Klinische Hypnose und Hypnotherapie. Agnes Kaiser Rekkas
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Ebenso wie das Näherkommen ist auch das Entfernen zum richtigen Zeitpunkt von entscheidender Wichtigkeit. Sobald deutlich wird, daß der Patient die Klippe überwunden hat, geht meine Hand zurück. Ich rutsche meinen Stuhl wieder in die Ausgangsposition und betone, daß er das nun am besten alleine erledigen könne. Leistet der Patient die abschließende „Integrationsarbeit“, sollte sich der Therapeut völlig zurückziehen und darauf vertrauen, daß dieses ohne sein Zutun am besten vonstatten geht. Der Patient selber ist sich in dieser Phase der Therapie der beste Begleiter.
Zu 3)
Bei Patienten mit einer der unter Punkt 3 (Indikationen) erwähnten Symptomatik arbeite ich oftmals in Kotherapie mit meiner Körpertherapeutin.
Abb. 1 u. 2: Berührungstechnik am Kopf und im Schulter-Nacken-Bereich zur Hypnosevertiefung; Demonstration durch die Körpertherapeutin Usha Inniss während eines Hypnose-Ausbildungsseminars
2.3 Das weibliche Element – Frauen bereichern die Hypnose
Sie, in Hysteria hingegossen, er, der potente Hypnotiseur, mit Schnurrbart ausgestattet, in Imponierstellung von seinem eigenen Auftritt „verhypnotisiert“. Die Frau, durchlässig für dieses Verfahren, weil schlicht gefügiger, einfältiger, labiler, weichlicher und wahrscheinlich doch nicht so hochgradig intelligent. Da kommt Hypnose zur Wirkung, da hat sie Effekte, da trifft die Suggestion – die Frau in Hypnose. Eine alte Szene.
Die Zeit ist vorangeschritten, die Methodik verändert, die Forschung hat die alten Annahmen auf den Kopf gestellt. Und immer noch sitzen in den Vorständen der Hypnosegesellschaften vorwiegend Männer, werden die Fachbücher von Männern geschrieben oder herausgegeben – obwohl sich da schon mal ein weiblicher Artikel einschleicht. In meinem Bücherschrank finden sich ungefähr drei Dutzend Bücher zum Fach Hypnose, eines davon von zwei Kolleginnen. Während in den übrigen Psychotherapieverfahren Frauen machtvoll vertreten sind, scheint das in der Hypnose anders zu sein. Über die Gründe sei an dieser Stelle nicht spekuliert. Es liegt mir daran sicherzustellen, daß Männer gut sind, als Therapeuten, Dozenten, Autoren. Und Frauen sind anders gut. Und es ist an der Zeit, Weibliches in der Hypnose zu etablieren. Und … es tut sich was ‚in den billigen Rängen‘! In den Seminaren beobachte ich eine steigende Anzahl von Frauen. In meinem derzeitigen Ausbildungscurriculum in München gibt es inzwischen bei 14 Frauen nur einen Mann. Nicht, daß ich dieses Verhältnis nun für besonders ausgewogen erachte. Aber es ist vorerst gut so. Die Hypnose erhält mit dem weiblichen Anteil der Therapeutin mehr Wärme, mehr Gewährendes und Permissives, mehr Raum für Wachstum und natürlich mehr Mütterliches. Wer die besonnene Anästhesistin Christel Bejenke aus Santa Barbara im Umgang mit chirurgischen, Krebs- und Intensivpatienten erlebt, wer Joan Murray-Jobsis bei schizophrenen Patienten so beeindruckend mit ihren Techniken des ‚mothering‘ und ‚nuturing‘ arbeiten sieht, wer Susy Signer-Fischer so lebendig und spielerisch von ihrer Arbeit mit Kindern berichten hört, weiß um diese Qualität.
Und zwei europäische Kongresse für Hypnose trugen sich auf zarten Frauenschultern, denen von Marianne Martin und Henriette Walter in Wien und Eva Banyai in Budapest.
Hypnose ist keine Domäne der Männer mehr, Frauen „unterwandern“ als Therapeutinnen die Hypnose.
