Klinische Hypnose und Hypnotherapie. Agnes Kaiser Rekkas
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– zeitliche Verzögerung im begrifflichen Denken
– „Wörtlich nehmen“, Nichtverstehen von Verneinungen („Stell dir kein blaues Auto vor“)
– Suggestibilität im Rahmen der ethischen und moralischen Werte
– Akzeptanz von gedanklichen Widersprüchlichkeiten
– Flexibilität im Auffinden ganz neuer Gedankengänge, Erweiterung innerer Bezugsrahmen
– Erinnerung längst vergessener Situationen aus frühester Kindheit
– Absorption, klare innere Aufmerksamkeit, Konzentration auf ein Thema
– gute Visualisierungsfähigkeit, Fähigkeit, auf „innerer Bühne“ zu experimentieren
– erweiterte Vorstellungskraft auf allen Sinneskanälen
– nach der Hypnose Zeit der körperlichen und geistigen Reorientierung
1.7 Hypnose – gestern und heute
Ein zusammenfassender Überblick teilt die Geschichte der Hypnose in drei Kapitel mit jeweils völlig unterschiedlichen Ansätzen ein:
Bei dem „autoritären Ansatz“ liegt der Fokus auf dem Hypnotiseur, seinem starken Willen, seiner Macht und seinem ‚magischen Auge‘. Seine Suggestionen sollen tief in unbewußte Schichten eindringen und veränderte Verhaltens- und Reaktionsweisen beim Hypnotisanten auslösen. Diese Epoche der Hypnose ist mit den Namen von Mesmer, Charcot und Freud verbunden.
Bei dem „standardisierten“ Ansatz richtet sich das Augenmerk dagegen auf den Hypnotisierten bzw. Patienten. Aus der Experimentalpsychologie entwickelt, steht die suggestive Modifizierbarkeit des Verhaltens im Vordergrund. Dieser Ansatz zeichnet sich durch langwierige Induktionsformen ausschließlich über Entspannung und mangelnde Kontextvariablen aus. Er ist inflexibel und lastet Mißerfolge einem Manko an Suggestibilität und Hypnotisierbarkeit an. In dieser Phase wurde eine Menge an standardisierter Verfahren ausgearbeitet. Ausführliche Suggestibilitätstests sollten abklären, wieweit Hypnose wirksam werden könne. Führende Persönlichkeiten waren hier Hilgard und Hull.
Der „Kooperationsansatz“ leitet sich aus einem Zusammenspiel der modernen Psychotherapien ab und berücksichtigt die systemischen Rückkoppelungsprozesse. Alle Karten werden auf die Wechselwirkung zwischen Therapeut und Patient gesetzt. Respekt und Achtung vor den Fähigkeiten des anderen werden offen ausgedrückt und die Zusammenarbeit auf gleichem Niveau unter dem Aspekt einer Konferenz zweier Fachleute betont. Keine rigiden Prozeduren, keine fixierten Methoden schränken schöpferische Prozesse ein. Der Therapeut führt bzw. begleitet den Patienten mit fachlicher Anleitung in Richtung Therapieziel. Die Trance wird als eine Phase der Neuorientierung und des Lernens verstanden. Suggestionen werden möglichst vermieden, da der therapeutische Effekt fraglich ist. Auf jeden Fall sollte eine Analyse oder Interpretation der Hypnoseerfahrung unterbleiben, um in Gang gesetzte unbewußte Leistungen nicht durch bewußte Reflexion zu stören. Dieser Ansatz ist hervorragend zur Stärkung der Persönlichkeit in allen ihren Facetten sowie zur Nähe-Distanz-Regulierung geeignet, womit er auch in der Therapie bei Depressionen (Yapko 1996) indiziert ist. Diese Erweiterung der einfachen klassischen Hypnose wird Hypnotherapie genannt, was die gewonnene Vielfalt schon andeutet. Die Väter und Mütter der Hypnotherapie sind nicht nur Milton H. Erickson, David Cheek und weitere Hypnosefachleute, sondern auch Virginia Satir und viele andere Psychotherapeuten mit weiteren methodischen Ansätzen.
