Staubfänger. Lucie Faulerová
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»Deinen Jakub natürlich«, sagt sie und kuschelt ganz besonders intensiv mit dem ersten Wort.
»Hm.« Fast muss ich mir auf die Stirn klopfen. Ich nehme einen Schluck, dann zucke ich mit den Schultern.
»Er hat gut ausgesehen, er war …«
»Warum erzählst du mir das?« Lächle! Der Bogen hinter dir fängt langsam Feuer, und dein Nacken auch.
»Ich habe gedacht, es würde dich interessieren.«
Versuch doch mal zu fragen, ob es mich interessiert, was du sagst.
»Aha.« Ich nicke, lege die Hand hinter meinen Hals und kratze mich. »Na, nicht wirklich. Wir haben nichts mehr miteinander zu tun. Hoffentlich geht es ihm so, wie er es sich wünscht.«
»Komisch«, sagt sie. Ja, auch dieses Spiel kennen wir bereits. Lass das Wort fallen und warte, bis es jemand hochhebt, von allen Seiten draufpustet und es dir zurückgibt. Dieses Spiel langweilt mich von allen am meisten. Wenn sie eine Hälfte sagt und wartet, dass ich nach der zweiten frage. Also lasse ich ihr Wort liegen, und sehe mich die Hose runterlassen, mich hinhocken und daraufpinkeln, mit einem unaufhaltsamen Strahl, der sich anhört wie das beruhigende Plätschern eines Bächleins im Wald.
»Das ist wirklich komisch«, sagt sie noch einmal. Sie nimmt das Wort selbst und wirft es nochmal zu Boden, diesmal von weiter oben. Platsch. Ich spüre die Ader an meiner Schläfe pulsieren.
»Dass du das einfach so hinnehmen kannst«, fügt sie hinzu, als würde sie mir eine Antwort auf die Frage »Und was ist komisch, Dana?« geben. Dieses Grünzeug ist wirklich ziemlich interessant, wie ich jetzt selbst feststelle.
»Dass es Geschichte ist. Und fertig.«
»Naja … ja, das kann ich. Ist ja auch so, oder nicht?«
»Aber er war ein Mensch in deinem Leben. Ein ziemlich wichtiger.«
»Woher weißt du, wer mir wichtig ist?«, pruste ich lachend heraus, denn dieses Mal finde ich Dana wirklich lustig. Erneut, dieses Mal geduldiger, beginne ich mit dem Feuerzeug zu spielen.
»Ich vermute, wenn du mit jemandem so lange zusammen bist, hat das wohl seinen Grund.«
»Da bist du eine gute Hellseherin. Du könntest Geld dafür verlangen.«
»Schon wieder geht’s los.«
»Vor dem Eingang hab ich eine Alte gesehen, die geschmuggeltes Parfum verkauft, du kannst dich neben sie stellen und deine Hellseherei anbieten, du brauchst ja nicht einmal die Hand der Leute dafür.«
»Ich hätte wohl doch lieber schweigen sollen.«
Ich schweige, um ihr leichtes Zusammenzucken bei jedem Klicken des Feuerzeugs genießen zu können. Dann lasse ich es sein, es macht mir keinen Spaß mehr.
»Ja, ich kann die Vergangenheit einfach hinter mir lassen. Versuch es auch. Du sparst dir damit jede Menge Sorgen. Vielleicht musst du dann nicht mehr danach forschen, wer krank im Hirn ist und was er hat und warum und so weiter.«
»Einige Brücken lassen sich nicht einfach abbrechen. Das machst du nicht gut.«
Aber doch. Und zwar alle.
»Dafür machst du es gut.«
Wir schweigen. Beide schauen wir auf das Grünzeug. Eine Salve Seelengas verpestet den Raum.
»Lassen wir das«, sage ich besonders schnell, denn ich weiß, dass ich das sonst gar nicht sagen würde.
Sie schaut vom Grünzeug zu mir und zuckt mit den Schultern.
»Hast du es eilig?«, fragt sie.
»Ich will noch bei ein paar Geschäften vorbeischauen.«
»Suchst du was?«, fragt sie und zieht ihre Geldbörse heraus, um ihren Anteil zu bezahlen, einen Tee, einen Saft, ein mildes Mineralwasser.