2.4 Unsere Kollegen in den USA – was machen sie anders, was sollten wir übernehmen?
An einem meiner Ausbildungscurricula nimmt eine Anästhesistin nur deshalb teil, weil sie mal in den USA ein Flugzeug benutzte. Sonst kommt man da ja auch nicht vom Fleck. Natürlich passierte dabei etwas. Sie saß neben einem Mann. In amerikanisch aufgeschlossener Art kamen die beiden ins Gespräch. Er fragte sie unter anderem nach ihrem Beruf. Aha, Anästhesistin. Er schien beeindruckt. Wieviel Hypnose sie in ihrer Arbeit anwende? Hypnose? Sollte das ein Scherz sein? Sie hätte keine Ahnung von Hypnose. Als Anästhesistin nichts über Hypnose wissen? Nein, das sei nicht möglich. Vor kurzem sei seine Frau in Hypnose hysterektomiert worden. Die Anästhesistin konnte es nicht fassen, fragte aber interessiert nach. Und abends kam per Zufall in ihrem Hotelzimmer-TV ein Bericht über Hypnose in der Schmerzbehandlung; das hat ihrer beruflichen Laufbahn den entscheidenden ‚Kick‘ gegeben: Ihre Habilitation wird „Hypnose und Immunsystem“ zum Thema haben.
Meine USA-Erfahrungen bescheiden sich auf einen Besuch in San Diego zu einem Hypnosekongreß. Bis ich kurz vor meiner Abreise endlich alle Bus- und Trolleylinien aus dem Kopf wußte, pflegte ich auch mit dem Taxi vorwärts zu kommen. Von Billy berichte ich am Ende des Buches. Aber auch alle meine anderen Taxifahrer entpuppten sich im Laufe der Gespräche, auf überdimensionalen Highways dahinrauschend, als erfahrene und begeisterte Selbsthypnotiseure. Der italienischstämmige George brachte mit Hypnose die Durchblutung seiner unteren Extremitäten, was auch immer er damit meinte (und ich hielt mich zurück, näher nachzufragen), in Gang. Rico brauchte sie zum Einschlafen, Arthur einfach als eine Art täglicher Konzentrationsübung. Vielleicht waren alle diese Begegnungen auch Zufall, aber auffällig war es allemal. Sobald ich auf Anfrage berichtete, aus welchem Grunde ich in San Diego weilte, wußte dort jeder ‚Eingeborene‘ seine Erfahrungen mit Hypnose zum besten zu geben.
Beeindruckend ist für uns sicher die in den USA herrschende Selbstverständlichkeit in der Inanspruchnahme von Psychotherapie allgemein und der Anwendung von Hypnose im besonderen. Dafür spricht auch die Unmenge von Selbsthilfebüchern auf diesem Sektor. Diese Hypnoserenner sind gespickt mit wundervoll tönenden Slogans, wie z. B. in der Schmerztherapie: „Love the part which hurts“ oder in der Sexualtherapie: „Focus on pleasure, not on performance“. Klingt gut und ist richtig. Leider können wir das hier im Deutschen nicht so direkt verwenden, sondern bringen es weit weniger keß und eher etwas verknotet an den Mann/die Frau: „Nach allem, was Sie an Schmerzen ertragen mußten, ist es Ihnen eigentlich noch möglich, ein positives Gefühl für diesen Körperbereich zu entwickeln?“ Oder im zweiten Fall: „Achten Sie mehr auf den Genuß, als darauf, was Sie für eine Figur dabei abgeben.“ Na, so besonders überzeugend wirkt das dann wohl doch nicht. Es läßt sich im Amerikanischen einfach prägnanter ausdrücken. Das sitzt und wird verstanden. Auch die guten Interventionen von David Cheek aus dem Buch „Mind-Body Therapy, Methods of Ideodynamic Healing in Hypnosis“ – übersichtlich in Boxen aufgelistet („Stop that bleeding now, don’t waste your precious blood!“) – lassen sich nicht einfach übersetzen und anwenden. Es hört sich nämlich komisch, manchmal zu simpel und meist einfach nicht passend an. Wir sollten bei unserer eigenen Sprache bleiben und trotzdem immer offen hinhören, ob nicht doch dieses oder jenes unser Spektrum bereichern könnte.
Gehen wir vom bewußten zum unbewußten Sprachgebrauch über, können wir dagegen sehr wohl viel übernehmen, und zwar was den selbstverständlichen Gebrauch von Fingerzeichen anbelangt. Die Nutzung ideomotorischer Signale, die hier manchmal fast noch als anrüchig gilt, weil nicht weit entfernt vom Pendel und damit wieder nicht weit von Esoterik und allem,