Will man sich nicht mit dieser knapp-nüchternen Auflistung begnügen, lasse man sich faszinieren von Konrad Wolffs Artikel „Hypnotische Archäologie – lang ist und windungsreich der Weg von der physikalistischen Phantastik des Mesmerismus bis zum psychologischen Realismus der Ericksonianer“ (1998). Das romangleiche Schriftstück stellt in unvergleichlicher Weise die schillernde Geschichte der Hypnose dar.
1.8 Rapport und Kooperation – Die Basis der heutigen Hypnotherapie
Sie setzt bei uns Therapeuten voraus, an unbewußte Fähigkeiten und Kräfte zu glauben. Unsere eigenen Erfahrungen in Selbsthypnose und die Arbeit mit den Patienten lehren uns, mehr und mehr auf diese Begabungen, die bewußt vorerst nicht zugänglich sind, zu achten und ihnen zu vertrauen.
Eine wesentliche Bedingung für guten Rapport ist die Kunst der subtilen Beobachtung. Üben Sie das Beobachten des Patienten. Fangen Sie bei der Begrüßung an: so z. B. Bewegung, Mimik, Atmung, Sprachfluß, Sprachgebrauch, Grad der Rigidität/Flexibilität in den Denkmustern, Wachsamkeit/Aufmerksamkeit, Gespanntheit, die Fähigkeit sich zu konzentrieren etc. Nehmen Sie den Patienten wahr.
Es ist ein Dilemma, das den Patienten zu uns führt, d. h., er ist in Probleme geraten, die er durch bewußte Prozesse nicht zu lösen vermag. In der Sprache der Hypnose: Seine gelernten Bezugsrahmen sind zu eng geworden, so daß er Gefangener im eigenen System ist. Oft zeigen sich zwei Alternativen, die aber beide nicht zum Erfolg führen oder sogar in Katastrophen enden würden (pathologische Doppelbindung = Pattsituation).
Der Auftrag des Hypnotherapeuten beinhaltet nicht das Ziel, den Patienten neu zu prägen, zu beeinflussen oder (gar noch auf magische Art und Weise) zu manipulieren. Im Gegenteil soll die hypnotische Intervention des Therapeuten den Patienten anleiten, zu seinen eigenen Ressourcen zu finden. Der Therapeut suggeriert nicht, er regt innere Suchprozesse an, er ruft hervor.
Das Prinzip der Kooperation beruht auf dem nutzbringenden Zusammenschluß zweier Fachleute mit unterschiedlichen Kompetenzen auf respektvoller Ebene. Geistige und seelische Prozesse werden dabei auf besondere Art und Weise ins Fließen gebracht, so daß in der Folge therapeutische Veränderungen, für welche Art von Krankheit oder Problematik auch immer, vollzogen werden können. Das geschieht im Trancezustand auf „unabsichtliche“, spielerische Art und Weise, ohne Behinderung durch bewußte Kontrollmechanismen. Hypnose ist somit kein passiver und regressiver Zustand, sondern eine hochmotivierte Verfassung, eine Phase der besonderen inneren Konzentration, eine Zeit des Lernens.
Bestenfalls beobachtet der Patient in aller Ruhe, was sich in seinem Inneren abspielt.
Bestenfalls begleitet der Therapeut ihn dabei mit zugewandter, warmherziger, ruhiger und permissiver Art und fordert ihn auf, dem inneren Prozeß zu folgen und sich für Überraschungen (neue Lösungen, Wendungen, Schmerzbewältigung) zu öffnen.
Der Glaube an die Fähigkeit des Patienten zu dieser unbewußten Leistung und die Sicherheit in der Begleitung sind die potentesten Suggestionen, die wir dem Patienten zu geben vermögen.
(Siehe auch Gilligan 1991)
1.9 Ist die Hypnose tief genug?
Die Frage der Korrelation von Hypnosetiefe und -wirksamkeit
Zumeist den Patienten, oft aber auch den angehenden Hypnotherapeuten beschäftigt die Frage nach der ausreichenden Hypnosetiefe, die implizit den Zweifel an der Wirksamkeit der Hypnose enthält. Vorsichtig, aber auch offen geäußerte Fragen (siehe auch Fragebogen im Anhang) zielen auf diese Thematik ab: „Ich habe Sie aber immer noch gehört!“