»Nein, ich will nur für irgendwas Geld ausgeben«, sage ich und zucke mit den Schultern, einen cremefarbenen Mantel, einen Scharfschützen, Urlaub auf den Bahamas. Sie nickt. Ja, ich sehe es dir an. Du weißt ja gar nicht mehr, wie es ist, wenn man noch Zeit und Geld zum Einkaufen hat. Du weißt ja gar nicht mehr, wann du zum letzten Mal etwas Schönes angehabt hast, weil dein Arsch nirgends mehr reinpasst. Was dir dein geliebter Mann bestimmt Tag für Tag sagt, wenn er von »einem« Bier heimkommt. Und du schaust in den Spiegel und beißt dir auf die Lippen, wenn du dir den Rock glattstreichst und dich im Profil betrachtest, und schaust Serien, wo alle schön sind, auch wenn sie schon auf die Vierzig zugehen, und gibst dir selbst die Schuld daran, dass dein Ehemann dich nicht mehr attraktiv findet, dass dich vielleicht kein Kerl mehr attraktiv findet. Und gibst dir selbst die Schuld daran, dass im Bett überhaupt nichts läuft. Du tust so, als würdest du Lust darauf haben, aber in Wirklichkeit liegst du da und schaust zur Decke, während er es dir macht, und stöhnst nur aus Gewohnheit und hoffst, dass es bald zu Ende ist. Und vielleicht stöhnst du auch deshalb, weil du denkst, dass er so schneller kommt. Und du bewegst dich so wenig wie möglich, nicht nur, weil es dir keinen Spaß macht, sondern auch, weil du Angst hast, dass du, würdest du dich auch nur ein klein wenig vom Fleck bewegen, sofort weglaufen würdest. Aber weißt du was? Das macht nichts, denn die Ehe ist harte Arbeit. Das macht nichts, weil du ja diese Kompromisse machen kannst.
»Also, bis nächsten Montag?«
»Bis nächsten Montag«, nicke ich und der leere Raum zwischen uns wird größer, er füllt sich mit Menschen, die mit den Rolltreppen fahren. Sie schaut mich immer noch an, ich sehe, wie sie den Mund aufmacht, ich sehe, wie sie mir noch etwas sagt. Kann sein, dass ich sie nicht hören kann. Kann sein, dass sie vom Lärm des Einkaufszentrums übertönt wird, sie sagt das so leise. Ich gehe beim Hintereingang hinaus und sofort nach Hause. Sie sagte »sie hat nach dir gefragt«, oder es kann sein, dass sie auch irgendetwas ganz anderes sagte.
Jakub hatte eine sanfte Stimme, sanfter als sein Gesicht. Man konnte sich gut vorstellen, wie es sein würde, wenn er zu sprechen beginnt, man konnte sich vorstellen, was für eine Stimme er hat, während er noch schwieg, und trotzdem war diese Vorstellung nicht deckungsgleich mit dem, wie diese Stimme in Wirklichkeit klang, sie überraschte einen nicht. Man dachte nur: Aber ja, klar, wie könnte sie sonst sein – außer so. Diese Stimme überzog ihn mit einem Satinleintuch.
So als würde man eine Torte glasieren.
So als würde man Milch in einen tiefschwarzen Kaffee gießen.
So als würde man heiße Himbeeren über einen Eisbecher träufeln und mit Zimt bestreuen.
Wir lernten uns bei den Bananen kennen. Wir lernten uns bei den Bananen kennen, das Kilo für fünfundzwanzig. Und dann trafen wir uns in der Schlange an der Kasse wieder. Sie ging bis nach hinten zu den Tiefkühlwaren. Das war vor Weihnachten. Und wir standen am Ende der Schlange und aßen Bananen. Jeder aus dem eigenen Einkaufskorb. Jeder vom eigenen Kilo für fünfundzwanzig.
Ich bleibe bei der Mülltonne vor dem Haus stehen und werfe Stückchen von dem zerrupften Grünzeug weg, das ich in meiner Tasche habe.
Tick-tack eins, tick-tack zwei, tick-tack