Onettis Santa María(s): Machträumliche Spannungsfelder zwischen biologischer Reproduktion und künstlerischer Produktion. Johanna Vocht

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Onettis Santa María(s): Machträumliche Spannungsfelder zwischen biologischer Reproduktion und künstlerischer Produktion - Johanna Vocht Orbis Romanicus

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ausfiel. Demnach gelten Männer als aktiv an der Handlung beteiligte Subjekte, Frauen als passive, indirekt handlungsauslösende Objekte.39 Josefina Ludmer, Judy Maloof, Elena M. Martínez oder Mark Millington verweisen darauf, dass die Aushandlung der konfliktiven Identitäten, die ein für die Onetti’sche Textwelt typisches, marginalisiertes und entfremdetes männliches Subjekt in Onettis Texten kennzeichnet, nicht ohne die katalytische Funktion einer weiblichen Figur gedacht werden könne. Männliche Subjektivierungsprozesse stünden damit immer in Beziehung zu einem weiblichen Komplementärobjekt. ‚Die Frau‘ wird in dieser Lesart einem bestimmten Typus zugeordnet und dadurch auch ihre Funktionalität für männliche Identitätsaushandlungen affirmiert.40 Im Folgenden soll dieses diskursbestimmende Postulat von aktiven Männlichkeiten und passiven Weiblichkeiten anhand einzelner Studien noch einmal detaillierter erläutert und vor allem in seiner Absolutheit in Frage gestellt werden.

      Ludmers 1977 verfasste kritische Studie Onetti. Los procesos de construcción del relato ist eine der ersten Arbeiten, die auf die weiblichen Figuren in Onettis Erzählungen fokussiert, und gilt mittlerweile als Standardwerk der Onetti-Forschung. Ludmer arbeitet für diese Studie mit den drei Texten La vida breve (1950), Para una tumba sin nombre (1959) sowie „La novia robada“ (1968), als deren Nexus sie den weiblichen Körper setzt und damit auch als erste eine narrative Verbindung von weiblichem Körper und poetologischer Genese bei Onetti untersucht. Von der Psychoanalyse nach Jacques Lacan und der marxistischen Theorie beeinflusst, arbeitet Ludmer heraus, wie die narrative Ökonomie aller drei Texte an (Dys)funktionalitäten des weiblichen Körpers gebunden ist:

      Las tres partes trazan una travesía por un cuerpo femenino, algo así como un horror del cuerpo femenino: la teta cortada y la Queca, la matriz de Rita con el chivo y la concha inútil de Moncha.41

      In diesem Zitat verbindet Ludmer Frauenfiguren aus ihrem Untersuchungskorpus mit paradigmatischen, dysfunktionalen primären und sekundären Geschlechtsmerkmalen: Gertrudis’ amputierte Brust mit Queca, Ritas Gebärmutter mit einem symbolischen Ziegenbock anstelle eines Fötus sowie Monchas ‚funktionslose‘ Vulva. Über ein enges semiotisches Zusammenspiel zwischen Textkörper und dysfunktionalem Frauenkörper leitet Ludmer in ihrer Studie eine Negation weiblicher Reproduktionsfähigkeit ab, welche sie wiederum einer männlichen Produktionspotenz gegenüberstellt. Anders ausgedrückt: In Ludmers Lesart wird weibliche biologische Reproduktionsimpotenz durch männliche künstlerische Produktionspotenz ersetzt: „[E]n Onetti escribir es gestar […].“42 Der Schaffensprozess verlagert sich demnach von einer biologischen auf eine künstlerische Ebene und damit von der Ebene der histoire auf die Ebene des discours. Weibliche Gebärfähigkeit wird durch männliche Imaginationsfähigkeit substituiert.

      Während Ludmer eine Verschiebung der (Re)Produktionspotenz von der biologischen/weiblichen auf die künstlerische/männliche Ebene postuliert, liest Maloof mit explizitem Rückgriff auf Elisabeth Bronfens komparatistische Studie Nur über ihre Leiche (2004 [1993 engl.]), den weiblichen toten Körper als fiktionsgenerierend. Maloof rekurriert in ihrer Studie Over her dead body (1995) auf überwiegend stereotype Frauenfiguren. Bei Maloof haben diese die Funktion, den männlichen Protagonisten einen Ausweg aus ihren täglichen, frustrierenden sozialen Kämpfen zu weisen:

      These idealized images of Woman (usually a very young woman, a madwoman, a prostitute, or a handicapped woman) help the narcissistic masculine character to escape from the drudgery and frustrations of his everyday life in a reified social environment.43

