschehnisse anders interpretiert habe.
Meinen eigenen Weg konsequent zu gehen, war schon immer ein Merkmal von mir, was mir vor allem im Fußballumfeld zu einem Image des »etwas anders zu sein als die anderen« verholfen hat. Ich persönlich habe das nie so empfunden und gesehen, ich habe mir höchstens über andere Dinge Gedanken gemacht, eine eigene, etwas andere Sichtweise über vieles gehabt oder meine Freizeit anders verbracht. Vor allem aber hatte ich andere Prioritäten und Überzeugungen in meinem Leben als die Mehrzahl derer, die sich im Fußballgeschäft tummeln.
Ich zog meinen Antrieb nicht aus Titeln, Trophäen, Triumphen oder Erfolgen, die in der Welt des Profisports meistens um jeden Preis erreicht werden sollen, sondern aus meiner Freude und Begeisterung am Fußballspielen. Für mich war es wichtig, gesund und glücklich zu sein und meine Freude und Begeisterung für den Fußball jeden Tag erleben und genießen zu dürfen.
Mit diesen etwas anderen Prioritäten hatte ich manchmal schon das Gefühl, etwas quer in der Welt des Profifußballs zu stehen. Die Momente der Selbstzweifel und das Hinterfragen meiner eigenen Überzeugungen wurden vor allem in Momenten des Misserfolges häufiger – besonders ab der Zeit, in der ich bei Bayern München spielte. Diese Zeit war mit zunehmend heftigerer und sehr persönlicher öffentlicher Kritik begleitet, was zu immer mehr Stress führte und langsam, aber sicher Spuren hinterließ, sodass ich irgendwann weder gesund noch glücklich war, geschweige denn, Freude oder Genuss am Fußballspielen empfunden hätte. Zudem herrschte hüben wie drüben in manchen Situationen Unverständnis.
Als ich beispielsweise vom Länderspiel in Schweden, bei dem wir wegen der französischen Atomtests im Mururoa Atoll das »Stopp it Chirac«-Tuch ausgerollt hatten, wieder zurückkam, sagte der eine oder andere, es würde ihn kein bisschen überraschen, dass diese Aktion ausgerechnet bei einer Mannschaft stattfindet, von der auch ich ein Teil sei. Darauf dachte ich mir, dass es ja vielleicht nicht schlecht sei, die eigene Präsenz in der Öffentlichkeit für etwas Sinnvolles zu nutzen.
Auch die Stimmung nach einem verlorenen Spiel, die sich immer anfühlte, als sei man bei einem Begräbnis, belastete mich zusehends. Inmitten eines unendlichen Universums ging es auf einem klitzekleinen Planeten nur um ein verlorenes Spiel. Ich habe mir dabei oft gedacht, es ist doch niemand gestorben, es wurde nur ein Fußballspiel verloren. Außerdem: Durch das Trübsalblasen gewinnen wir das Spiel ja auch nicht mehr, also wo ist das Problem?
Aber das wagte ich natürlich nie zu sagen oder zu zeigen, denn die Reaktion des Enttäuscht-Seins demonstrierte ja, dass man die ganze Sache ernst nahm. Also spielte ich dieses Spiel so gut es ging mit, aber es fühlte sich einfach sehr bescheiden an, denn es machte für mich keinen Sinn. Ich überlegte immer, was mit mir bloß los sei, weil ich dieses Drama nicht mitempfinden konnte. Mein Drama war aber, dass ich eben kein Drama spürte, was mich dann schlussendlich doch ein Drama spüren ließ. Sie sehen, das war ziemlich verwirrend, und genau so fühlte ich mich auch. Verwirrt und mit ganz vielen Fragezeichen auf der Stirn?????
Doch diese Fragen interessierten mich und ich suchte nach Antworten. Ist es wirklich notwendig, ein Drama aus allem zu machen? Kann man tatsächlich nur erfolgreich sein, wenn man alles todernst nimmt? Und wenn ja, ist diese Einstellung wirklich förderlich, um sein Bestes zu geben und sein volles Potenzial zu entfalten oder gibt es gar unerwünschte Nebenwirkungen?
Man konnte also schon ab und zu mal den Eindruck bekommen, dass ich etwas anders war als die meisten anderen in diesem Geschäft, aber eigentlich hatte ich nur eine andere innere Überzeugung, wie man am besten zum Erfolg kommt.
Dieser Überzeugung wegen hatte ich während meiner Fußballerzeit immer wieder Diskussionen mit Verantwortlichen oder Journalisten, die mich darauf hinwiesen, dass ich so nicht den Erfolg haben würde, den ich eigentlich haben könnte.
Heute weiß ich, dass in der Tat viel mehr möglich gewesen wäre und meine Karriere noch erfolgreicher hätte verlaufen können. Allerdings nicht dadurch, dass ich mich mehr angepasst, eine seriösere oder »professionellere« Einstellung gehabt hätte oder ich dem Erfolg um jeden Preis nachgejagt wäre.
Ich hätte damals einfach etwas stärker und stabiler sein müssen und die Menschen und Gegebenheiten so akzeptieren, wie sie sind, auch wenn ich mit einigem nicht unbedingt einverstanden war. Und vor allem hätte ich mich nicht immer verwirren lassen, infrage stellen, an mir und meinen Impulsen zweifeln und mich von den Gegebenheiten und Umständen nicht allzu sehr beeinflussen lassen sollen. Ich hätte viel mehr zu mir und meinen Eigenheiten stehen sollen.
Ganz schlicht und einfach wäre nur mehr möglich gewesen, wenn ich meinen Überzeugungen und meinem inneren Antrieb treu geblieben wäre, meine etwas anderen Prioritäten nicht in Zweifel gezogen hätte und ich jeden Tag mit meiner kindlichen Freude und Begeisterung mit ganzem Herzen bei meinem so sehr geliebten Hobby, das ich zum Beruf machen konnte, dabei gewesen wäre. Wenn ich jeden Moment einer wunderbaren, einmaligen Zeit als Fußballprofi hätte genießen können und mir schon damals bewusst gewesen wäre, dass meine Überzeugungen mich zu meinem größtmöglichen Erfolg führen würden.
Doch da ich dieses Bewusstsein noch nicht entwickelt hatte, zeigte sich auch bei mir Stress, der als Nebenwirkung in einer Erfolgsgesellschaft so häufig vorkommt.
Damals war eben nicht mehr möglich, einfach weil ich so war, wie ich war. Wenn ich aber heute meinen Lebensweg