Mauerwerk-Kalender 2022. Detleff Schermer
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Auf Basis dieser Werte wurden die in Tabelle 6 angegebenen, nach Stein und Mörtel differenzierten Anhaltswerte abgeleitet, s. [7]. Bei der Ableitung dieser Werte wurden lediglich diejenigen Mauerstein-Mauermörtel-Kombinationen berücksichtigt, für die mindestens 10 Serien vorlagen. Diese Anhaltswerte beziehen sich auf die Prüfung nach dem DIN-Verfahren. Dabei wurden die Versuchsergebnisse, die nach dem EN-Verfahren ermittelt wurden, mit dem Faktor 2 multipliziert, um jeweils auf den Wert nach dem DIN-Verfahren schließen zu können.
Die nach DIN EN 1996-1-1/NA [17] anzusetzenden Haftscherfestigkeitswerte sind derzeit in Abhängigkeit der Mauermörtelart, jedoch nicht differenziert nach der Mauersteinart, angegeben, s. ebenfalls Tabelle 6. Die Werte basieren auf der Haftscherfestigkeitsprüfung nach dem DIN-Verfahren mit dem als ungünstig angesehenen Kalksand-Referenzstein. Nähere Erläuterungen zu diesen Werten können [8] entnommen werden.
Bild 4. Bandbreite der Haftscherfestigkeitswerte nach dem EN-Verfahren (Werte aus [7])
Tabelle 6. Stein/Mörtel; Anhaltswerte für die Haftscherfestigkeit nach [7] und anzusetzende Haftscherfestigkeitswerte (charakteristische Werte) nach DIN EN 1996-1-1/NA [17], differenziert nach Mauersteinart/-sorte bzw. Mörtelgruppe bzw. -klasse
Ein Vergleich der anzusetzenden Haftscherfestigkeitswerte mit den nach Mauerstein bzw. Mauermörtel differenzierten Anhaltswerten zeigt, dass teilweise deutlich höhere Haftscherfestigkeitswerte angesetzt werden könnten.
Bei der Biegezugbeanspruchung parallel zu den Lagerfugen wird zur Berechnung der Biegezugfestigkeit bei Fugenversagen ersatzweise die Haftscherfestigkeit angesetzt (s. Abschnitt 6.2.4). Zutreffender wäre stattdessen, die Torsionsscherfestigkeit zugrunde zu legen. In [7] und [9] wird darauf speziell eingegangen.
5.3 Haftzug- und Biegehaftzugfestigkeit
Die Kenngröße Haftzugfestigkeit impliziert die Annahme einer zentrischen Zugbeanspruchung, die senkrecht zur Grenzfläche zwischen Mauerstein und Mauermörtel angreift. Das Vorhandensein eines Biegemoments, das nur in einem Teilbereich (Zugzone) eine Zugspannung hervorruft, erfordert die Definition einer weiteren Kenngröße, genannt Biegehaftzugfestigkeit. Diese Kennwerte sind u. a. für die Biegezugfestigkeit senkrecht zu den Lagerfugen von Relevanz.
Eine Norm bzw. Richtlinie für die Prüfung der zentrischen Haftzugfestigkeit existiert nicht. Die Prüfung der Biegehaftzugfestigkeit mit dem Bondwrench-Verfahren ist in DIN EN 1052-5 [25] geregelt. In Tabelle 7 sind Versuchsdaten aus [1] zusammengefasst.
Tabelle 7. Stein/Mörtel; Haftzugfestigkeit; Prüfalter im Allgemeinen mind. 14 Tage (aus [1])
6 Mauerwerk
6.1 Allgemeines
Die Eigenschaftswerte von Mauerwerk können aufgrund seiner ausgeprägten Anisotropie und Heterogenität in Abhängigkeit der zahlreichen in der Praxis vorkommenden Mauerstein-Mauermörtel-Kombinationen sehr unterschiedlich sein und weichen zudem teilweise deutlich von denen anderer Baustoffe ab. Mauerwerk ist ein Baustoff, der sich in erster Linie für druckbeanspruchte Bauteile eignet. Die Beanspruchbarkeit auf Zug, Biegezug und Schub ist wesentlich geringer als die auf Druck. Die nachfolgenden Abschnitte enthalten eine Übersicht über die für die unterschiedlichen Beanspruchungen maßgebenden Festigkeits- und Verformungseigenschaften von Mauerwerk.
6.2 Festigkeitseigenschaften
6.2.1 Druckfestigkeit senkrecht zu den Lagerfugen
Die Druckfestigkeit von Mauerwerk senkrecht zu den Lagerfugen kann sowohl experimentell als auch rechnerisch ermittelt werden.
Die Prüfung der Mauerwerkdruckfestigkeit ist in DIN EN 1052-1 [26] geregelt.
Zur Ermittlung eines charakteristischen Wertes fk der Mauerwerkdruckfestigkeit, bezogen auf eine Schlankheit λ = 5, kann folgende Gl. (1) nach DIN EN 1996-1-1/NA [17] angewendet werden:
(1)
mit
fk | charakteristische Druckfestigkeit von Mauerwerk in N/mm2 |
K, α, β | Faktor und Exponenten, ermittelt über Regressionen (β = 0 für LM und DM) |
fst | umgerechnete mittlere Mindeststeindruckfestigkeit in N/mm2 |
fm | die der Mörtelklasse zugeordnete Festigkeit des Mauermörtels in N/mm2 |
Werte für die Parameter K, α und β sind DIN EN 1996-1-1/NA [17] zu entnehmen. Diese wurden für die gebräuchlichsten Mauerstein-Mauermörtel-Kombinationen aus zahlreichen Versuchsergebnissen von Mauerwerkdruckversuchen abgeleitet. Die umgerechnete mittlere Mindeststeindruckfestigkeit fst ergibt sich aus der Druckfestigkeitsklasse multipliziert mit dem Faktor 1,25. Bei der Mauermörtelfestigkeit fm sind DIN EN 1996-1-1/NA [17] und DIN 20000-412 [22] zu beachten.
Die Druckfestigkeit von Mauerwerk hängt nicht nur von den Festigkeitseigenschaften seiner Ausgangsstoffe ab, sondern von einer Vielzahl weiterer Parameter. Diese sind u. a. die horizontalen Verformungsunterschiede von Mauerstein und Mauermörtel unter vertikaler Druckbeanspruchung sowie die hygrische Wechselwirkung zwischen dem Wasserabsaugverhalten des Mauersteins und dem Wasserrückhaltevermögen des Mörtels. Es gibt Bestrebungen, ein Ingenieurmodell zur rechnerischen Bestimmung der Mauerwerkdruckfestigkeit unter Berücksichtigung dieser Parameter zu entwickeln.
Bild 5. Druckfestigkeit von Mauerwerk aus Kalksand-Vollsteinen und Kalksand-Blocksteinen mit Normalmauermörtel der Mörtelklasse M5 in Abhängigkeit von der Steindruckfestigkeit
Bild 5 zeigt beispielhaft anhand der Auswertung von Druckversuchen an Mauerwerk aus Kalksand-Vollsteinen und Kalksand-Blocksteinen in Kombination mit Normalmauermörtel der Mörtelklasse M5, wie unterschiedlich hoch die Druckfestigkeit von Mauerwerk im Versuch bei annähernd gleichen Steindruckfestigkeitswerten ausfallen kann. Dargestellt sind zum einen die