      Frauenfiguren werden von Maloof demnach rein über ihre Funktion wahrgenommen, die den passiven, unterstützenden Gegenpart für den Narzissmus männlicher Figuren bilden. Erst durch deren Tod, sprich Over her dead body, erfüllt sich männliche künstlerische Produktion, wie Maloof exemplarisch an den Leichen Quecas (La vida breve, 1950) und Ritas (Para una tumba sin nombre, 1959) und der damit verbundenen männlichen Autorschaft Brausens und Díaz Greys ausführt. Die künstlerische Selbstverwirklichung männlicher Figuren basiert demnach auf der (textlichen) Liquidation einer Frauenfigur. Für La vida breve (1950) weist Maloof etwa nach, dass sich allein die Beschreibung der beiden Frauenleichen Queca und Elena Sala aus männlicher Perspektive derart gleichen, dass von einem Muster und einer Entindividualisierung der toten Frauen gesprochen werden kann.44 Seine poetologische Ausarbeitung findet dieses Schema schließlich in Para una tumba sin nombre (1959), insofern die männlichen Erzähler nicht einmal mehr der namentlichen Identität der Toten (sin nombre!) Bedeutung beimessen. Was zählt, ist allein das künstlerisch-diskursive Ergebnis, d.h. wie die Geschichte erzählt wurde.

      Diese überwiegend männlich konnotierte künstlerische Schöpfungspotenz in Abhängigkeit zu einem passiven weiblichen Gegenpart beschreibt auch Millingtons Lesart: So konstatiert er in seinen Untersuchungen zunächst eine grundsätzliche Dominanz männlicher Vorstellungen, Perspektiven und Belange in Onettis Texten. Daraus leitet er die Position ‚der Frau‘ als das dem Männlichen gegenüber ‚Andere‘ und infolgedessen deren ausschließlich katalytische Funktion für die fiktiven Biographien der Männerfiguren ab:

      Within this male discourse woman is different: she is positioned and given identity in relation to man […]; […] her gender is significant in that she is other […] it is not male, it is other.

      […] the female character is a function, a marker of the male situation. 45

      Durch die Positionierung ‚der Frau‘ in Abhängigkeit zu männlichen Figuren, wird sie auf die Rolle ‚der Anderen‘ beschränkt. Millington spielt damit implizit auch auf einen konsistenten Phallogozentrismus46 innerhalb der Onetti’schen Erzählungen an. Über eine Funktionalisierung als Marker für männliche Identitätsproblematiken weist die Rolle ‚der Frau‘ in seinen Ausführungen jedoch auch nicht hinaus. Aktive weibliche Handlung liest Millington in Onettis Texten nicht:

      Women never initiate action in Onetti’s fiction with a view to changing their situations, but they frequently stimulate male characters to move, and it is that movement which creates the narrative dynamic of the fiction.47

      Frauenfiguren fungieren in Onettis Texten demnach exklusiv als indirekt handlungsauslösende Momente, indem sie die männlichen Figuren dazu anregen, ihre Situation zu ändern, sprich: sich zu bewegen (movement)48. Frauen sind nach Millington die statischen, aber gleichwohl impulsgebenden Elemente der Erzählung, während Männer aktiv die Handlung gestalten.

      Während Millington die männliche Dominanz innerhalb der dargestellten Räume bei Onetti zwar konstatiert, aber deren räumliche Parameter nicht weiter analysiert, stellt Martínez sie in den Fokus ihrer Untersuchung. In ihren Ausführungen arbeitet sie heraus, dass die Handlungsorte in Onettis Erzählwerk überwiegend männlich homosozial geprägt sind und diese omnipräsente Prägung wiederum bestimmte genderabhängige Machtverhältnisse prägt:

      La narrativa de Juan Carlos Onetti, desde El pozo (1939) hasta Cuando ya no importe (1993), articula y reproduce un espacio homosocial por excelencia. Por homosocial se entiende aquí el lugar privilegiado en que los personajes masculinos como sujetos del discurso, llevan a cabo entre ellos transacciones de poder social, económico, y narrativo; mientras que los sujetos femeninos aparecen como objetos de cambio, intercambio o en palabras de Luce Irigaray, como ‚mercancía‘.49

      Unter homosozialen Räumen versteht Martínez solche, die durch einen hegemonial männlichen Diskurs geprägt sind – sei es in sozialem, wirtschaftlichem oder narrativem Sinne. Frauen fungieren dabei als Tauschobjekte oder Waren. Homosoziale Räume reproduzieren, wie Martínez weiter ausführt, die Subjekt-Objekt-Relation zwischen Männern und Frauen. In ihnen dominieren Rivalitäten und Komplizenschaften zwischen Männern, Frauen dienen dagegen allein als Sache, über die gesprochen wird.50 Wie Millington arbeitet auch Martínez ‚die Frau‘ allein in ihrer Objekt-Funktion in Bezug auf die Aushandlung männlicher Selbstfindungsproblematiken heraus. Im Zentrum ihrer Analyse steht daher auch kaum die Frage

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